Bildnachweis: AdobeStock_raisondtre, @Madeline – stock.adobe.com.

Dieser Beitrag stammt aus dem kürzlich erschienenen GoingPublic 2/25.

GoingPublic: Das Motto der DIRK-Konferenz 2025, „Investor Relations in Zeiten der Permavolatilität“, stand bereits vor einem halben Jahr fest. Jetzt sind in Deutschland durch den Bruch der Ampel und vorgezogene Neuwahlen sowie diverse Entscheidungen der US-ameri­kanischen Regierung weitere Unruhe­faktoren hinzugekommen. Basierte die Wahl des Mottos auf weiser Voraussicht?

Werbung

Bommer: Auch wir vom DIRK haben keine Glaskugel und konkrete Ereignisse können auch wir nicht voraussehen. Generell ­leben wir in aufregenden Zeiten: Politische Unsicherheiten haben allgemein zugenommen, nicht nur in den USA und Europa. Dazu kommen ökologische und ökonomische Transformationen vieler Geschäftsmodelle und Industrien. Der demogra­fische Wandel zieht einen spürbaren Fachkräftemangel nach sich. Obendrein trägt die digitale Disruption – die noch vor zwei Jahren im Mittelpunkt der DIRK-Konferenz stand – ihr Übriges zur allgemeinen Verunsicherung bei in Form von Cyberattacken, Fake News und den Herausforderungen durch künstliche Intelligenz.

Dieser Beitrag stammt aus dem kürzlich erschienenen GoingPublic 2/25.

Für börsennotierte Unternehmen bedeutet diese Entwicklung zweierlei. Einerseits müssen sie mit ihren Geschäfts­modellen Schritt halten. Andererseits ist eine Anpassung der Finanzkommunikation erforderlich. Die digitale Transformation eröffnet neue technische Möglichkeiten, die zugleich mit erhöhten Ansprüchen an Genauigkeit, Transparenz und Echtzeit­reaktionen verbunden sind.

 

Wie wirken sich diese Entwicklungen auf das Aufgabengebiet der Investor Relations aus?

In den letzten 30 Jahren hat sich das ­Berufsbild der Investor Relations stetig ­angepasst. Regularien haben sich ausgeweitet und verfeinert. IR-Manager mussten jedoch schon immer „eierlegende Wollmilchsäue“ sein mit Grundkenntnissen und Fähigkeiten in der Unternehmens­bewertung, Rechnungslegung und kapitalmarktrechtlichen Fragen, die sie mit gutem Verständnis von Funktion und Wirkungsweisen von Kapitalmärkten ergänzen. ­Zugleich sind sie Experten für Kommuni­kation und kennen sich mit den neusten technischen Trends und Möglichkeiten aus. Um Privatanleger zu erreichen, haben jetzt z.B. Avatare, Chatbots, Social-Media-Auftritte und die Zusammenarbeit mit ­Finfluencern in den Alltag der IR-Abteilungen Einzug gehalten.

Illustration: @Madeline - stock.adobe.com
Illustration: @Madeline – stock.adobe.com

Eine der Keynotes hält in diesem Jahr der Burnoutexperte Frank Berndt. Sorgen Sie sich um die psychische Gesundheit der Investor-Relations-Verantwortlichen?

Mit dieser Keynote wollen wir Denkanstöße liefern. Es ist schon lange Tradition, dass wir auf der Konferenz nicht nur fachliche Inhalte bieten, sondern auch „Non-IR-­Themen“ auf der Agenda haben. Damit ­blicken wir über den Tellerrand hinaus und decken weitere wichtige Punkte ab. Wir hatten schon Themen zur Krisenbewäl­tigung bei überbordenden sozialen Medien, wir haben einen Algorithmus getanzt und wir hatten Fredi Bobic bei uns, der uns ­erläuterte, was Investor Relations vom Sport lernen kann. In diesem Jahr haben wir uns – passend zum Motto und der ­gegenwärtigen Lage – für Frank Berndt und das Thema „Abschalten können – die Kunst im Löwenkäfig entspannt zu bleiben“ entschieden.

Hier gelangen Sie zur Webseite der DIRK-Konferenz.

Warum können denn IROs nicht mehr gut abschalten?

Es lastet ein enormer Druck auf den ­Investor-Relations-Verantwortlichen, der sich nach dem Mantra „immer mehr, immer schneller und immer sorgfältiger“ bemerkbar macht. Es wird zunehmend anspruchsvoller, sämtliche Vorgaben gleichzeitig im Blick zu behalten. Mittlerweile drohen selbst bei relativ geringfügigen Verstößen Bußgelder von über 1 Mio. EUR. Das stellt für den Einzelnen, der sonst sorgfältig ­arbeitet und vielleicht einmal schlicht ­einen Fehler macht, eine große Belastung dar.

Mit einem Mal erhalten die ­Vorstände Briefe von US-amerikanischen ­Investoren mit dem ­Hinweis, dass diese nicht investieren dürften, wenn ,ihr Unternehmen weiterhin über eine Gleichstellungs-Policy verfügt‘.

Werden die Regularien zu strikt?

In diesem Fall würde ich eher hinter die Verhältnismäßigkeit der Sanktionierung ein Fragezeichen setzen. Aber vor allem ­erschweren es seit einiger Zeit politische Schlingerkurse den Unternehmen, stabile Aussagen zu treffen. Dabei markiert die ­unklare Zollsituation mit den USA nur die Spitze des Eisbergs. Sie macht belastbare Prognosen so gut wie unmöglich, die sich innerhalb von Stunden als obsolet erweisen können. Dennoch sind es die Investor-Relations-Manager, die für die unzuläng­liche Prognose beschimpft werden.

Ebenso massiv hat die Nichtumsetzung der CSRD in deutsches Recht die Kapazitäten der IR-Abteilungen gebunden. Sie ­haben sich jahrelang darauf vorbereitet, ­einen wirklich guten und inhaltsschweren Nachhaltigkeitsbericht nach eben dieser Richtlinie zu veröffentlichen. Ziemlich überraschend wird dann die CSRD nicht in deutsches Recht umgesetzt und für sicher gehaltene Vorgaben und Rahmenbedin­gungen gelten plötzlich nicht mehr.

Oder wenn wir das Thema Diversität nehmen, wird niemand das Rad zurückdrehen wollen. Mit einem Mal erhalten die ­Vorstände Briefe von US-amerikanischen Investoren mit dem Hinweis, dass diese nicht investieren dürften, wenn „ihr Unternehmen weiterhin über eine Gleichstellungs-Policy verfügt“.

Wie geht die Konferenz damit um?

Wir werden genau diese Herausforderungen behandeln. Die IR-Szene ist klein, aber fein, jeder kennt sich, jeder hilft sich ­gegenseitig. In Roundtables, Alumni-­Treffen, Workshops, Vorträgen, Panel­diskussionen, Keynotes tauschen wir uns offen und intensiv aus. Dazu dienen auch die Pausen und zahlreichen weiteren ­Gelegenheiten zum Netzwerken.

Steht die DIRK-Konferenz also diesmal ganz im Zeichen der Problembehandlung?

So würde ich es nicht ausdrücken, das wird der IR-Community nicht gerecht. Selbst wenn wir viele ernste Themen auf der Agenda haben – der Spaß wird auf der DIRK-Konferenz auch in diesem Jahr nicht zu kurz kommen.

Sehr geehrter Herr Bommer, vielen Dank für diese interessanten Einblicke.

Das Interview führte Robert Steininger.

 


Zum Interviewpartner

Kay Bommer (Rechtsanwalt, MBA) ist – mit einer Unterbrechung von 2011 bis 2012 – seit 2001 Geschäftsführer des DIRK – Deutscher Investor Relations Verband. Zudem ist er im Aufsichtsrat innovativer Aktiengesellschaften vertreten und nimmt Lehraufträge für Kapitalmarktrecht und Unternehmenskommunikation an renommierten Universitäten wahr.

Autor/Autorin

Robert Steininger

Robert Steininger ist Fachautor für u.a. Anlagestrategien und publiziert regelmäßig zu Fachthemen wie Online- und Investment-Strategien, Glücksspielthemen, Krypto und Verhaltensanalyse.