Mit einem Fondsvolumen von 300 Millionen Euro investiert der ECBF gezielt in wachstumsstarke Unternehmen der zirkulären Bioökonomie. Im Gespräch erklärt Dr. Michael Brandkamp, Managing Partner des European Circular Bioeconomy Fund (ECBF), warum Impact und Resilienz zentrale Kriterien seiner Investmentstrategie sind, wie Portfoliofirmen wie Paptic und AmphiStar echte Kreislauf-Innovationen vorantreiben – und weshalb gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, in nachhaltige Technologien zu investieren.

 

Herr Dr. Brandkamp, der ECBF positioniert sich als führender europäischer Wachstumsfonds im Bereich der zirkulären Bioökonomie. Was bedeutet das konkret und welche Rolle spielt dabei der Standort Deutschland?

Dr. Michael Brandkamp: Der ECBF ist der erste europäische Venture-Capital-Fonds, der sich ausschließlich auf wachstumsstarke Unternehmen der (zirkulären) Bioökonomie konzentriert. Konkret heißt das: Wir investieren gezielt in innovative Unternehmen, die mit biobasierten Technologien, Materialien und Geschäftsmodellen die Transformation von einer fossilen, linearen Wirtschaft hin zu einer nachhaltigen, kreislauforientierten Bioökonomie vorantreiben. Mit einem Fondsvolumen von 300 Millionen EUR und einem Marktanteil von rund 15 Prozent im europäischen Bioökonomie-Venture-Capital-Markt schließen wir eine entscheidende Finanzierungslücke für Scale-ups, die oft zu komplex für klassische Investoren sind. Deutschland spielt als einer der führenden Innovationsstandorte Europas eine zentrale Rolle. Hier gibt es eine starke Forschungslandschaft, zahlreiche industrielle Anwender und ein wachsendes Ökosystem für nachhaltige Technologien. Viele unserer Portfoliounternehmen haben enge Verbindungen zu deutschen Partnern oder Standorten, und auch deutsche Investoren wie NRW.BANK, Rentenbank, Volkswohl Bund, BÜFA, Koehler Group und einige weitere sind im Fonds engagiert. Gleichzeitig profitieren wir vom Zugang zu europäischen Netzwerken und Märkten.

Könnten Sie ein oder zwei dieser Portfoliofirmen vorstellen und erläutern, wie sie zur Vision des ECBF beitragen?

Ein großartiges Beispiel ist das finnische Unternehmen Paptic. Paptic entwickelt innovative, faserbasierte Verpackungsmaterialien, die Plastik in flexiblen Verpackungen ersetzen können. Die Materialien sind recyclingfähig, wasserabweisend und bieten eine nachhaltige Alternative für Anwendungen wie Einkaufstaschen oder Gemüseverpackungen. Paptic ist bereits in über 50 Ländern aktiv und trägt dazu bei, die EU-Recycling- und Klimaziele zu erreichen, indem fossile Rohstoffe durch erneuerbare ersetzt werden. AmphiStar aus Belgien ist ein weiteres gutes Beispiel. Das Unternehmen nutzt Lebensmittelabfälle zur mikrobiellen Herstellung von Glykolipiden, die als nachhaltige Tenside in der Chemie- und Kosmetikindustrie eingesetzt werden können. Im Vergleich zu konventionellen, palmöl- oder erdölbasierten Tensiden ermöglichen diese Produkte eine CO₂-Reduktion von bis zu 60 Prozent und schließen Stoffkreisläufe. Beide Unternehmen stehen exemplarisch für unsere Vision: Sie verbinden ökologische Wirkung mit wirtschaftlicher Skalierbarkeit und zeigen, wie bioökonomische Innovationen neue Märkte erschließen und bestehende Wertschöpfungsketten transformieren können.

Es gibt Hinweise auf die Planung eines neuen Fonds durch den ECBF. Welche Ziele verfolgen Sie mit diesem neuen Fonds, und wie unterscheidet er sich vom bestehenden?

Wir planen aktuell die Auflage eines zweiten Fonds, um die erfolgreiche Arbeit des ECBF fortzusetzen und auszubauen. Ziel ist es, noch gezielter in europäische Scale-ups zu investieren, die einen messbaren Beitrag zu Klimaschutz, Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft leisten. Während der erste Fonds vor allem auf die Schließung der Finanzierungslücke für Wachstumsunternehmen abzielte, wollen wir mit dem neuen Fonds noch stärker auf Impact und Resilienz setzen – also Unternehmen fördern, die nicht nur nachhaltige Innovationen liefern, sondern auch die Widerstandsfähigkeit europäischer Wertschöpfungsketten erhöhen. Ein weiterer Unterschied wird die stärkere Integration neuer Sektoren und Geschäftsmodelle sein, etwa in den Bereichen Agrar- und Ernährungstechnologie oder innovative Materialien. Zudem werden wir unsere ESG- und Impact-Kriterien weiterentwickeln und noch konsequenter an den EU-Klimazielen und den UN-Nachhaltigkeitszielen ausrichten.

Wie integriert der ECBF-Nachhaltigkeitskriterien in seine Investitionsentscheidungen, und welche Auswirkungen hat dies auf die Auswahl der Portfoliofirmen?

Nachhaltigkeit ist bei uns keine Option, sondern Voraussetzung: Als Artikel-9-Fonds gemäß der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) investieren wir ausschließlich in Unternehmen, deren Geschäftsmodell einen Beitrag zu Klima- und Umweltschutzzielen leistet. Neben einer umfassenden ESG-Due-Diligence prüfen wir, ob das Unternehmen zur Reduktion von Treibhausgasen, zur Förderung von Biodiversität, zur Ressourcenschonung und zur Kreislaufwirtschaft beiträgt. Wir begleiten unsere Portfoliounternehmen aktiv bei der Weiterentwicklung ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und messen die Wirkung anhand klar definierter KPIs, etwa CO₂-Einsparungen oder den Anteil recycelter Materialien. Diese konsequente Ausrichtung führt dazu, dass wir gezielt Unternehmen auswählen, die nicht nur wirtschaftlich attraktiv sind, sondern auch einen echten Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen leisten.

In Zeiten globaler Herausforderungen gewinnen Themen wie Resilienz und Sicherheit an Bedeutung. Welche Rolle spielen sie für den ECBF?

Resilienz und Sicherheit sind zentrale Leitmotive unserer Investmentstrategie. Die aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten zeigen, wie wichtig stabile, diversifizierte und nachhaltige Wertschöpfungsketten sind. Die Bioökonomie bietet hier entscheidende Vorteile: Sie ermöglicht die Nutzung lokaler, erneuerbarer Rohstoffe und reduziert die Abhängigkeit von fossilen Importen oder volatilen globalen Märkten. Unsere Portfoliounternehmen tragen dazu bei, die europäische Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen – sei es durch innovative Agrartechnologien, die Erträge trotz Klimastress sichern, oder durch neue Materialien, die Lieferketten diversifizieren. Der ECBF versteht sich als Katalysator für diese Transformation und investiert gezielt in Lösungen, die ökologische, ökonomische und soziale Resilienz stärken.

Abschließend: Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, in die Bioökonomie zu investieren?

Trotz der aktuellen Herausforderungen ist die Dringlichkeit größer denn je: Die Risiken von Biodiversitätsverlust, Klimawandel und Ressourcenknappheit nehmen zu und werden langfristig auch die Märkte und politischen Prioritäten wieder stärker prägen. Wer jetzt in innovative Bioökonomie-Scale-ups investiert, legt den Grundstein für nachhaltiges Wachstum, neue Arbeitsplätze und eine zukunftsfähige europäische Wirtschaft.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Urs Moesenfechtel.

Zum Interviewpartner:

Dr. Michael Brandkamp ist einer der führenden Köpfe hinter dem European Circular Bioeconomy Fund (ECBF), dem ersten europäischen Venture-Capital-Fonds, der sich ausschließlich auf die Bioökonomie und Kreislaufwirtschaft konzentriert. Als Gründungspartner und Geschäftsführer des ECBF treibt Dr. Brandkamp seit 2019 gezielt die Finanzierung innovativer Wachstumsunternehmen in den Bereichen nachhaltige Chemie, Kreislaufwirtschaft, Bioökonomie und Ernährung voran. Mit einem Fondsvolumen von 300 Millionen EUR adressiert der ECBF die entscheidende Finanzierungslücke für wachstumsstarke Unternehmen, die mit ihren Lösungen einen nachhaltigen Wandel in Europa vorantreiben. Unter der Leitung von Dr. Brandkamp hat der ECBF bereits in zahlreiche innovative Unternehmen investiert, die mit ihren Technologien maßgeblich zur Erreichung der europäischen Klimaziele und zum Übergang zu einer biobasierten Wirtschaft beitragen. Dr. Brandkamps langjährige Erfahrung im Venture-Capital-Bereich – unter anderem als Mitgründer des High-Tech Gründerfonds – bildet die Grundlage für seinen Erfolg beim Aufbau des ECBF. Sein Engagement für nachhaltige Innovationen und seine Vision, die Zukunft des Planeten aktiv mitzugestalten, spiegeln sich in der strategischen Ausrichtung und Wirkung des ECBF wider.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.