Bildnachweis: MIG Capital.
Die unter anderem auf die Finanzierung von Life-Sciences-Unternehmen spezialisierte MIG Capital aus München hält aktuell Beteiligungen an über 30 Start-ups in DACH und Europa – mit dem Anspruch, aus Visionen Werte zu schaffen. Dr. Fei Tian, Principal bei MIG Capital, spricht im Interview darüber, worauf es bei der Finanzierung junger Life-Sciences-Unternehmen heute ankommt – und weshalb präklinische Daten und ein vorausschauendes Risikomanagement zentrale Erfolgsfaktoren sind.
Plattform Life Sciences: Life-Sciences-Firmen gelangen relativ leicht an Seed-Finanzierungen, stoßen danach aber auf Probleme, in größeren Finanzierungsrunden weiter Geld einzusammeln. Was sind die Gründe dafür?
Dr. Fei Tian: VC-Investoren fokussieren sich noch stärker auf die Finanzierung ihrer Portfoliofirmen bis zum Erreichen künftiger klinischer Meilensteine. Weil das aktuelle Marktumfeld für Finanzierungen schwieriger geworden ist, müssen die Firmen in der Budgetplanung größere Zeitpuffer einplanen. Zugleich nimmt das Fundraising noch mehr Zeit in Anspruch. Aus diesem Grund werden für neue Finanzierungsrunden größere Syndikate organisiert, um größere Summen einzuwerben.
Was bedeutet das für die Investmentstrategie von MIG Capital?
Wir halten Ausschau nach einem starken Konsortium mit anderen VC-Gesellschaften aus Europa und den USA. Damit wollen wir sicherstellen, dass die Unternehmen mindestens bis zum Erreichen des klinischen Nachweises der Sicherheit und Wirksamkeit – vor einem potenziellen Exit – durchfinanziert sind. Der effiziente Kapitaleinsatz wird für VC-Investoren immer wichtiger, und aus diesem Grund müssen die Wachstumsziele der potenziellen Portfoliofirmen im Hinblick auf die Umsetzung absolut überzeugen.
Wie passt MIG Capital das „Coaching“ der Portfoliofirmen an dieses Marktumfeld an?
Wir ziehen den Einfluss globaler geopolitischer Faktoren noch stärker in unsere Überlegungen ein. Das bedeutet etwa, dass wir uns aktiver an den strategischen Planungen der Firmen zu den Zeitschienen ihrer klinischen Meilensteine und den Planungen der Lieferketten beteiligen. Wir geben den Firmen mit, dass sie größere Zeitpuffer für das Erreichen ihrer Ziele einplanen müssen. Damit beugen sie möglichen zeitlichen Verzögerungen vor, die aus den Stellenkürzungen beim Personal der FDA durch das US-Gesundheitsministerium resultieren. Darüber hinaus setzen wir die Bewertungen hinsichtlich der Preissetzung für Produkte in den USA vorsichtiger an – insbesondere bei Produkten, die noch nicht in die bestehenden klinischen Pfade integriert sind.
Wie können Start-up-Firmen Investoren überzeugen?
Die größte Herausforderung für Start-up-Unternehmen bei der Finanzierung einer Series-A-Runde besteht nicht nur darin, das Lead Asset zur IND- oder CTA-Einreichungsreife zu bringen. Das Risikomanagement von Datenlücken ist der Schlüssel, um mehr Investoren anzuziehen. Um das Risiko ihrer Assets zu verringern, müssen die Unternehmen über ein gutes Paket an präklinischen Proof-of-Concept-Daten verfügen, die eine Reihe biologischer Fragen beantworten.
Worauf achten VC-Investoren?
Auf die datenbasierte Medikamentenentwicklung – und hier vor allem auf genetische Daten. Werden diese Daten auf eigenen Plattformen generiert, wie bei unserer Portfoliofirma mbiomics, umso besser. Bei den Indikationen sehen wir einen Trend zu Autoimmunerkrankungen. Im Fokus sind Wirkstoffe, die verschiedene Pathways als Krankheitsauslöser adressieren und deshalb gegen verschiedene Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden können. SciRhom hat hier mit seinem monoklonalen Antikörper disruptives Potenzial. Die Differenzierung der Biologie und der Master-Switch zwischen den bereits bewährten Pathways wären der Schlüssel. Die präklinischen Daten überzeugten, und auch der Track Record des Managements mit dem professionellen Background bei Boehringer Ingelheim und U3 Pharma (Übernahme durch DAIICHI SANKYO 2008) stimmt.
Welche Exitstrategie favorisiert MIG Capital?
Langfristig betrachtet bleibt ein Übernahmeangebot der bevorzugte Exit. Allgemein betrachtet nimmt dieses Szenario nach positiven klinischen Wirksamkeitsergebnissen Gestalt an. Angesichts des komplexen Marktumfelds sollten jedoch alle VC-Gesellschaften flexibler vorgehen – in Bezug auf weitere Finanzierungen, aber auch im Hinblick auf sekundäre Transaktionen und partielle Exits.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Das Interview führte Stefan Riedel.
Zur Interviewpartnerin:
Dr. Fei Tian ist seit April 2023 Teil des MIG Capital Investment Teams und verstärkt die Life Science Sparte von MIG. Sie ist eine Expertin im Bereich Healthcare mit einem profunden Hintergrund in Medizin und Biologie sowie in der Venture Capital Industrie. Bevor Dr. Tian zu MIG wechselte, war sie für yabeo Venture Tech tätig, wo sie das Health Tech Portfolio betreute. Zuvor war Dr. Tian neun Jahre für Vesalius Biocapital als Investment Analyst und dann Principal tätig. Ihre Tätigkeit umfasste die Identifikation von Deals, Due Diligences und die Strukturierung von Transaktionen in den Bereichen der Life-Science-Investitionen. Dr. Tian studierte Medizin an der Tongji Universität in VR China und arbeitete für zwei Jahre als Notaufnahme-Ärztin. Dann promovierte sie an der Ludwig-Maximilians-Universität in Onkologie und Stammzellenforschung.
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.