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Die Kapitalmarktorientierung und Notierung am geregelten Markt verpflichten Unternehmen, vorgegebene Regeln einzuhalten. Wenn man so will, ist dies der Preis dafür, die Vorteile des Kapitalmarkts zu nutzen. Für die Sicherstellung der Compliance auf allen Ebenen ist ein Projektplan unabdingbar. Von Andreas Braunsdorf
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie sicherstellen können, dass Sie den Tanz in den Mai, der traditionell in der Nacht vor dem 1. Mai – der sogenannten Walpurgisnacht – stattfindet, in Ihrem Unternehmen als erfolgreichen Abschluss einer langen und angespannten Saison genießen? Ein jeder, der dieses Magazin liest, kennt diesen Termin: Es ist der 30. April eines jeden Jahres. Das HGB nennt diese Frist sozusagen im Vorbeigehen in den §§ 264d, 290 Abs. 1 und 325 Abs. 4 HGB.
Dieser Beitrag stammt aus dem kürzlich erschienenen GoingPublic 2/25.
Mit der Kapitalmarktorientierung ändert sich alles!
Wenn Sie mit den von Ihnen ausgegebenen Wertpapieren einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 11 WpHG in Anspruch nehmen, sind Sie kapitalmarktorientiert. Eine Notierung im sogenannten Freiverkehr reicht hierfür zum Glück nicht aus. Das HGB gibt Ihnen nun als Hausaufgabe auf, einen Einzel- oder Konzernabschluss in den ersten vier Monaten des neuen Geschäftsjahres für das alte Geschäftsjahr aufzustellen und zur Veröffentlichung einzureichen.
Solange Sie nicht kapitalmarktorientiert waren, hatten Sie ein wenig mehr Zeit für Ihre Abschlüsse. Selbst wenn Sie die Fristen zur Aufstellung überschritten hatten, waren die Konsequenzen überschaubar. Ihr Abschlussprüfer hat dies dann im Prüfungsbericht festgehalten; ein Dokument, das normalerweise bei Ihnen bleibt. Weiterhin war das Unternehmensregister meist gnädig und hat zu Beginn eines jeden Jahres eine allgemeine Kulanzfrist eingeräumt, in der eine verspätete Einreichung ungeahndet blieb. Waren Sie im Freiverkehr notiert, hatten Sie Sanktionen der jeweiligen Börse zu befürchten. Das war es dann auch.
Heißer Tanz in den Mai
Wenn Sie sich an die Fristen fern des Kapitalmarkts gewöhnt haben und darauf vertrauen, dass Sie die für Sie neuen, kürzeren Fristen schon schaffen werden, könnte Ihnen ein heißer Tanz in den Mai bevorstehen. Sie müssen nun für Ihren Konzernabschluss die in der EU anzuwendenden IFRS zugrunde legen. Die Erstellung des IFRS-Anhangs (die „Notes“) ist grundsätzlich aufwendig und bei der erstmaligen Aufstellung eines IFRS-Konzernabschlusses werden regelmäßig Flüche an die IFRS-Götter des IASB in London geschickt. So viel sei verraten: Sie werden ungehört verhallen. Wenn Sie nicht konzernabschlusspflichtig waren und sind, bleiben Sie auch weiterhin beim geliebten HGB.
Sie müssen Ihren Konzernabschluss verpflichtend in einem europäischen elektronischen Berichtsformat (dem sogenannten ESEF) einreichen. Sie müssen eine Vielzahl von zusätzlichen Regelungen beachten und die Compliance – z.B. das WpHG, die für Sie relevanten Börsenordnungen, die Erklärung zur Unternehmensführung, Aufstellung eines Vergütungsberichts etc. – sicherstellen. Unwissenheit schützt auch weiterhin nicht vor Strafe.
Ziel der Frist ist es, Transparenz für den Kapitalmarkt zu schaffen, den Sie in Anspruch nehmen. Der „Markt“ hat also durchaus das Recht, Ihnen strengere Regelungen aufzuerlegen, als sie für andere Unternehmen gelten.
Sie müssen z.B. fehlerhafte Bilanzierungen, Änderungen bestehender Abschlüsse, verstrichene Fristen oder die sich daraus ergebenden Folgewirkungen möglicherweise an das schwarze Brett der Kapitalmarktkommunikation hängen. Das Ob und das Wie sollten Sie immer mit einem Fachmann klären. All das führt zu zusätzlichem Aufwand bei Ihnen, obwohl Sie weniger Zeit haben. Die Konsequenz hieraus ist denkbar simpel: Sie müssen effizienter sein oder mehr Personal im Team haben und dann auch noch das zusätzlich erforderliche Fachwissen aufbauen.
Was müssen Sie nun befürchten, wenn Sie die Frist reißen?
Ziel der Frist ist es, Transparenz für den Kapitalmarkt zu schaffen, den Sie in Anspruch nehmen. Der „Markt“ hat also durchaus das Recht, Ihnen strengere Regelungen aufzuerlegen, als sie für andere Unternehmen gelten. Daraus erwächst auch eine strengere Sanktionierung Ihres Fehlverhaltens.
Oft schaffen Sie es nicht, die Frist aus ganz banalen Gründen einzuhalten. Das erforderliche Kapitalmarkt-Know-how fehlt im Unternehmen. Der einzige Mitarbeiter, der sich auskennt, ist krank. Die Finanzabteilung ist aufgrund von Personalabgängen ausgedünnt. Komplexe Bilanzierungsthemen wurden zu spät angefasst.
Das Unternehmensregister wird sich melden, dass Sie die Frist nicht eingehalten haben. Es wird ein Bußgeld geben, das Sie ärgern wird, Ihnen aber vermutlich nicht wehtun wird. Jetzt kommt aber die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (die BaFin) ins Spiel und meldet sich bei Ihnen. Die BaFin beaufsichtigt und kontrolliert als Finanzmarktaufsichtsbehörde alle Bereiche des Finanzwesens in Deutschland. Durch Ihre (freiwillige) Kapitalmarktorientierung haben Sie sich ihrer Aufsicht unterworfen. Es wird die Androhung eines Bußgelds geben. Schauen Sie einmal in den Bußgeldkatalog der BaFin – Sie werden verstehen, dass eine fristgerechte Veröffentlichung unbedingtes Ziel für Sie sein muss.
Was sind die regelmäßigen Garanten, um die Frist zu halten?
Die Kapitalmarktorientierung und Notierung am geregelten Markt zwingen Sie dazu, die vorgegebenen Regeln mehr und genauer einzuhalten. Der Preis Ihrer Teilnahme am Kapitalmarkt ist eine intensivere Sicherstellung der Compliance auf allen Ebenen. Es bleibt bei einem Verstoß nicht dabei, dass Ihr Abschlussprüfer dies im Prüfungsbericht niederschreibt und die Feststellung im besten Fall im Regal oder auf dem Server verstaubt. Kapitalmarktorientierung bedeutet auch Transparenz Ihrer Fehler und Fristversäumnisse.
Sie brauchen Fachkräfte im Unternehmen und solide laufende Prozesse. Haben Sie gestern noch nach HGB bilanziert, steht Ihnen nun meist IFRS ins Haus. Ihre Mannschaft muss daher um einen Spieler erweitert werden, der dies beherrscht. HGB-Kenntnisse bekommt jeder Bilanzbuchhalter mit der Muttermilch beigebracht. IFRS-Kenntnisse sind sparsamer verteilt. Haben Sie Zeit und können sich auf die Herausforderungen des Kapitalmarkts vorbereiten, bietet sich eine interne Lösung durch Weiterbildung an. Ansonsten bleibt Ihnen nur die Suche nach Verstärkung am Arbeitsmarkt, auf Interimsbasis oder beraterseitig. Ohne IFRS- und Prozess-Know-how an Bord droht Ihr Abschlussprojekt sehenden Auges zu scheitern.
Durch die kurze Frist brauchen Sie einen Projektplan, der Sie fristgerecht ins Ziel trägt und Ihnen Luft lässt, unvorhergesehene Wendungen des Unternehmenslebens auszugleichen. Bedenken Sie auch, dass es in Deutschland gerade in den ersten Monaten des Jahres eine Vielzahl von Feiertagen gibt. Starten Sie daher frühzeitig mit den ersten Arbeiten, am besten noch in den letzten Monaten des Geschäftsjahres, und halten Sie die selbst gesetzten Termine ein. Einen IFRS-Konzernabschluss müssen Sie ebenso akribisch planen und umsetzen wie jedes Ihrer internen Projekte zur Produktentwicklung, Ablaufoptimierung oder Digitalisierung. Dieses Projekt wiederholt sich aber jährlich und sollte Ihnen daher genug Gelegenheit zur sukzessiven Effizienzsteigerung geben können.
Beauftragen Sie einen kapitalmarkterfahrenen Wirtschaftsprüfer, der die fachlichen Themen kennt und mit Ihnen gemeinsam die Abschlüsse über die Ziellinie bringt. Nutzen Sie die berufstypische Vorprüfung und klären Sie neue, kritische oder unübersichtliche Bilanzierungssachverhalte mit Ihrem Abschlussprüfer. Alle Sachverhalte, die Sie vor dem 31. Dezember ganz oder teilweise klären können, klären Sie am besten auch vor dem 31. Dezember.
In der Zeit der größten Herausforderung im Finanzbereich sollten Sie davon absehen, unnötige Unruhe in Ihre Finanzabteilung zu bringen. Eine Migration Ihres IT-Systems z.B. sollte terminlich gut überlegt sein und die enge Terminkette des kapitalmarktorientierten Abschlusses in ihren IT-Projekten unbedingt berücksichtigt werden.
Fazit
Wir sind jetzt im Juni 2025 und der 30. April 2025 ist durch. Aber ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, dass der 30. April wiederkommt. Er kommt sogar jährlich wieder und ist präzise planbar. Es ist jedes Jahr der letzte Tag im vierten Monat des Kalenderjahres. Beste Voraussetzungen also, um keinen heißen Tanz in den Mai erleben zu müssen und den Tag der Arbeit am 1. Mai mit einem demonstrativen freien Tag feiern zu können.
Autor/Autorin
Andreas Braunsdorf
Andreas Braunsdorf ist seit 2005 im Bereich Wirtschaftsprüfung und seit 2010 als Wirtschaftsprüfer tätig. Er hat umfassende Erfahrungen in der Abschlussprüfung und Erstellung, der betriebswirtschaftlichen Beratung, der Steuerberatung und der Betreuung von Unternehmen in der Krise gesammelt. Er war bis vor Kurzem als Leiter Rechnungswesen in der Merckle-Gruppe tätig und ist aktuell Director bei MSW GmbH WPG StBG in Berlin. Daneben nimmt er einen Lehrauftrag an der HWR Berlin im Studiengang „BWL/Steuern und Prüfungswesen“ wahr.