Faktoren wie die Robustheit des Geschäftsmodells, langfristige Nachhaltigkeit der Erträge und fundamentale Analyse ­sollten die Entscheidung für eine Investition in einen Börsenneuling beeinflussen – nicht die Marktstimmung und das „Follow-the-Crowd-Verhalten“, was zu „Hypezyklen“ und überhöhten Aktienkursen führt. 

Investoren neigen dazu, nur die schnellen Erträge zu sehen und sich auf die Volatilität der Erstnotierung bzw. die Kurse in der ersten Woche oder im ersten Monat nach dem IPO zu konzentrieren. Dieses Verhalten zeigt sich häufig, wenn stark erwartete Börsengänge eine große Aufregung im Markt verursachen und ­Investoren dazu verleiten, die Unter­nehmensgrundlagen zugunsten von hypegetriebenen Stimmungen zu übersehen.

Hypegetrieben und abgestürzt

In den letzten Jahren haben Unternehmen wie Beyond Meat, Groupon und Blue Apron erheblichen Hype generiert, aber aufgrund einer Vielzahl von Faktoren, wie überhöhter Bewertungen beim Börsengang, wesentlicher Probleme im Geschäftsmodell und fehlender langfristiger und nachhaltiger Wachstumschancen, stark unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Im Fall von Lyft wurden angemessene Bewertungen zugunsten eines ­aggressiven Börsengangs vernachlässigt, der von der Marktentwicklung beeinflusst wurde und vom öffentlichen Hype besessen war. Das Ergebnis? Ein fast 90%iger Rückgang des Aktienkurses seit dem IPO.

Die Schuld dafür liegt nicht ausschließlich beim Unternehmen. Unternehmen ­leiden oft unter dem externen Marktdruck, insbesondere den Kurserwartungen des Markts und dem Konflikt ­zwischen kurzfristigen Interessen des Anlegers und nachhaltigen, langfristigen Interessen des Unternehmens.

Konzentration auf Langfristerfolg

Hohe Zinsen und eine allgemeine negative Marktstimmung haben die Anzahl der Börsengänge im Vergleich zu den voran­gegangenen drei Jahren sinken lassen. Aber der Markt wird sich wiederbeleben, und mehr als je zuvor müssen sich Investoren der Gefahren einer hypegetriebenen Marktstimmung bewusst sein. Einerseits müssen sich Unternehmen darauf konzentrieren, Strategien umzusetzen und Entscheidungen zu treffen, die den Unternehmenswert maximieren und langfristigen Erfolg sicherstellen. Andererseits sollten Investoren aus den historischen Post-IPOs lernen und die Bedeutung der fundamentalen Analyse bei einem IPO berücksich­tigen. Der Markt muss sich an den ­langfristigen und nachhaltigen Unternehmenserträgen orientieren und nicht am kurzfristigen Hype (Hier geht´s zur IPO-Watchlist).

Technische Analyse

Aus Sicht der Technischen Analyse ist es sinnvoll, eine „reife“ Aktie zu analysieren. Dabei sollte das Papier zumindest schon ein Jahr an der Börse gehandelt werden – erst dann können auch markttechnische Indikatoren wie die 200-Tage-Linie so richtig wirken. Davor sind zudem charttechnische Widerstände und Unterstützungen wenig aussagekräftig.

Autor/Autorin

Martin Utschneider
Leiter Kapitalmarktanalyse at Renell Wertpapierhandelsbank AG

Martin Utschneider war 15 Jahre bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL, zuletzt als Leiter Technische Analyse. Zum 1. Juli 2023 wechselt er zur Renell Wertpapierhandelsbank in Frankfurt. Dort wird er Leiter Kapitalmarktanalyse und wird das Portfoliomanagementteam mit einem eigenen Fonds ergänzen.