Österreich gehört zu den kleineren Euroländern und ist gleichzeitig eines der gesündesten. In der internationalen Wahrnehmung spielt das Land – bei Politik und Wirtschaft – nicht immer eine große Rolle, was Vor- und Nachteile hat. So geht es den österreichischen Unternehmen ausgesprochen gut, was sich u.a. an einer niedrigen Arbeitslosigkeit ablesen lässt. Das gilt auch für die Emittenten an der Wiener Börse, die sich in den meisten Fällen (zu Recht) unterbewertet fühlen und unter geringen Handelsvolumina leiden. Als Tor zu Osteuropa profitieren Österreich und seine Unternehmen von wieder aufstrebenden Volkswirtschaften und Kapitalmärkten seiner östlichen Nachbarn. Gleichzeitig bleibt die Wachstumsschwäche vieler EU-Länder nicht ohne Folgen für Österreich. 

Quelle: PantherMedia/ Alex Varlakov

Österreich und die Schuldenkrise

Die Eurokrise tangiert Österreich nur am Rande – so erscheint es jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung. In die Schlagzeilen kam das Land eigentlich nur, als Standard & Poor’s das Top-Rating entzog. Österreich wird nun mit der zweitbesten Note AA+ bewertet. Zu einem Anstieg der Zinsen hat dies jedoch nicht geführt. Bei den anderen beiden großen Ratingagenturen Moody’s und Fitch verfügt Österreich zudem weiterhin über die Bestnote. Dagegen wurden die größten österreichischen Banken Erste Group, Raiffeisen und Bank Austria von Moody’s herabgestuft. Ausschlaggebend für die Abwertung seien eine zu geringe Eigenkapitalausstattung und ein zu starkes Kreditengagement in Osteuropa, was als Unsicherheitsfaktor eingestuft wird. Welche konkreten Herausforderungen die Schuldenkrise für Österreichs Banken bedeutet, fasst die Österreichische Nationalbank OeNB zusammen (siehe Abb. 1).

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Quelle: OeNB

Gebremstes Wachstum

Die Wirtschaftsleistung in Österreich wird durch die Eurokrise etwas gebremst. So prognostiziert das Wiener WIFO-Institut für 2012 ein BIP-Wachstum von 0,6%. 2013 soll es aber mit 1,3% schon wieder deutlicher aufwärts gehen. Andere nationale und internationale Institute prognostizieren ähnliche Zahlen. So ist die UniCredit-Tochter Bank Austria in ihrer aktuellen Prognose nur unwesentlich optimistischer. Das Kreditinstitut liegt in seinen Einschätzungen für beide Jahre um 0,2 Prozentpunkte höher als das Forschungsinstitut. Dabei setzt die Bank Austria allerdings voraus, dass „im Euroraum weiter konstruktiv an den eingeleiteten Lösungen zur Überwindung der Eurokrise gearbeitet wird“, heißt es im aktuellen Marktbericht. Die Unsicherheiten über den notwendigen Umbau des Euroraums seien aus Sicht der Bank die größten Risiken für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Österreich.

Quelle: Eurostat

Gesunde Unternehmen

Die Unternehmen sind für eine mögliche Wachstumsdelle gut gerüstet. „Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht“, sind sich Wirtschaftsexperten einig. Das verarbeitende Gewerbe in Österreich weist hinter Japan die zweithöchste Produktivität aller Industriestaaten auf. Nach den Zahlen der OeNB sind die Investitionen in den zwölf Monaten bis März 2012 um 11% zum Vorjahreswert gestiegen. Die Ersparnisbildung legte im selben Zeitraum um 6,5% zu. Grund dafür sind erhöhte Betriebsüberschüsse der Unternehmen. So können sie einen Großteil ihrer Investitionen aus Eigenmitteln tätigen.

*) Bruttoanlageinvestitionen; **) ohne Karenzgeldbezieher, Präsenzdiener und Schulungen Quelle: Bank Austria Economics & Market Analysis Austria

Beliebte Corporate Bonds

Die Option, Fremdkapital über den Kapitalmarkt aufzunehmen, nutzten dennoch im ersten Halbjahr 2012 zahlreiche Unternehmen. Aus gutem Grund, denn die Finanzierungsbedingungen waren selten so günstig wie derzeit. Rund 4,5 Mrd. EUR betrug laut OeNB das Volumen neu begebener Anleihen österreichischer Unternehmen in den ersten sechs Monaten 2012. Der durchschnittliche Zinssatz lag bei 3,69%; berücksichtigt man dabei nur private Unternehmen ohne staatlichen Einfluss, betrug der Durchschnittssatz 4,16% und bewegte sich damit deutlich unter dem Vorjahreswert von 5,39%.Auf den ersten Blick sind die Finanzierungskosten bei Anleihen freilich nach wie vor höher als bei Bankkrediten – hier liegen die Zinsen aktuell durchschnittlich bei knapp 3%. Doch verlangen die Banken häufig umfangreiche Sicherheiten und benötigen eine lange Vorlaufzeit. Das schränkt die Flexibilität von Krediten im Vergleich zu Anleihen stark ein.

Quelle: WIFO, OECD, Erste Group

Osteuropäische Staatsanleihen

Bei Staatsanleihen profitiert der österreichische Kapitalmarkt von seiner traditionellen Nähe zu Zentral- und Osteuropa. Österreichs größte Bank, die Erste Group, fungiert so als Mittler zwischen Osteuropa und Deutschland: „Wir haben zwei Offices in Deutschland aufgemacht: in Berlin und Stuttgart“, erläutert Franz Hochstrasser, stellvertretender Vorstandsvorsitzender bei der Erste Group Bank AG, gegenüber dem GoingPublic Magazin (siehe auch Interview auf S. 26). „Wenn wir dort vor zwei Jahren Finanzprodukte aus Zentral- und Osteuropa angeboten haben, konnten wir keine Investoren finden, weil ihnen das Leistungsbilanzdefizit dieser Länder zu groß war.“ Das hat sich inzwischen dramatisch verändert, so Hochstrasser. „Im Vergleich zu den EU-Ländern ist das Verhältnis komplett umgedreht. Kürzlich konnten wir polnische Staatsanleihen innerhalb von wenigen Stunden platzieren, die Emission war mit 4 Mrd. EUR mehr als zweifach überzeichnet. Das funktioniert auch mit anderen osteuropäischen Ländern wie Tschechien, der Slowakei oder Rumänien sehr gut.“Ganz unberührt von der Eurokrise sind diese Länder jedoch auch nicht, was sich nicht zuletzt an der Entwicklung der jeweiligen Aktienmärkte im Juli 2012 zeigte. Während die Kurse in Ungarn im Durchschnitt nur leicht zurückgingen, verloren Tschechien und Polen 3 bzw. 4% an Wert. In den Monaten zuvor hatten alle drei Märkte eine Berg- und Talfahrt erlebt (siehe auch Abb. 6).