Dr. Achim Biedermann, Vorstand, PR im Turm HV-Service AG
Vollmachten und Weisungen gehören zur Hauptversammlung wie die Aktionäre selbst. Trotzdem tauchen in der Praxis immer wieder Fragen auf oder gehen Vollmachten und Weisungen ins Leere.

Aktuelles Beispiel
Als auf der ersten großen Hauptversammlung dieses Jahres der Abwahlantrag gegen Versammlungsleiter Gerhard Cromme kam, rückte im Hintergrund zumindest kurz ein Thema ins Rampenlicht: Reichen die Vollmachten für diesen Geschäftsordnungsantrag aus? Haben wir für die übertragenen Stimmen entsprechende Weisungen? Was machen wir mit dem Stimmrechtsvertreter?

Fragen, die sich anschließend in Wohlgefallen auflösten, weil Cromme den Antrag nicht zur Abstimmung stellte. Trotzdem macht dieser Aktionärsvorstoß auf der ThyssenKrupp-HV deutlich, dass die Erteilung von Vollmachten und Weisungen durchdacht sein will.

Aspekt 1: Form der Vollmachtserteilung
Das Formerfordernis für die Vollmacht hat sich durch das ARUG grundlegend geändert. Bis dahin war noch ein Originalschreiben mit Originalunterschrift nötig, also Schriftform, so dass nicht selten noch in der Nacht vor der HV mit reitendem Boten Vollmachten angeliefert wurden. Heute gilt grundsätzlich durch die Textform eine deutliche Erleichterung: Kopie, Fax oder Mail sind die gebräuchlichsten Arten der Vollmachtserteilung und -übermittlung.

Bei der Formfrage gibt es eine entscheidende Weichenstellung: Für börsennotierte Unternehmen ist die Textform gesetzliche Pflicht. Möglich ist allenfalls in der Satzung eine Erleichterung.

Nicht notierte Unternehmen können hingegen von der Textform dergestalt abweichen, dass sie in ihrer Satzung eine Erschwerung verankern, also die traditionelle Schriftform. Fordert die Satzung Schriftform, ist sie bindend mit der Folge, dass per Mail, Fax oder in Kopie erteilte Vollmachten nicht wirksam sind.

Aspekt 2: Form der Vollmachtsunterzeichnung
Vorbei sind auch die Zeiten, in denen eine Originalunterschrift vorhanden sein musste. Entsprechend der Änderung bei der Vollmachtserteilung selbst hat sich auch das Unterschriftserfordernis geändert: Reicht Textform für die Vollmachtserteilung aus, bedarf es keiner Unterschrift mehr. Nach § 126b BGB reicht vielmehr auch ein Abschluss der Erklärung aus. Der Spielraum dabei ist breit: von „gez. Schmitt“ über die Worte „Abschluss der Erklärung“ bis hin zum Fingerabdruck – Hauptsache, es gibt einen Abschluss der Erklärung.

Aspekt 3: Form des Vollmachtswiderrufs
Einheitlichkeit gilt für Vollmachtserteilung und Vollmachtswiderruf. Das heißt, auch der Widerruf muss in Textform erfolgen, es sei denn, die Vollmacht wurde einem Kreditinstitut, einem nach § 135 Abs. 10, § 125 Abs. 5 AktG gleichgestellten Institut oder Unternehmen, einer Aktionärsvereinigung oder einer anderen nach § 135 Abs. 8 AktG gleichgestellten Person erteilt.

Taucht also der Aktionär auf der HV auf, erklärt am Schalter, er widerrufe seine Vollmacht, und will eine Stimmkarte, reicht das nicht aus. Er muss ein Formular unterzeichnen, mit dem er den Widerruf seiner Vollmacht erklärt.

Seit dem ARUG ist für Vollmachten nur noch die Textform vorgeschrieben. Foto: PantherMedia / Darius Turek

Aspekt 4: Der Vollmachtgeber
In der Praxis gestaltet es sich immer wieder zum Problem, dass insbesondere bei institutionellen Aktionären die vorgelegten Vollmachten nicht zu den Anmeldedaten passen oder gar ganz fehlen.

Juristische Personen müssen zwingend in der HV durch eine natürliche Person vertreten werden. Oft aber werden Aktien auf eine AG, eine GmbH oder einen Verein angemeldet, ein Mitarbeiter steht dann mit der Eintrittskarte am Schalter und die Vollmacht fehlt. Insbesondere bei großen Unternehmen und Organisationen wird das zum Problem, weil direkt vor der HV keine zur Vollmachtserteilung berechtigten Personen aufzutreiben sind, die Aktien also letztlich dann auch nicht mehr vertreten werden.

Ähnliche Probleme ergeben sich bei institutionellen Anlegern, die es unter fast gleichlautendem Namen in verschiedenen Ländern gibt, jeweils als rechtlich eigenständige Unternehmen. Melden unterschiedliche Landesgesellschaften eigene Aktienbestände an, müssen auch eigenständige Vollmachten jeder einzelnen Gesellschaft vorliegen. Das ist aber häufig nicht der Fall, und auch hier ist spontane Abhilfe nur selten möglich.

Aspekt 5: Fehlende Weisungen
Mängel treten aber nicht nur bei Vollmachten auf, sondern auch bei der Weisungserteilung. Ein seltsames Phänomen sind die fehlenden Weisungen bei der Bevollmächtigung des Stimmrechtsvertreters. Seit Jahren ist diese besondere Form der Vertretung bekannt, und seit Jahren steht in jeder Einladung, dass der Stimmrechtsvertreter zwingend Weisungen erhalten muss, wie er das Stimmrecht ausüben muss.

Obwohl diese Weisungspflicht eigentlich schon fast Allgemeingut sein sollte, sind Vollmachten an den Stimmrechtsvertreter ohne Weisungen Alltag. Die Folge ist, dass diese Vollmachten ins Leere gehen.

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