Von Prof. Dr. Wolfgang Blättchen, Blättchen Financial Advisory

Seit dem Start von Bondm im Jahr 2010 haben sich zahlreiche Facetten in der Emissionspraxis von Mittelstandsanleihen herausgebildet. Die originäre Emissionspraxis einer Mittelstandsanleihe ist die „reine“ Eigenemission, bei der ein Emittent selbst die Platzierung vornimmt und alleiniger Unterzeichner des Wertpapierprospektes ist. Die Einschaltung einer Bank oder eines Wertpapierhandelshauses erfolgt ausschließlich aus Vertriebsgründen als sog. „Selling Agent“, um den Vertrieb der Anleihen als Kommissionär an vorwiegend (semi-) institutionelle Investoren vorzunehmen. Darüber hinaus hat der Emittent die Möglichkeit, über den Vertriebskanal „Börse“ (Zeichnungsbox) die breite, anonyme Masse der Retailanleger zu adressieren. Als dritter Vertriebskanal steht ihm noch der direkte Kontakt zu ihm nahestehenden Investoren („Friends & Family“) über ein eigenes auf der Website des Emittenten eingerichtetes Online-Zeichnungsportal zur Verfügung. Ein ausgewogener Mix dieser drei Vertriebskanäle stellt die Platzierung sicher. Um die Qualität bzw. die Kapitalmarktfähigkeit des Emittenten und die der Anleihe bei einer reinen Eigenemission zu beurteilen, trägt ein „Kapitalmarktexperte“, der in Stuttgart oder Düsseldorf keine Bank sein muss, eine besondere Verantwortung.

Da auf der einen Seite das Interesse an Mittelstandsanleihen bei Unternehmen und Investoren weiter gestiegen und auf der anderen Seite das klassische „IPO-Geschäft“ zum Erliegen gekommen ist, haben vor allem kleinere Investmentbanken die Anleiheplatzierung als neues Geschäftsfeld entdeckt. So wird öffentlich argumentiert, dass aus Gläubigerschutzgesichtspunkten eine bankengeführte Anleiheemission einer typischen Eigenemission vorzuziehen sei, da die Banken eine sorgfältigere „Due Diligence“ durchführen und entsprechende Erfahrungen aus vergangenen Transaktionen vorweisen können. Schließlich kennen die Banken die Vorlieben der Investoren besser und können daher die Ausgestaltung der Anleihe besser einschätzen und somit auch das Platzierungsrisiko reduzieren. In diesem Konzept verliert der Emittent die Steuerungsfunktion bei der Platzierung und überträgt die Verantwortung der beauftragten Investmentbank.

Gegenüber den Emittenten und Anlegern wird hierbei der Anschein erweckt, dass es sich um eine „klassische Fremdemission“ handelt, wie man sie aus den Equity-Börseneinführungen kennt. In der Tat nehmen die beauftragten Emissionsbanken eine Due Diligence vor, die in erster Linie eine rechtliche Prüfung beinhaltet und üblicherweise von der prospektierenden Anwaltskanzlei erledigt wird. Die Anforderungen werden in einem sog. „Underwriting Agreement“ (Übernahmevertrag) festgehalten, den der Emittent erfüllen muss. Die Bank verpflichtet sich darin, die Anleihen zu übernehmen und anschließend den jeweiligen Investoren weiterzuverkaufen. Jedoch erfolgt diese Übernahme zu „best effort“, d.h. es werden nur die Stücke übernommen, die auch platziert werden können. Somit bleibt das Platzierungsrisiko wieder beim Emittenten hängen. Der große Unterschied zu den „IPO-Standards“ ist jedoch der, dass die Bank den Wertpapierprospekt nicht mitunterzeichnet. Unter den 17 Anleiheemissionen in den Mittelstandssegmenten, in denen ein Übernahmevertrag geschlossen wurde, gibt es keinen Fall, wo die Bank den Prospekt mitunterzeichnet hat. Im Eigenkapitalmarkt ist dies aber bei Börseneinführungen üblich. So stellt sich die Frage, inwieweit eine bankengeführte Emission die sichere und bessere Art der Anleiheplatzierung für den Emittenten und Investor ist. Die Insolvenz der SIAG Schaaf, deren Anleihe über eine Bank strukturiert und begleitet wurde, wirft Fragen hinsichtlich der Qualität und Verlässlichkeit der durchgeführten Due Diligence auf. Auch ist eine bankengeführte Emission keine Garantie für eine erfolgreiche Platzierung.

Der potenzielle Emittent und auch der interessierte Anleger sollten sich nicht blenden lassen, sondern sich kritisch mit den Themen des Platzierungsrisikos und der Kapitalmarktfähigkeit des Unternehmens auseinandersetzen. Dies ist entscheidend für den Emissionserfolg.

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