Bei der geplanten Restrukturierung des wirtschaftlich angeschlagenen Q-Cells-Konzerns wollten Management und Sanierungsexperten einen ähnlichen Weg bestreiten wie bei Pfleiderer. Auch hier sah das ausgearbeitete Rettungskonzept im Wesentlichen die zügige Umstrukturierung ausstehender Unternehmensanleihen im kumulierten Initialvolumen von über 871 Mio. EUR und entsprechenden Endfälligkeiten in den Jahren 2012, 2014 und 2015 nach dem neuen Schuldverschreibungsgesetz (SchVG) vor. Die jeweiligen Gläubiger sollten hierfür ihre Anleihen im Rahmen eines Schulden- und Kapitalschnitts in das Unternehmen einbringen und im Gegenzug Aktien der Gesellschaft erhalten. Der geplante Debt-to-Equity-Swap schien äußerst riskant, denn der Umtausch der Anleihen sollte auf Grundlage des im Jahr 2009 novellierten SchVG erfolgen – ein vom Gesetzgeber vollständig überarbeiteter Rechtsrahmen, der die Anwendung auf von vor dem Inkrafttreten emittierte Schuldverschreibungen nach Auffassung der hiesigen Rechtsprechung bestenfalls in engen Grenzen zulässt. Nach der wegweisenden letztinstanzlichen Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. im Fall von Pfleiderer blieb Q-Cells mangels Sanierungsalternativen anscheinend keine andere Wahl mehr, als Gläubigerschutz zu beantragen: Offenbar rechnete die Solarschmiede ebenfalls mit opponierenden Gläubigern, deren nunmehr Erfolg versprechende Klagen gegen das Rettungskonzept vor demselben Gericht zu verhandeln gewesen wären.

Vorwürfe der Anleiheinhaber

Nach dem gestellten Insolvenzantrag hagelte es vor allem Kritik aus dem Lager verprellter Anleihegläubiger. Danach hätte der Rettungsplan für Q-Cells vor dem Hintergrund der Causa Pfleiderer von Anfang an auf wackeligen Füßen gestanden. Den beteiligten Restrukturierungsexperten – die Q-Cells eigentlich vor dem Abdriften in die Insolvenz bewahren sollten – warf man offensichtliches Versagen vor. „Man hat sich viel zu lange und ohne juristischen Weitblick auf eine positive richterliche Entscheidung im Fall von Pfleiderer verlassen, ohne parallel dazu alternative Sanierungskonzepte für ein frühzeitig absehbares Scheitern vor Gericht auch nur ernsthaft in Erwägung zu ziehen“, kommentierte ein am Prozess beteiligter Beobachter. Überdies sei im Laufe der Restrukturierungsgespräche immer wieder der Eindruck entstanden, das Management verhalte sich zu passiv, drücke sich vor fortführungsrelevanten Entscheidungen oder fälle diese allenfalls nach zum Teil mehrfachen Konsultationen mit dem externen Beraterstab.

Weiterhin wurde kritisiert, dass der Liquiditätsbestand von seinerzeit rund 300 Mio. EUR zum Jahresende 2011 vorerst weitgehend unangetastet im Konzern verbleiben sollte. „Mit den teilweise abrufbaren Barreserven hätte zumindest der ausstehende Teil des im Februar fälligen Wandlers abgelöst werden können.“ Stattdessen stellte Q-Cells weitere Auszahlungen an die Anleihegläubiger frühestens in Aussicht, sobald der konzerneigene Liquiditätsstatus ein bestimmtes Mindestmaß überstiegen hätte. Unverständlich blieben schließlich auch die Pläne der Konzernführung, von Beginn an auf die gleichzeitige Restrukturierung aller drei Wandelanleihen zu setzen – anstatt sich ausschließlich auf die nächstfällige Anleihe zu konzentrieren. „Bei dieser sei die Einigung mit den Gläubigern zur Umstrukturierung bereits frühzeitig erzielt worden und mit nachträglichem Widerstand seitens opponierender Gläubiger kaum zu rechnen gewesen.“

Sanierung schwer gemacht

Ob im Verlauf des Rettungsversuchs tatsächlich Fehlentscheidungen getroffen oder möglicherweise vorhandene Sanierungsalternativen außerhalb der Insolvenz nicht ausreichend berücksichtigt wurden, lässt sich im Nachhinein kaum objektiv beurteilen – zumal die Beteiligten mit Verweis auf Mandantenschutz in einem laufenden Verfahren derzeit zu keinerlei offizieller Stellungnahme bereit sind. Restrukturierungsexperte Prof. Dr. Christoph G. Paulus1 vertritt indes einen differenzierten Standpunkt: Seiner Meinung nach ist der gescheiterte Rettungsversuch durchaus bedauerlich und die Enttäuschung betroffener Anleihegläubiger absolut verständlich. Dennoch könne allein den beteiligten Sanierungsexperten auch vor dem Hintergrund geflossener Beratungshonorare, die im Erfolgsfall wohl kaum ein derartiges Medienecho provoziert hätten, kein Vorwurf gemacht werden. Es sei vielmehr die nicht vorhersehbare Entscheidung der hiesigen Rechtsprechung, die vollkommen unverständlich am eigentlichen Zweck des novellierten SchVG vorbei urteilte und damit die jeweiligen Rettungskonzepte zum Scheitern brachte. Das Urteil des OLG Frankfurt verfehlte die ursprüngliche Zielsetzung des Gesetzgebers, ausstehende Schuldverschreibungen im Sanierungsfall flexibler und effektiver umzustrukturieren, und öffnete opponierenden Gläubigern zugleich Tür und Tor, so Paulus gegenüber dem GoingPublic Magazin.

Fazit

Am Ende bleibt neben einer Vielzahl unbeantworteter Fragen die Tatsache, dass trotz der Expertise ausgewiesener Sanierungsspezialisten die Insolvenz von Q-Cells nicht verhindert werden konnte. Letzten Endes wird wohl der Gesetzgeber abermals gezwungen sein, bei der Auslegung des SchVG insbesondere für Schuldverschreibungen, die vor dem Inkrafttreten der Gesetznovelle emittiert wurden, durch entsprechende Konkretisierung des Anwendungsbereichs für hinreichende Rechtssicherheit zu sorgen.

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1) Prof. Dr. Christoph G. Paulus ist Spezialist für Restrukturierungsfragen sowie Mitherausgeber zahlreicher Fachpublikationen. Seit 1994 lehrt Paulus Bürgerliches Recht, Zivilprozess- und Insolvenzrecht sowie Römisches Recht an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2009 obliegt ihm zudem die wissenschaftliche Leitung des Instituts für Interdisziplinäre Restrukturierung e.V. (iir), Berlin.

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