Bildnachweis: © Börse Düsseldorf.

Ein Süddeutscher als neuer Geschäftsführer der Börse Düsseldorf? Das muss keineswegs ein Widerspruch sein: Dr. Rolf Deml bringt praxiserprobte Ideen aus vorherigen Stationen inklusive Ausland mit.

GoingPublic: Herr Dr. Deml, Sie sind neuer Geschäftsführer der Börse Düsseldorf – kurz zu Ihrem Hintergrund und zum Aufwärmen: Wie sieht der aus und was reizt sie an der neuen Aufgabe?

Deml: Gern. Ich bin promovierter Jurist. Vorherige Stationen waren u.a. sechs Jahre Geschäftsführung der Börse Stuttgart und danach Leiter der Handelsüberwachung an der EUREX in Zürich. Der Weggang von Thomas Dierkes nach ich glaube zwei Jahrzehnten an der Börse Düsseldorf kam wohl nicht nur für mich doch einigermaßen überraschend – so dass die Anfrage an mich als Süddeutschen ebenso überraschend auf mich zukam.

Sie haben sich doch sicherlich nicht überreden, sondern überzeugen lassen – womit genau?

Dr. Rolf Deml ist seit Januar 2022 Geschäftsführer der Börse Düsseldorf. Der Jurist war zuvor u. a. als Leiter der Handelsüberwachung der Terminbörse EUREX in Zürich tätig sowie als Geschäftsführer der Börse Stuttgart.

Ich habe mich zuerst etwas sortiert und dann mit den Verantwortlichen in zahlreichen Gesprächen ausgelotet, was man denn gemeinsam Sinnvolles bewerkstelligen könnte. So finde ich das Düsseldorfer Konzept des Primärmarktes überaus spannend, bei dem wir v.a. mit dem Münchner m:access und dem Frankfurter SCALE konkurrieren. In Teilbereichen sehe ich da für uns gewisse Alleinstellungsmerkmale. Mein Hauptaugenmerk gilt also zunächst dem Voranbringen des Düsseldorfer Primärmarktes und des gesamten Freiverkehrs.

Wie gut ist Düsseldorf im innerdeutschen Vergleich dabei aufgestellt? – wobei klar ist, dass von Platzhirsch Frankfurter Börse häufig Veränderungen angestoßen werden.

Im Primärmarkt der Börse Düsseldorf gelten besonders hohe Transparenz- und Börsennotiz-Folgepflichten. Derzeit notieren in diesem Qualitätssegment des allgemeinen Freiverkehrs 28 Aktiengesellschaften. Dieser wird auch von der Deutsche Börse AG als anerkannter Markt angesehen, was eine Voraussetzung für die Notierung auf XETRA ist. Die Zeichnungsmöglichkeit für IPOs in Düsseldorf ist natürlich auch vorhanden, also das Pendant zu DirectPlace in Frankfurt. Fokus für uns sind deutsche Mittelständler, aber nicht nur – ausländische Emittenten sind genauso willkommen.

Wie alle anderen deutschen Börsenplätze hatte sich Düsseldorf auch bei mittelständischen Unternehmensanleihen profilieren wollen. Der Begriff ‚Mittelstandsanleihen‘ ist inzwischen über ein Jahrzehnt alt. Gibt es in Düsseldorf noch Ambitionen?

Die Entwicklung bei KMU-Anleihen wurde ja leider in den letzten Jahren zu einem gewissen Trauerspiel. Das muss aber nicht für alle Zeiten gelten: Mit der Zinswende könnten Unternehmensanleihen aus Investorensicht wieder etwas an Gunst zurückgewinnen – jedenfalls spüren wir das schon. Der Primärmarkt gilt ja schließlich nicht nur für Aktien, sondern auch für Anleihen. Für Emittenten sind Unternehmensanleihen mehr als je zuvor sinnvoll, denn auch Bankenfinanzierungen sind deutlich teurer geworden. Da könnte Planbarkeit mit einem festen Kupon über in der Regel fünf Jahre wieder ein Argument sein.

Jede Regionalbörse hat bekanntlich ihre Spezialexpertise für etwas – was ist der USP von Düsseldorf, z.B. mit Quotrix?

Ja, Quotrix ist bereits 2001 als erste Market-Maker-Börse gestartet und profitiert vom jüngsten Brokerage-Boom. Entscheidend für Anlegende ist der kostenfreie Handel – vorbehaltlich der Gebühren, die Ihnen Ihre Banken berechnen.

Eine Besonderheit in Düsseldorf ist, dass man auch Börsenmäntel oder SPACs, also Special Purposition Acquisition Vehicles, listen kann. Ist das ein USP und wozu benötigt man das?

Richtig – das sehen wir als eines unserer Alleinstellungsmerkmale beim Listing in Düsseldorf. Teilweise wird die Notierung leerer Börsenmäntel kritisch gesehen. Wir meinen aber, dass diese als Vehikel ihre Berechtigung haben und knüpfen Bedingungen daran. Zum Beispiel, dass innerhalb von zwei Jahren ein operatives Geschäft bestimmter Größe in den Börsenmantel eingebracht werden muss, sonst erfolgt ein Delisting. Die Regelung mit dem Zeitrahmen war früher nicht so, mit der Folge, dass es Sorgen gab, man habe irgendwann mehr tote oder leere Börsenmäntel als ,‚richtige“ Unternehmen gelistet. Es waren letztes Jahr immerhin sechs oder sieben dieser Mäntel, die durch Einbringung gefüllt wurden.

Steigern wir etwas die Schwierigkeitsstufe: Wie stark grenzen Sie die Begriffe IPO, Listing, Einbeziehung oder allgemeiner Börsengang zueinander ab?

Das ergibt sich schon rechtlich: Eine Einbeziehung in den Regulierten Markt gibt es zwar, spielt aber in der Praxis kein Rolle, sondern lediglich im Freiverkehr – die reine Notierungsaufnahme eben. Das klassische IPO ist ein Börsengang in den Regulierten Markt, mit Wertpapierprospekt, das mit einem öffentlichen Angebot verbunden ist. Fairerweise muss man sagen, dass dies in Deutschland fast immer in Frankfurt stattfindet.

Also mit anderen Worten: Freiverkehr ist die Low Budget Variante für eine rasche Börsennotiz, also keine Börse im eigentlichen Sinne – sondern eher ein Marktplatz.

Der Regulierte Markt ist öffentlich-rechtlich, und dafür gelten die im Börsengesetz/Börsenzulassungsverordnung und im Regelwerk der jeweiligen Börse abgestimmten Voraussetzungen; der Freiverkehr ist privatrechtlich organisiert – daher richtig, hierfür sind keine langwierigen und teuren Einbeziehungsvoraussetzungen durch den Emittenten zu erfüllen. Aber wir machen den Emittenten Auflagen, so wie den einzuhaltenden Zeitrahmen bei den erwähnten Börsenmänteln. Aber beim Freiverkehr nicht von einer „Börse“ zu sprechen, halte ich ein wenig für wortklauberisch. In Düsseldorf machen wir das jedenfalls nicht.

Wie steht es mit dem neuen Trend „Krypto“, was hat sich die Börse Düsseldorf da ins Aufgabenheft geschrieben? Das Thema kommt mehr und mehr, und jede Börse versucht, ihre Claims so abzustecken.

Wir stellen uns da natürlich die gleichen Fragen: Könnten wir in Düsseldorf mit etwas punkten und möglichst auch Stockfehler anderer Börsen vermeiden? Wenn man nur auf die zwar beliebten, aber volatilen Kryptowährungen baut, kann das ganz schnell nach hinten losgehen wie vergangenes Jahr. Kryptowährungshandel ist unter dem Strich doch kaum etwas Anderes als der altbekannte Devisenhandel – und den begannen die Banken irgendwann untereinander zu betreiben, um Gebühren zu sparen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies bei Kryptowährungen auch eines Tages so ausgehen wird – ist vielleicht aber nur meine persönliche Meinung. Hoch spannend sind jedoch grundsätzlich tokenisierte Wertpapiere. Wir brüten noch, völlig ergebnisoffen.

Der Anlegerschutz darf bei diesen neuartigen Wertpapieren natürlich nicht zu kurz kommen. Die deutsche Aufsicht hat lange darüber sinniert – und liegt europaweit damit nunmehr angeblich vorne, sagte mir ein Gesprächspartner jedenfalls. Ihr Eindruck?

Da liegen Sie gar nicht falsch. In punkto Anlegerschutz liegen wir damit in Europa mal vor den USA, was relativ ungewohnt ist aus der Historie heraus. Mit MiCA, wenn es in der EU noch im April beschlossen wird, bekommen wir eine einheitliche und wegweisende Verordnung für Krypto-Assets.

Wie sieht man von außen, aus dem Ausland, auf Deutschland und seine Regionalbörsen – ist das etwas, das man versteht oder sorgt es eher für Verwirrung?

Dies weniger. Was für etwas Verwirrung sorgt, ist eher unsere Zweiteilung der Börse in öffentlich-rechtliche Anstalt und privatrechtlichen Träger. Dem halte ich aber stets entgegen: Das muss man auch nicht verstehen, da es ohne Belang ist, denn die Handelsüberwachung greift auch im Freiverkehr. Es gibt in Deutschland den großen Tanker: die Deutsche Börse mit Handelsplatz Frankfurt. Wir Regionalbörsen suchen uns Nischen, um uns ein oder mehrere Standbeine zu verschaffen. Vergessen Sie nicht, dass in den USA traditionell ebenfalls zahlreiche spezialisierte Börsen bestehen.

Wettbewerb belebt das Geschäft, ganz nach Schumpeter?

Die Börse Hamburg war die erste, die den Fondshandel an einer Börse ermöglichte und Quotrix war der erste elektronische Market-Maker Handelsplatz in Deutschland. Bei Innovationen zieht die Deutsche Börse irgendwann stets nach und erobert sich auch ihre Marktanteile wieder zurück. Das dauert meist etwas und bis dahin dürfen sich Stuttgart, München und Düsseldorf für ihre Innovationen rühmen. Wettbewerb belebt also in jedem Fall das Geschäft.

Herr Dr. Deml, ganz herzlichen Dank an Sie!

Das Interview führte Falko Bozicevic

Autor/Autorin

Falko Bozicevic

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams des GoingPublic Magazins sowie verantwortlich für das Portal BondGuide.