Im Oktober ging es Schlag auf Schlag. Beinahe täglich läuteten Börsenneulinge den Handelsstart an NYSE und Nasdaq ein. Tage mit bis zu fünf IPOs ließen selbst Experten bisweilen den Überblick verlieren. Trotz dieser Masse schlugen sich die Debütanten auch in der Breite überaus wacker. Im Durchschnitt kletterten die Zeichnungsgewinne auf über 25% und damit auf einen neuen Jahreshöchstwert. Mit 30 IPOs brachte es der Oktober zudem auf so viele Börsengänge wie kein anderer Monat seit dem Mai 2007. Für die Zeitrechnung „nach Lehman“ ist dies somit ein neuer Rekord, der vor allem die Wall-Street-Banken erfreuen dürfte. Dort herrscht im Augenblick Hochbetrieb angesichts der Vielzahl an Unternehmen, die sich in ihren IPO-Vorbereitungen befinden oder diese Option zumindest ernsthaft in Betracht ziehen. Die gute Resonanz auf das Gros der Kandidaten spricht für eine weiterhin sehr robuste Verfassung des Primärmarktes. In manchen Teilbereichen lassen die Bewertungen sogar inzwischen Anzeichen einer Übertreibung erkennen.

 

 Tab. 1: IPO Scoreboard 2013*
 Anzahl IPOs 181 +55%
 Gesamtes Emissionsvolumen  43,3 Mrd. USD  +8%
 Durchschn. Emissionsvolumen  239 Mio. USD  +10%
 IPO-Verhältnis NYSE&Amex/Nasdaq  95/86  +35%/+83%
 Zeichnungsgewinn  15,4%  +3,6 Proz.punkte
 Quotient USA/D:  36,0  Vj.: 10,6
 *) Stand: zum 1.11.2013Quelle: GoingPublic Research

Das Debüt, über das jeder spricht

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Abb.1: Anzahl IPOs letzte 12 Monate, Stand: 1.11.2013

Es war zweifellos einer der meist erwarteten Börsengänge der letzten Monate und am Ende sogar das zweitgrößte IPO eines Technologieunternehmens überhaupt: Das Debüt des Kurznachrichtendienstes Twitter elektrisierte Anleger wie Medien. Zudem brachte es einen Hauch des einstigen Internet-Hypes zurück an die Wall Street. Die Nachfrage nach Twitter-Aktien überstieg das Angebot um das 30-fache und so verwundert es nicht, dass die bislang stets defizitäre Gesellschaft ihren Ausgabepreis bereits im Vorfeld auf 26 USD heraufschrauben konnte. Damit flossen Twitter inklusive Mehrzuteilungsoption rund 2,1 Mrd. USD zu. Trotz dieser bereits recht ambitionierten Bewertung legte das Papier an seinem ersten Handelstag einen fulminanten Sprint auf’s Parkett. Am Ende standen 44,90 USD auf der Habenseite – ein Zugewinn von 73%. Nun muss das erst vor sieben Jahren gegründete Unternehmen liefern. Für die ersten neun Monate weisen die Kalifornier bei Erlösen von 422 Mio. USD einen Verlust von stolzen 134 Mio. USD aus. Hier belasteten vor allem höhere Investitionen in Serverkapazitäten und Marketing. Inwieweit die weltweit 230 Mio. Twitter-Nutzer in Zukunft bereit sind, mehr Werbung zwischen ihren Tweets zu akzeptieren, wird sich bald zeigen. Gelingt diese Umstellung nicht, dürfte der aktuelle Börsenwert von über 23 Mrd. USD kaum zu halten sein. Noch scheint die Stimmung unter den Twitter-Investoren aber blendend zu sein.

 

Ein Tanker und ein Schnellboot

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Abb. 2: Monatliche Zeichnungsgewinne, definiert als Differenz zwischen Schlusskurs des ersten Handelstages und Emissionspreis

Mit dem Börsengang von Plains GP Holdings, einem Teilhaber an Lager- und Pipelinekapazitäten für Öl, Erdgas und andere Raffinerieprodukte, sah die Wall Street den größten Börsengang seit dem Debüt der Banca Satander Mexico im vergangenen Herbst. Auch wenn die 128 Mio. Anteile nur am unteren Ende der Preisspanne zu 22 USD platziert werden konnten, summierten sich die Einnahmen auf stattliche 2,8 Mrd. USD. Mit dem Emissionserlös soll ein Anteil an der texanischen Plains All American Pipeline, einer Gesellschaft in der Rechtsform einer „Limited Partnership“ erworben werden. Aus deren Cash Flows will Plains GP seinen Aktionären zunächst eine jährliche Dividende von 60 Cent (14,9 Cent je Quartal) zahlen. Es ist geplant, diese Ausschüttungen in den nächsten Jahren analog zu den Ergebnissen bei Plains All American Pipeline zu erhöhen. Deutlich dynamischer startete jedoch der deutsche 3D-Drucker-Entwickler Voxeljet in sein „Börsenleben“. Die Bayern entschieden sich gegen einen Börsengang in Deutschland und für ein IPO in den USA, wo das Thema 3D-Drucker schon länger zu den heißesten Investment-Storys überhaupt zählt. Entsprechend euphorisch begrüßten Anleger den Neuzugang. Nachdem Voxeljet-Aktien bereits mit einem Kursplus von über 50% in den Handel starteten, stand am Ende des ersten Tages sogar eine runde Verdopplung gegenüber dem Ausgabepreis von 13 USD auf der Anzeigetafel der NYSE. Die Einnahmen von knapp 65 Mio. USD will das Unternehmen ganz klassisch zur Wachstumsfinanzierung einsetzen. Offenbar traut die Börse den Bayern noch Großes zu. Denn nur so scheint der aktuelle Börsenwert von fast 530 Mio. USD zu rechtfertigen.

Bewertungen ausgebaut

Aber nicht nur Twitter und Voxeljet feierten in den vergangenen Wochen umjubelte Debüts. Die Zahl der Neulinge, deren Unternehmenswert mit Handelsaufnahme schlagartig um 50, 60 oder mehr Prozent nach oben schnellt, hat sich zuletzt spürbar erhöht. Gleich sieben der 30 Börsengänge im Oktober starteten mit Kurszuwächsen von mindestens 50% in ihr „Börsenleben“. Die Spitzenposition nahm dabei die Schnellrestaurantkette Potbelly mit einem Kursplus von 128% (!) ein. Offenbar sind die Investoren davon überzeugt, dass sich mit Sandwiches Millionengewinne erzielen lassen. Grundsätzlich stehen vor allem Wachstumsstorys aus dem Technologieumfeld weiterhin hoch im Kurs. In Twitters Schatten gelang dem Cloud-Software-Anbieter Veeva Systems ein nicht minder überzeugender Börsengang. Ausgegeben zu 20 USD startete das Papier mit einem Kurs von 38 USD in den Handel. Auch in diesem Fall war die Emission gleich mehrfach überzeichnet. Grundsätzlich lässt sich eine sukzessive Ausweitung der Bewertungskennziffern beobachten. Dabei folgt der Primärmarkt letztlich aber nur der Hausse der großen Indizes.

Fazit

Emittenten, Banken und Anleger können mit dem Verlauf des IPO-Jahres äußerst zufrieden sein. Neben Highlights wie Zoetis und zuletzt Twitter lässt sich auch in der Breite eine hohe Akzeptanz für Neuemissionen feststellen. Das Preisniveau steigt und damit auch die Bewertungen zum Börsenstart. Auch für die letzten Wochen des Jahres zeichnet sich bislang keine Änderung dieses Trends ab. Noch immer drängen neue Unternehmen an den Markt. Damit sollte zumindest bis Mitte Dezember eine rege Neuemissionstätigkeit garantiert sein, zumal die jüngst erfolgreichen Börsengänge neue Investoren und Emittenten anlocken dürften.

Marcus Wessel

Autor/Autorin