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Theoretisch ist uns allen klar, dass Alleinstellungsmerkmale oder „USPs“ für den Geschäftserfolg unverzichtbar sind. In der Anwaltspraxis geben sich aber noch immer zu viele Anwält(inn)e(n) verwechselbar. Von Dr. Anette Schunder-Hartung

Es war einmal eine Zeit, in der haben standesrechtliche Restriktionen zusammen mit einer überschaubaren Zahl an (menschlichen) Wettbewerbern dafür gesorgt, dass man solide anwaltliche Arbeit weitgehend für sich sprechen lassen konnte. Dass das heute noch so wäre, gehört freilich ins Reich der Gute-Nacht-Geschichten.

Anwälte in der Sandwichposition

Im Konzert der Marktteilnehmer befinden sich Wirtschaftsanwälte trotz solider Wirtschaftsdaten im Jahre 2020 in einer Sandwichposition. Besserung ist nicht in Sicht, weil die Ursachen nicht konjunkturell, sondern strukturell verfestigt sind: Da sind zum einen Auftraggeber auf Unternehmensseite, die mittlerweile routinemäßig „more for less“ von ihnen fordern, und das in immer kürzerer Zeit. Guter und einsatzwilliger Nachwuchs zur eigenen Entlastung ist andererseits ein knappes Gut und weiß das auch. Anstelle eines materiellen Ausgleichs sind viele junge Talente vor allem an begrenzbaren Arbeitszeiten interessiert.

Gleichzeitig treten von der Seite Konkurrenten ohne Anwaltszulassung auf den Plan, die manche gewohnte Dienstleistung mittlerweile auch in Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten erbringen können. Das ist weniger ärgerlich, wenn es sich um die Kfz-Werkstatt Ihres Vertrauens handelt. Sobald aber Kreditinstitute im Zuge von Robo Advising & Co. in größerem Umfang Transaktionsberater freisetzen, wird das Eis in lukrativeren Bereichen dünn. Denn auch im Gesellschaftsrecht ist bei Weitem nicht jeder zunehmend segmentiert beauftragte Betreuungsschritt eine Rechtsdienstleistung – von den aktuellen RDG-Einschränkungen einmal ganz abgesehen.

Mit „Robo“ schließlich ist die populärste aller Herausforderungen angesprochen: Als wäre das alles noch nicht genug, rollt der digitale Umbruch wie eine Welle – auch – über uns hinweg. Juristische Plattformen verheißen Miet-, Arbeits- und Reiserechtschecks, und dass sie keine komplizierteren Sachverhalte angehen, wird nicht ewig so bleiben. Werden die Datenmengen größer, werden die sie verarbeitenden Regelsätze oder Algorithmen schlauer und selbstlernend, kippt der menschliche Wissensvorsprung irgendwann weg. Denn: Auch menschliche juristische Arbeit ist letztlich nichts Anderes und Besseres als ein Abarbeiten von Informationen entlang immer feiner verästelter Entscheidungsbäume nach bestimmten Regeln. Jedes andere Denken ist Hybris.

Wenn Sie nun in die Kundenperspektive wechseln, müssen Sie deshalb neue Antworten auf die Fragen bereithalten, warum Ihre Mandanten das, was sie brauchen, ausgerechnet bei Ihnen einkaufen sollten. Wenn Sie nicht insgesamt der oder die Schnellste und/oder Billigste sind: Was dann?

Das Passformmotiv

In der Theorie ist die Antwort auf diese Frage eigentlich gar nicht so schwer – stellen Sie sie sich doch umgekehrt einmal selbst: Wir alle arbeiten am liebsten mit demjenigen Geschäftspartner zusammen, von dem wir den Eindruck haben, dass sein Angebot besser als alle anderen zu unseren Vorstellungen passt. Zurück in Ihrer Perspektive: Sie müssen dem Mandanten den Eindruck vermitteln können, dass Ihre und seine Wertvorstellungen, Ziele und Arbeitsweisen einander möglichst gut entsprechen. Im Gesamteindruck müssen Sie für ihn nach allem „die Besten“ sein.

In der Praxis ist hier freilich Verblüffendes zu beobachten: Seit meiner Zeit als Chefredakteurin des seinerzeitigen Nomos-Handbuchs Kanzleien in Deutschland haben mir Hunderte von Sozietäten nicht sagen können, wer sie wirklich sind. Da wird bei der Frage nach der Grundausrichtung (eher pragmatisch oder eher idealistisch; eher gegenwarts- oder zukunftsorientiert?) ebenso auf verwechselbare Marketingslogans verwiesen, wie zwischen divergierenden Wertevorstellungen nicht unterschieden wird. Dabei ist es ein deutlicher Unterschied, ob Sie als Partnerschaft, als Praxisgruppe usw. im Zweifelsfall eher Wert auf „Freiheit“ oder „Kollegialität“ legen, auf „Sinn“ oder „Einfluss“. Je nachdem, was im Konfliktfall Vorrang hat, entwickeln sich in Ihrem Hause ganz unterschiedliche Charaktere.

Entsprechend Ihren kanzleieigenen Glaubenssätzen und Selbstzuschreibungen müssen Sie im nächsten Schritt dann auch ganz eigene Strategien entwickeln, wenn Sie nicht in die berühmte Peter-Drucker-Falle laufen wollen: „Culture eats Strategy for Breakfast!“ Alles Weitere wie Benehmen, Umgangsformen und äußerer Auftritt leiten sich genau davon ab. Geschieht das nicht systematisch, passiert es im Wildwuchs entsprechend dem ersten Axiom des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“ Auf gut Deutsch: Sie senden als Sozietät immer eine Außenbotschaft – ob Sie wollen oder nicht. Und weil das so ist, sollten Sie sie im Griff haben und entsprechend konfigurieren.

Was nun Ihre (potenziellen) Mandanten und sonstigen Stakeholder betrifft, so suchen Sie im Anschluss nach einem entsprechenden Anker: Inwieweit ähneln sich Ihre Werte und Ziele denen des Targets? Inwieweit können gerade Sie mit Ihrer jetzt geschärften Identität denen etwas bieten, was sie sonst nirgends bekommen? Dass Sie rasch, effizient und preislich solide sind, ist klar – aber hier machen Sie nun den entscheidenden Punkt! Und bringen ihn mit geeigneten Mitteln auf die andere Seite.

Fazit

Auch wenn Pi als magische Zahl gilt: Die Herstellung einer überzeugenden Passform im Verhältnis zu Ihren Stakeholdern ist keine Zauberei. Entscheidend ist aber nicht nur, dass Sie die Bedürfnisse und Wünsche Ihres Gegenübers kennen. Sie müssen auch wissen, inwiefern und an welchen Punkten diese Ihren eigenen besonderen Stärken als Sozietät entsprechen. Je präziser Sie hier andocken können, umso besser können Sie Ihre kanzleieigenen Leistungen im konkreten Fall verkaufen.

Dieser Artikel ist ein Vorabdruck des Fachbeitrags, der am 28. März im Jahres-Special Corporate Finance Recht 2020 erscheint.

Autor/Autorin

Dr. Anette Schunder-Hartung

Rechtsanwältin Dr. Anette Schunder-Hartung ist seit über 30 Jahren Juristin und war in dieser Zeit u.a. viele Jahre lang als leitende Redakteurin und Lehrbeauftragte tätig. Seit 2015 berät sie als Inhaberin von aHa Strategische Geschäftsentwicklung mit ihrem Team Anwaltsunternehmen entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette. Darüber hinaus ist sie eine viel gefragte Schulungsleiterin und Moderatorin.