Bildnachweis: © mms solutions.

Die Studie wurde von Studenten des Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig unterstützt.

Dieser Beitrag stammt aus dem kürzlich erschienenen GoingPublic 2/25.

Eine neue Studie zeigt Phasen, Herausforderungen und Chancen der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Familien- und Großunternehmen. Von Prof. Dr. Christian P. Hoffmann, Dr. Sandra Binder-Tietz, Dr. Matthias Bextermöller und Dr. Joëlle Loos-Neidhart

Die Studie des Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig in Kooperation mit mms solutions und der Berichtsmanufaktur beleuchtet, wie deutsche Groß- und Familienunternehmen die Anforderungen der Corporate Sustainability Reporting ­Directive (CSRD) umsetzen. Vier typische Phasen und zentrale Stolpersteine wurden identifiziert. Praxiserprobte Handlungsempfehlungen helfen, Nachhaltigkeits­berichterstattung erfolgreich zu verankern.

Zwischen regulatorischem Druck und strategischer Chance

Die CSRD bringt tiefgreifende Veränderungen für die Praxis der Nachhaltigkeits­berichterstattung mit sich – gerade auch jenseits der DAX-Konzerne. Viele mittelgroße und Großunternehmen, insbesondere familiengeführte Gesellschaften, stehen vor der Herausforderung, ein standardisiertes, mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) konformes Nachhaltigkeitsreporting aufzubauen.

Die hier vorgestellte Studie identifiziert nun anhand von Experteninterviews mit ESG-Verantwortlichen in deutschen Groß- und Familienunternehmen ein typisches Phasenmodell der Implementierung. In der ersten Phase dominieren Sensibilisierung und Wissensaufbau. Unternehmen organisieren erste interne Workshops, klären Ver­ant­wort­lich­keiten und bauen ein Grundverständnis für die Komplexität der CSRD-Anforderungen auf.

Dieser Beitrag stammt aus dem kürzlich erschienenen GoingPublic 2/25.

In der zweiten Phase entstehen erste Strukturen. Projektteams werden gebildet, interne Rollen – wie ESG-Koordinatoren – werden definiert und die notwendigen Schnittstellen zwischen Nachhaltigkeit, ­Finanzen und Investor Relations etabliert. Besonders in Familienunternehmen stellt sich dabei die Frage, wie sich bestehende Strukturen ohne unverhältnismäßigen ­bürokratischen Mehraufwand erweitern lassen.

Die dritte Phase ist durch das Prozessdesign geprägt. Erste Daten werden ­pilotiert erhoben, Validierungen vorgenommen und Workflows iterativ getestet. Unternehmen berichten dabei von einem hohen Koordinationsaufwand – besonders dann, wenn ESG-Daten noch dezentral und überwiegend manuell gepflegt werden.

In der vierten und letzten Phase schließlich gelingt bei fortgeschrittenen Akteuren die Integration von Nachhaltigkeit in bestehende Steuerungs- und Berichtssysteme. ESG-Kennzahlen fließen in die Unternehmensstrategie ein und werden gezielt in die Kapitalmarktkommunikation einge­bettet – etwa in Roadshows, Analysten­gesprächen oder dem Fact Book.

Datenmanagement wird zur ESG-Baustelle

Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung: Die manuelle Datenerhebung über Excel-Listen ist vielerorts noch Realität – mit entsprechend hoher Fehleranfälligkeit und Ressourcenbindung. Der Aufbau automatisierter, digitaler ESG-Datenplattformen ist daher für viele Unternehmen ein zentraler Hebel zur Effizienzsteigerung. Unternehmen, die frühzeitig auf cloud­basierte Systeme mit Schnittstellen zu ­bestehenden ERP- und Finanzsys­temen setzen, berichten von signifikanten Fortschritten in der Datenqualität, Datenverfügbarkeit und Nachvollziehbarkeit.

Die manuelle Daten­erhebung über Excel-­Listen ist vielerorts noch Realität – mit entsprechend hoher Fehler­anfälligkeit und Ressourcenbindung.

Auch die Etablierung einheitlicher Templates zur Datenerhebung, klarer Verantwortlichkeiten innerhalb der Fachabteilungen sowie standardisierter Validierungsprozesse trägt dazu bei, die nötige ­Datenkonsistenz zu erreichen. Die digitale Steuerung von Freigabeprozessen und die automatisierte Überführung in ESRS-­konforme Berichtsformate entlasten zudem die Erstellung des Reportings. In der Folge entstehen neue Möglichkeiten, ESG-Leistungen auch visuell und interaktiv aufzubereiten – etwa über dynamische ­Dashboards oder digitale Reporting Suites.

Was börsennotierte Unternehmen aus der Studie lernen können

Die CSRD erhöht den Erwartungsdruck auf kapitalmarktorientierte Unternehmen, sowohl hinsichtlich der Qualität des Reportings als auch der Kommunikationsstrategie. Für börsennotierte Gesellschaften ergibt sich ­daraus eine Reihe konkreter Implikationen: Es gilt, Governance-Strukturen zur ESG-Verantwortung klar in der Führung zu verankern und Nachhaltigkeitsziele systematisch in die Steuerung, Incentivierung und Equity Story zu integrieren. Digitale Datenprozesse bieten dabei die Grundlage für Effizienzgewinne und Innova­tionsimpulse. Gleichzeitig verlangt die neue Transparenz nach einer aktiven Feedbackkultur: Unternehmen, die ­regelmäßig Rückmeldungen von Investoren und Analysten einholen und ihre Berichte iterativ verbessern, erhöhen nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern auch ihre Attraktivität am Kapitalmarkt.

Kapitalmarktkommunikation als Scharnier

Mit zunehmender Relevanz von Nach­haltigkeitsaspekten aufseiten der Investoren wandelt sich auch die externe Kommunikation. Unternehmen stehen vor der Aufgabe, Inhalte aus dem Nachhaltigkeitsmanagement und der klassischen Investor Relations zu verzahnen. Viele beginnen daher, Roadshows, Capital Market Days oder IR-Factsheets gezielt mit ESG-Inhalten anzureichern (Abb. 1).

Quelle: mms solutions

Dabei wird deutlich: Eine glaubwürdige ESG-Kommunikation gelingt nur, wenn Governance-Strukturen, Prozesse und Leistungsdaten stimmig ineinandergreifen. Besonders börsennotierte Unternehmen erkennen zunehmend den strategischen Wert einer Equity Story, die ESG integriert. Visuelle Aufbereitungen wie Infografiken, multimediale Formate wie Podcasts oder Videostatements und interaktive ESG-­Portale helfen, eine breitere Investoren­basis zu adressieren und Transparenz zu schaffen.

Fazit

Die CSRD fordert Unternehmen heraus – aber sie bietet zugleich die Chance, Nachhaltigkeit strukturell in Strategie, Steuerung und Kommunikation zu verankern. Die Studie zeigt: Wer die vier Phasen von der Sensibilisierung über erste Strukturen und Pilotierung bis zur strategischen Integration durchläuft, schafft nicht nur regulatorische Sicherheit. Vielmehr entstehen Wettbewerbsvorteile – durch professionelles ESG-Datenmanagement, konsistente Kommunikation und eine stärkere Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Kapitalmarktorientierung.

Trotz anhaltender politischer und regulatorischer Unsicherheiten, insbesondere in Bezug auf das Omnibus-Verfahren, zeigt die Studie, dass Unternehmen bereits jetzt aktiv werden sollten: Denn die grundlegenden Anforderungen der CSRD sind gesetzt, und der Aufbau belastbarer Strukturen, Prozesse und Datensysteme benötigt Zeit. Frühzeitig begonnene Initiativen schaffen nicht nur Sicherheit angesichts kommender Berichtspflichten, sondern ermög­lichen es Unternehmen auch, Nachhaltigkeit als strategisches Differenzierungsmerkmal gegenüber seinen Stakeholdern zu nutzen. Wer die Implementierung jetzt proaktiv angeht, sichert sich nicht nur Compliance-Vorteile, sondern auch Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei Investoren und weiteren Stakeholdern.


Zu den Autoren

Prof. Dr. Christian P. Hoffmann ist Professor für Kommuni­kationsmanagement an der Universität Leipzig sowie akademischer Leiter des Center for Research in Financial Communi­cation.

 

 

Dr. Sandra Binder-Tietz ist Geschäftsleiterin des Center for Research in Financial Communication der Universität Leipzig.

 

 

Dr. Matthias Bextermöller ist Geschäftsführer der Berichts­manufaktur, Hamburg.

 

 

Dr. Joëlle Loos-Neidhart ist Delegierte des Verwaltungsrats der Neidhart + Schön Group, Muttergesellschaft der mms solutions, Zürich.

Autor/Autorin

Die Redaktion der Kapitalmarkt Plattform GoingPublic (Magazin, www.goingpublic.de, LinkedIn Kanal, Events) widmet sich seit Dezember 1997 den aktuellen Trends rund um die Finanzierung über die Börse. Ob Börsengang (GoingPublic) oder die vielfältigen Herausforderungen für börsennotierte Unternehmen (Being Public), präsentiert sich GoingPublic cross-medial als Kapitalmarktplattform für Emittenten und Investment Professionals.