Dr. Stephan Schleitzer, Partner, Buse Heberer Fromm

Im Gespräch mit dem HV Magazin spricht Dr. Stephan Schleitzer, Partner bei Buse Heberer Fromm über die neuen Regelungen des ARUG bei der elektronischen Übermittlung der Hauptversammlungseinladung.

HV Magazin: Seit Verabschiedung des ARUG haben börsennotierte Gesellschaften die Möglichkeit, die Übermittlung der Hauptversammlungseinladung auf den „Weg der elektronischen Kommunikation“ zu beschränken. Welche Übermittlungsmöglichkeiten werden mit dieser Beschreibung genau erfasst?
Schleitzer:
Dies ist leider den einschlägigen gesetzlichen Regelungen in §§ 125, 128 AktG auf den ersten Blick nicht zu entnehmen. Daher könnte man auf die Idee kommen, dass damit jegliche Informationen der Aktionäre im Wege der Daten-Fernübertragung zu gestatten sind. Entsprechend dem Wortlaut des § 125, Abs. 2, Satz 1 AktG („Mitteilungen … machen“) ist die bloße Zurverfügungstellung der Mitteilung auf der Internetseite der Gesellschaft wohl nicht ausreichend, da der Gesetzgeber für diese Form der Bekanntmachung von Informationen den Begriff des „Zugänglichmachens“ gewählt hat. Unter „elektronischer Kommunikation“ wird in diesem Zusammenhang – auch weil sich der Gesetzgeber für elektronische Versandformen im sogenannten Push-Verfahren ausgesprochen hat – vor allem der Versand per E-Mail durch die Gesellschaft an ihre Aktionäre verstanden. Für die Fälle der Übermittlung durch die jeweiligen Depotbanken bei Aktionären mit Inhaberaktien kann dies zeit- und kostensparend per E-Mail oder mittels des elektronischen Postfachs des Aktionärs bei seiner Depotbank erfolgen.

HV Magazin: Wie stellt sich die Situation dar, wenn die Gesellschaft von ihren bzw. einzelnen Aktionären keine E-Mail-Adresse besitzt?
Schleitzer:
Beschränkt die Satzung gemäß der Ermächtigung nach § 125 Abs. 2 Satz 2 AktG die Übermittlung oder die Weiterleitung der Mitteilungen auf den Weg der elektronischen Kommunikation, müssen keine gedruckten Fassungen versandt werden. Der Aktionär hat in diesem Fall dafür Sorge zu tragen, dass ihm die Mitteilungen der Gesellschaft zugehen können. Wenn eine Satzungsregelung fehlt, muss die Gesellschaft wohl oder übel auf die Druckfassung zurückgreifen.

HV Magazin: Was ist, wenn ein Aktionär der elektronischen Versendung ausdrücklich widerspricht?
Schleitzer:
Verweigert der Aktionär die Angabe seiner E-Mail-Adresse und seine mit dieser Angabe konkludent erteilte Einwilligung zur Übermittlung der Mitteilung per E-Mail, erhält er die Mitteilung unter Hinweis auf die entsprechenden Satzungsbestimmungen überhaupt nicht. Dies hat der Gesetzgeber mit der Möglichkeit, die Übermittlungen der Mitteilungen der Gesellschaft an ihre Aktionäre gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 AktG auf den elektronischen Weg zu beschränken, bewusst in Kauf genommen.

HV Magazin: Welche Risiken für die Gesellschaft können sich aus der elektronischen Übermittlung grundsätzlich ergeben, und welche rechtlichen Konsequenzen könnten diese haben?
Schleitzer:
Zum einen ist insbesondere die Einrichtung und Pflege der elektronischen Versanddaten mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden – hier bestehen natürlich auch Fehlerquellen. Zudem bestehen rechtliche Unsicherheiten in Hinblick auf das Wechselspiel der Regelungen in §§ 125, 128 AktG und der Regelung in § 30b Abs. 3 Nr. 1 lit. d) WpHG, welche besagt, dass Aktionäre in die elektronische Datenübermittlung einzuwilligen haben. Grundsätzlich kann die Verletzung der Mitteilungspflichten zur Anfechtbarkeit der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse führen. Voraussetzung hierfür ist aber stets die Relevanz der Verletzung für das Zustandekommen des Beschlusses. Ob diese gegeben ist, ist Frage des Einzelfalls. In Vorbereitung einer Hauptversammlung wird der begleitende Rechtsanwalt angesichts der Vorgaben des Bundesgerichtshofs, dem Mandanten im Rahmen der Rechtsberatung ein möglichst sicheres Verfahren aufzeigen, im Zweifel zum Versand der Mitteilungen in gedruckter Form raten. Viele große Gesellschaften verzichten in der Praxis deshalb darauf, die durch das ARUG eingeführten Ermächtigungen zur elektronischen Übermittlung zu nutzen.

HV Magazin: Herr Dr. Schleitzer, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

Dieser Artikel ist erschienen im HV Magazin 4/2012.

Autor/Autorin