Bildnachweis: © Olivier Le Moal adobestock.com.

Die Verbesserung der Deckung in der W&I-Police liegt im Fokus der Versicherer. Die stete Überprüfung von Deckungszu­sagen und deren Erweiterung trägt erheblich zur Etablierung des Produkts im M&A-Markt bei. 

Die W&I-Versicherung gilt als eines der flexibelsten Versicherungsprodukte im Markt und zeigt ihre Stärken vor allem bei der weitgehend simultanen Anpassung der Deckung an die aktuellen Verhandlungsergebnisse der Vertragsparteien. Während die Transaktion auf Ebene der Non-Binding Indication (NBI) seitens der Versicherer bereits möglichst zielgerichtet anhand zu erwartender Risiken bewertet wird, haben es Broker in den letzten Jahren verstanden, schon zu diesem Zeitpunkt entscheidende Zusatzleistungen der späteren Deckung konkret abzufragen und damit auch im Markt zu etablieren, die die Ver­sicherungspolice teilweise unabhängig von den Vorschriften des Anteilskaufvertrags (SPA) zugunsten des Versicherten abrunden. Während hier seitens der Broker einige Dauerbrenner seit Jahren standardmäßig abgefragt werden, gibt es in jüngster Zeit ­einige Neuentwicklungen im Markt, über die bislang wenig geschrieben wurde.

Deckungsverbesserung und P­reisgestaltung

Standardmäßig abgefragt wird bereits auf NBI-Ebene, bei welchen kenntnisqualifizierten Garantien der Versicherer bereit ist, die Kenntnisqualifizierungen (Seller’s Knowledge Qualifier) für Zwecke der Police zu streichen und damit objektiv zu ­decken. Versicherer bieten dies meist im Gegenzug zu einer pauschalen Zusatzprämie (AP) zur jeweiligen Basisprämie an. Bei einigen Versicherern sind diese sogenannten Knowledge Scrapes als Standard­element bereits Teil der Gesamtkalkulation und werden daher nicht gesondert mit einer AP ausgewiesen. Knowledge Scrapes werden im Rahmen der NBI für jede kenntnisqualifizierte Garantie gesondert abgefragt und vom jeweiligen Versicherer im Rahmen einer Excel-Tabelle, die die Garantien des SPA enthält (Warranty Spreadsheet), mit ja/nein/teilweise vermerkt.

Knowledge Scrapes sind im Zusammenhang mit der Seller’s-Knowledge-Definition im SPA zu bewerten, und oftmals enthält die Police bereits synthetische Anpassungen dieser Definition. Dies gilt beispielsweise für die Personen auf Ebene des Verkäufers, auf deren tatsächliche, persönliche Kenntnis es ankommt, nachdem auf Ebene der Zielgesellschaft eine Nachforschung zur Erlangung der jeweiligen Kenntnis stattgefunden hat (Due Enquiry). Der Kreis der Due Enquiry Members ist regelmäßig begrenzt und kann vom SPA für die Zwecke der Police abweichen. Ein Standardthema ist in diesem Zusammenhang auch die Zurechnung grob fahrlässiger Unkenntnis, die die Ver­sicherer meist für eine AP anbieten können.

Spezielle Themen der Due Diligence früh adressieren

Während die NBI allgemeine Themen wie De Minimis, Selbstbehalte sowie die Dauer der Versicherungsperiode für allgemeine Garantien, Fundamentalgarantien, Steuergarantien und eine etwaige Steuerfreistellung ebenfalls standardmäßig abfragt, kann es sinnvoll sein, zu diesem Zeitpunkt auch bereits spezielle Themen der Due Diligence zu adressieren. Dies gilt vor allem für sogenannte Blind-Spot-Deckungen, wenn für eine bestimmte Jurisdiktion einer grenzüberschreitenden Transaktion keine oder keine vollständige Due Diligence durchgeführt wurde oder werden kann. Der Ver­sicherer muss an dieser Stelle dann entscheiden, ob er je nach Bedeutung einer ­bestimmten ­Jurisdiktion/Tochtergesellschaft damit leben kann, dass es keine separate Due Diligence nach lokalem Recht gibt.

Während dies für Steuern aufgrund der unbekannten Auswirkungen je nach Jurisdiktion nach wie vor schwierig sein kann, können Versicherer beispielsweise bei Juris­diktionen, in denen eine bestimmte Schwelle des/der Gesamt-EBITDA/Sales/FTEs nicht überschritten wird, eine solche Blind-Spot-Deckung anbieten. Meist wird über eine etwaige AP gesondert verhandelt. Versicherer verlangen dann meist nur noch die üblichen Standardmaßnahmen der Due Diligence wie die Überprüfung der Übertragungsketten, Inhaberschaft im Hinblick auf die Anteile etc.

Definitionen für „Offenlegung“ und „Schaden“ zentral

Für jede Police zentral sind die Definitionen zu den Themen Offenlegung und Schaden. Die entsprechenden Änderungen der Versicherer mit Blick auf die SPA-Definitionen sollten bereits auf NBI-Ebene klar sein, damit später keine Diskussionen dazu auftreten. So werden bei der Definition von „offengelegt“ vielfach bestimmte Elemente diskutiert und ggf. herausgenommen, etwa Quantifizierungs­erfordernisse des offengelegten Sachverhalts und der finanziellen Konsequenzen hieraus. Bei der Schadensdefinition wird inzwischen zunehmend auf die §§ 249 ff. BGB Bezug genommen. Hier müssen die Versicherer entscheiden, inwieweit sie Themen aus dem ­Anwendungsbereich der Schadensdefinition herausnehmen müssen oder bei eingeschränkten Schadensdefinitionen sogar Elemente synthetisch ergänzen können.

Die Diskussionen zu „reasonably foreseeable“ bei Schadenselementen wie Indirect Damages oder Lost Profits haben etwas an Bedeutung verloren, nachdem sich im Markt die Auffassung etabliert hat, dass dieser Test möglicherweise ohnehin Voraussetzung der Schadensberechnung nach §§ 249 ff. BGB ist. Nach wie vor sind Multiplikatorenverfahren (Multipliers) bei der Schadens­berechnung vielfach in Diskussion, insbesondere dann, wenn solche Berechnungsmethoden „affirmatively“ gegeben werden sollen.

Special Teams für bekannte Risiken

Recht weit auseinander fallen aktuell noch Preisvorstellungen hinsichtlich einer synthetischen Steuerfreistellung. Gleiches gilt für den weiterhin intensiv diskutierten Bereich der Affirmative Coverage bestimmter bekannter Risiken. Hier wird man eine Risiko­abwägung des Einzelfalls nicht vermeiden können, um auf dieser Basis einen konkreten Preisaufschlag zu nennen. Einige Versicherer haben mittlerweile spezielle Teams, die sich vorwiegend oder sogar ausschließlich um solche Themen kümmern und dann auch eine recht intensive Vorabprüfung derselben vornehmen, noch bevor es in das eigentliche Under­writing geht.

Wichtige Schaltstelle der Police ist auch der Bereich möglicher Endorsements der Deckung nach Signing. Vor allem die Jahres­abschlussgarantien sind hiervon betroffen, da es oftmals reiner Zufall ist, ob der zu testierende Jahresabschluss noch rechtzeitig geprüft werden konnte und den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erhalten hat. Die Deckung „true and fair view“ verlangt dies beispielsweise regel­mäßig, sodass es dann unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, eben diese Deckung nachträglich zu gewähren, wenn die entsprechenden Unterlagen nach Signing vorgelegt werden.

Auch bestimmte Strukturierungsmaßnahmen wie etwa Carve-outs können mithilfe dieser Methode in die Deckung aufgenommen werden. Hier werden dann meist ein konkreter Zeitplan sowie die lücken­lose Dokumentation der Abarbeitung bestimmter Milestones Voraussetzung für eine Deckung sein. Die entsprechenden Nach­weise können aber ggf. auch noch nach ­Signing erbracht werden.

Deckungszusagen für Garantien zwischen Signing und Closing

Spannend zu beobachten wird sein, wie sich das Thema „New Breach Cover“ weiterentwickelt. Hierbei handelt es sich um Deckungszusagen für Garantien, die zwischen Signing und Closing entweder entstanden (und damit regelmäßig außerhalb der Due Diligence liegen) oder bekannt geworden sind. Auch hier wird es letztlich auf eine Einzelfallabwägung hinauslaufen, sollten Ver­sicherer das Thema zumindest grundsätzlich decken können. Denkbar sind Absicherungen über eine hohe Zusatzprämie und sogenannte Intervalldeckungen, d.h. Zeiträume von beispielsweise wenigen Tagen.

Letztlich ebenfalls ein Standardelement ist die Abfrage von Bedingungen, zu denen ein Versicherer bereit ist, auf bestimmte Standardausschlüsse zu verzichten. Das kann etwa der Fall sein, wenn es zu bestimmten Themen eine gesonderte Tech Due Diligence gibt oder die entsprechende Garantie im SPA in jedem Fall kenntnisqualifiziert bleibt (man beachte das wichtige Zusammenspiel mit der Seller’s-Knowledge-Definition). Meist enthält jede Police noch einen Katalog an verbindlichen Standardausschlüssen, die schlicht nicht verhandelbar sind. Der Versicherer wird dann aber darauf achten, dass die Deckung andernorts attrak­tive Elemente für den Versicherten bietet, der schließlich für die Versicherung zahlt und sich darauf verlässt, dass diese ihm bestimmte Themen von den Schultern nimmt.

Fazit

Die Deckung unter der W&I-Police erschöpft sich selten in der reinen Spiegelung der ­Garantien des SPA im Lichte der verfügbaren Due-Diligence-Berichte und dem Inhalt des Datenraums. Die Aufgabe der Deckung ist es, gerade bestimmte Sonderthemen so zu erfassen, dass sie sich zu einem runden Gesamtbild für den Versicherten zusammenfügen. Die geschilderten Deckungsverbesserungen tragen entscheidend dazu bei und sind elementarer Bestandteil dieses sich nach wie vor mit hoher Geschwindigkeit weiterentwickelnden Versicherungsprodukts.

Dr. Marco Niehaus, LL.M. (Cambridge), LL.M. Eur. ist Geschäftsführer und Head of M&A für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH) bei Acquinex. Vor seiner Bestellung als Geschäftsführer war er langjähriger Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright LLP. Insgesamt blickt er auf mehr als 15 Jahre Transaktionserfahrung vor allem in den Bereichen Strategic M&A und PE-Investments (Sell Side und Buy Side) bei verschiedenen Großkanzleien zurück und veröffentlicht regelmäßig zu den Themen Corporate/M&A, Private Equity und W&I.

Autor/Autorin

Dr. Marco Niehaus

Dr. Marco Niehaus, LL.M. (Cambridge), LL.M. Eur. ist Geschäftsführer und Head of M&A für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH) bei Acquinex. Vor seiner Bestellung als Geschäftsführer war er langjähriger Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright LLP. Insgesamt blickt er auf mehr als 15 Jahre Transaktionserfahrung vor allem in den Bereichen Strategic M&A und PE-Investments (Sell Side und Buy Side) bei verschiedenen Großkanzleien zurück und veröffentlicht regelmäßig zu den Themen Corporate/M&A, Private Equity und W&I.