Teilerwerbs- (oder Aufstockungs-)Angebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) sind ein strategisch wichtiges, aber vergleichsweise selten genutztes Instrument im deutschen Übernahmerecht. Sie ermöglichen den ­Einstieg in ein Unternehmen, ohne das Angebot auf alle Aktien der Gesellschaft zu erstrecken, und bieten insoweit eine ­flexible Alternative zu Übernahmeangeboten. Von Dr. Lars-Gerrit Lüßmann

Das WpÜG unterscheidet zwischen Übernahme- und Pflichtangeboten sowie freiwilligen Erwerbsangeboten; letztere in der Form von Teilerwerbs- oder Aufstockungsangeboten. Während Übernahmeangebote darauf gerichtet sind, die Kontrolle eines Unternehmens (mindestens 30% der Stimmrechte) zu übernehmen, sind Pflichtangebote abzugeben bei Überschreiten der Kontrollschwelle außerhalb eines Übernahmeangebots. In beiden Fällen ist das Angebot auf alle Aktien der Zielgesellschaft zu erstrecken. Teilerwerbsangebote erlauben eine schonendere Annäherung an die Zielgesellschaft.

Dies kann sinnvoll sein, wenn aus finanziellen oder strategischen Gründen nur eine ­Minderheitsbeteiligung angestrebt oder eine bereits bestehende Kontrollposition ausgebaut werden soll, und erlaubt einen schrittweisen Einstieg ohne die übliche Marktdynamik eines vollständigen Übernahmeangebots. Zudem stoßen solche Angebote ggf. auf weniger Widerstand bei Management und Aktionären. Marktreaktionen können getestet, die Ziel­gesellschaft stabil gehalten und eine unnötige Verunsicherung der Belegschaft und anderer Stakeholder vermieden werden. Da sie gerade nicht auf Kontrollerwerb gerichtet sind, entfallen auch spätere aktienrechtliche Struktur- und Integrationsmaßnahmen und damit die bei Übernahmeangeboten häufig vorzufindende Spekulation und Arbitrage.

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Dieser Beitrag stammt aus dem kürzlich erschienenen GoingPublic 2/25.

Zwar unterliegen Teilerwerbsangebote grundsätzlich den gleichen Transparenzanforderungen: Der Bieter muss die Bedingungen und Hintergründe seines Angebots offenlegen. ­Wesentliche Vorschriften für Übernahmen wie die Mindestpreisvorschriften sind auf ­Teilerwerbsangebote aber nicht anwendbar.

In der Praxis problematisch ist dies jedoch im Zusammenhang mit dem Parallelerwerb von Aktien während der Annahmefrist. Dieser ist bei Übernahme- und Pflichtangeboten ohne Weiteres möglich und führt nur zu einer faktischen Erhöhung des Angebotspreises, falls der Parallelerwerb zu einem höheren als dem Angebotspreis erfolgt ist. Während § 31 Abs. 4 WpÜG bei Übernahmeangeboten eine entsprechende Erhöhung der Gegenleistung gegenüber sämtlichen Angebotsadressaten vorsieht und damit sogar die für Angebotsänderungen geltenden Vorschriften umgangen werden können, findet diese Regelung bei Teilerwerbsangeboten keine Anwendung.

Außerhalb dieser speziell für Übernahmeangebote geltenden Preisvorschriften gilt aber ein Gleichbehandlungsgebot, das auf alle Angebotsarten Anwendung findet. Demnach sind Wertpapierinhaber der Zielgesellschaft, die derselben Aktiengattung angehören, gleich zu behandeln. Nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen sind zulässig. Unzulässig sind etwa Paketzuschläge oder eine unterschiedliche Behandlung der Aktionäre nach Annahmezeitpunkt („Windhundrennen“). Einige interpretieren den Gleichbehandlungsgrundsatz als absolutes Gebot, das auch bei freiwilligen Erwerbsangeboten keine bevorzugten Parallelerwerbe zulässt und demzufolge allen Aktionären grundsätzlich derselbe Preis zu gewähren sei. Regelungssystematisch lässt sich auch zu einem anderen Ergebnis gelangen: Die Mindestpreisvorgaben des WpÜG stellen Spezialvorschriften für Übernahme- und Pflichtangebote dar. Sie im Rahmen von Erwerbsangeboten als Ausfluss des Gleichheitsgebots auch auf Parallelerwerbe anzuwenden oder diese in der Konsequenz ganz zu untersagen, wäre systemwidrig. Innerhalb des Angebots gilt das Gleichheitsgebot zweifelsfrei. Im Rahmen von – ­außerhalb des Angebots stattfindenden – Parallelerwerben kann dies dogmatisch insoweit nicht gelten.

Teilerwerbsangebote können damit zwar grundsätzlich eine leichter gangbare Alternative darstellen, haben aber ebenfalls ihre rechtlichen Tücken. Auch hier gilt, in der jeweiligen Situation stets gut beraten zu sein.

An dieser Stelle erscheint viermal jährlich eine kurze Kolumne zu wesentlichen Themen des Übernahmerechts.

Autor/Autorin

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann ist ­Partner für Gesellschaftsrecht und M&A und Co-Lead of Germany bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Gowling WLG. Er berät schwerpunktmäßig im Aktien- und ­Kapitalmarktrecht, insbesondere bei öffentlichen Übernahmen und Takeover Defence.