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Der Boom des W&I-Produkts hat angesichts des sich nach wie vor konsolidierenden M&A-Markts verschiedene Ursachen. Es findet ein aktiver Diskurs zwischen Versicherern, Brokern und Underwritern statt, der entweder die Berater direkt ­involviert oder aber als Diskussionsergebnis an diese herangetragen wird. Dadurch entstehen Wachstumseffekte, die im ­erweiterten Transaktionsmarkt nach wie vor beispiellos sind. Von Dr. Marco Niehaus

In den Hintergrund treten mittlerweile nicht-versicherte Transaktionen, bei denen die Parteien und deren Berater aus reiner Unsicherheit und fehlender ­Praxiserfahrung vor den technischen ­Vorfeldfragen und der Umsetzung des ­Produkts zurückschrecken. Ebenfalls ­ausgeräumt sind Bedenken, wonach im Versicherungsfall ohnehin seitens der ­Versicherer nicht gezahlt werde – ein nach wie vor insbesondere bei Anwälten weitverbreiteter Irrtum, der nicht zuletzt durch die periodisch erscheinenden Claims-­Studien eindrucksvoll widerlegt wird, der Unternehmen zum Ärgernis deren Entscheidungsträger in der Vergangenheit mitunter aber viel Geld gekostet hat. Der Beratermarkt ist dadurch erheblich unter Druck geraten. Folgerichtig wenden sich Anwälte und sonstige Berater derzeit ­verstärkt an Broker und Underwriter, um beim Thema W&I und dessen rasanter ­Weiterentwicklung auf kommerzieller ­Ebene nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Das Zusammenspiel der ­Marktbeteiligten

Um das ideale Zusammenspiel der Marktbeteiligten zu erreichen, muss man zunächst deren Rolle im Markt verstehen. Nach wie vor essenziell ist die Basisansprache des Kontaktportfolios der Broker. Es ist und war schon immer ein Irrglaube, der Markt könne ohne die zentralisierte Rolle der Broker technisch funktionieren. Durch die Besetzung der Schaltstellen bei Versicherern/MGAs etwa mit ehemaligen Großkanzleianwälten hat sich die Erstansprache durch potenzielle Versicherte zwar verbreitert und mitunter etwas dezentra­lisiert. Allerdings wirkt sich dies eher ­verstärkend auf die Position der Broker aus, da es in der Natur der Sache liegt, dass Underwriter ihren Geschäftskontakten und ehemaligen Kollegen vor allem solche Broker empfehlen, die sich als entsprechend umtriebig und kommerziell verständig bewährt haben.

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Bekannt ist den Transaktionsparteien zudem das sich aus den Marktmechanismen heraus ergebende Geschäftsver­hältnis zwischen Versicherer/MGA und Broker; d.h., die Broker sprechen die ­Underwriter wettbewerbsorientiert an, um für ihre Mandanten die bestmögliche Deckung zu erzielen. Hieraus folgt unweigerlich eine dem Marktgefüge folgende Konzentration der Geschäftschancen rund um die Broker und eine ebenfalls ­bereits durch den Markt zugewiesene ­Subordination im Verhältnis Broker zu ­Underwriter. Folgerichtig können sich ­dadurch Situationen ergeben, in denen dieses gestaffelte Verhältnis („staggered business“) vorrangig als personenbezogen und individuell erzielt missverstanden und hierüber Druck ausgeübt wird, etwa um besonders aggressive Deckungspositionen zu diktieren oder beim Underwriter den Eindruck zu vermitteln, dass hiervon die eigene (auch zukünftige) Marktposition abhinge.

Diese Tendenzen, die im DACH-Markt jedoch selten zu finden sind, werden insbesondere durch Private-Equity-Häuser regelmäßig moniert. Dort im günstigsten Fall als „albern“ verortet, können solche Fehlinterpretationen der Marktmechanismen hingegen unprofessionell wirken, massive Probleme bei der Konsistenz von Deckungspositionen nach sich ziehen und letztlich innovationstoxisch wirken. Dies ist das Ergebnis einer kürzlich initiierten Umfrage unter Entscheidungsträgern bei Private-Equity-Häusern und Strategen.

Der DACH-Markt ist hier im Übrigen auch ganz anders. Auch bei den Brokern sind sämtliche Senioritätsstufen mit Personen besetzt, die sich ihrer Rolle im Markt bewusst sind und die Innovations­treibern auf Ebene der Underwriter offen gegenüberstehen. Oft waren sie zuvor selbst Banker, Berater (etwa in Großkanzleien) und sind seit Jahren fest im Markt ­etabliert oder auf dem besten Weg dorthin. Gleichzeitig wächst bereits die nächste Genera­tion an Brokern heran, die etwa ihre ­Praxiszeiten während der Ausbildung in Kanzleien oder Banken verbracht hat, die sich auf Basis ihres entsprechenden Marktverständnisses in kürzester Zeit ­einen Namen machen konnte und als ­Sparringspartner bei Kanzleien und ­Mandanten bereits sehr gefragt ist.

Es war schon immer ein Irrglaube, der Markt könne ohne die zentralisierte Rolle der Broker technisch funktionieren.

Parallel zum erheblichen Aufwand, den einige Broker aktuell in die Ausbildung der eigenen Reihen und den konstanten Austausch mit Underwritern zu verschiedenen Modellen und Praxiserfahrungen ­investieren, wächst die Rolle der Berater als Schlüsselposition zu den Interessen der Versicherten. Berater, die sich bereits frühzeitig mit dem Produkt befasst haben und die Entwicklung kennen, genießen hier einen erheblichen Wettbewerbsvorteil. Gleiches bei den Brokern: Während ihr Ziel, das für den Versicherten bestmögliche Ergebnis bei der Deckungsposition zu erreichen, auch mit Blick auf den vermehrten Austausch zu Neuerungen im Deckungsgefüge unverändert bleibt, bleiben muss und stets eine wettbewerbsorientierte Ansprache des Markts erfolgt, wächst deren Funktion als Sammelstelle für Informationen und Innovationen für sämtliche Berater im Markt.

Illustration: © Erstellt mit ChatGPT

Regelmäßig sind es daher die Broker, die den Beratern oder den Versicherten bestimmte Marktchancen oder Innova­tionen beim Produkt (z.B. neue synthe­tische Lösungen) überhaupt erst zugänglich machen. Das ist in jeder Hinsicht
zu begrüßen. Nur durch eine solche ­Zentralansprache lassen sich Innovationen des Produkts flächendeckend und ­zügig platzieren. Underwriter tragen durch ihre individuellen Kontakte, ins­besondere zu Private-Equity-Häusern und Strategen, zwar dazu bei, dass diese ­Themen bekannter werden, verweisen dann aber regelmäßig auf die Broker, die dazu umfassend Auskunft geben können, da nur sie den Gesamtüberblick haben. Man sollte zudem nicht unterschätzen, wie positiv sich diese Ordnungsaufgabe der Broker auf die Weiterentwicklung des Produkts auswirkt, da nur sie in der Lage sind, verschiedene Ideen der Underwriter zu kanalisieren und als Produktergänzungen entsprechend zu platzieren. Ideen, die meist nur wenige Underwriter im Markt anbieten wollen und dann auch ggf. nur kurzfristig, unter Druck oder in eng umgrenzten Sondersituationen, haben meist eine kurze Halbwertszeit und tragen, wenn individuell und vielfach überoptimistisch durch Underwriter bei den eigenen Geschäftskontakten platziert, meist nur zu Verwirrung und Misstrauen in die Marktmechanismen bei. Beispiele hierzu gibt es auch im DACH-Markt unzählige.

Kundenbindung und ­Effizienzpotenzial

Im Idealfall sorgt eine erfolgreich versicherte Transaktion auch bei zukünftigen Deals für den Einsatz des W&I-Produkts. Die Kontinuität des Einsatzes von Versicherungslösungen und insbesondere die Verlässlichkeit der Deckungspositionen sind hier entscheidende Treiber für zusätzliche Innovationslösungen. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Versicherter gleich die absoluten Speziallösungen hinzukauft, wenn er zuvor keinerlei Transaktionserfahrung unter Verwendung von W&I-Lösungen sammeln konnte. Hingegen steigen die Bereitschaft und auch die Erwartungshaltung für Sonderlösungen bei Wiederholungsdeals in derselben Konstellation mit denselben Beteiligten exponentiell.

Dafür ist es erforderlich, dass die Marktteilnehmer ohne wesentliche Störgeräusche vertrauensvoll zusammenarbeiten können, ohne gleichzeitig den Blick für ihre Interessen aus den Augen zu verlieren. Wenig hilfreich sind vollmundige Versprechungen im Vorfeld der Trans­aktion, die sich nicht oder nur kaum ­halten lassen und dann das einmalige ­Kooperieren im Ausnahmefall erfordern. Schwieriger noch sind Positionen, die auf Non-Binding-Indication-(NBI-)Ebene noch bedingungslos und unkritisch gegeben wurden und sich dann während des ­Underwriting-Prozesses nicht mehr halten lassen. Auch hier wirken die Berater, wenn sie über die nötige Erfahrung verfügen, regulierend ein, etwa wenn bereits früh klar wird, dass die Offenlegungsdichte der Informationen für eine bestimmte Deckung überhaupt nicht erzielt werden kann. Zu häufig scheuen Marktteilnehmer an dieser Stelle klare Aussagen und verlassen sich darauf, dass es schon irgendwie hingebogen werden kann.

Dies führt aber wie eingangs erwähnt zu Folgethemen, wenn es um Kontinuität des Produktportfolios der Versicherer/MGAs oder um das Vertrauen in die ­Akteure und/oder die Marktmechanismen geht. Vor einem Denken isoliert von Transaktion zu Transaktion und einem aggres­siven Durchboxen von Einzelinteressen kann nur gewarnt werden – oft sind es nämlich die Versicherten, die derlei ­aggressives Vorgehen überhaupt nicht wollen oder ins Hintertreffen geraten, wenn es bei Folgetransaktionen heißt, dass bestimmte Deckungen nicht (mehr) möglich sind. Nach der bereits angesprochenen kürzlich erfolgten Umfrage unter Entscheidungsträgern ist dies aktuell die größte Sorge bei Versicherten, da auch dort etwa ein General Counsel erhebliche Probleme bekommen kann, wenn im Zuge der Berichtslinien offengelegt werden muss, dass die Deckungsposition X/Y nicht erzielt werden konnte. Dies hat, wie man hört, durchaus Dominoeffekte im Markt und lässt die Beteiligten meist mit dem Gefühl zurück, dass hier das Zusammenspiel nicht wirklich effizient und nachhaltig war.

Fazit

W&I-Lösungen sind für viele Strategen und Private-Equity-Häuser unverzichtbar geworden. Nur so lassen sich die erforderliche Geschwindigkeit und ein sauberer Austritt der Verkäuferseite erreichen. Die Marktbeteiligten sind auf dem besten Weg, diesen Effekt für das Vorantreiben von Innovationen zu nutzen. Entscheidend dabei bleibt deren Qualität und die kontinuierliche gegenseitige Information zu Neuerungen und Erfahrungen.

Autor/Autorin

Dr. Marco Niehaus

Dr. Marco Niehaus,LL.M. (Cambridge), LL.M. Eur. ist Geschäftsführer und Head of M&A für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH) beiAcquinex. Vor seiner Bestellung als Geschäftsführer war er langjähriger Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Norton Rose Fulbright LLP. Insgesamt blickt er auf mehr als 15 Jahre Transaktionserfahrung vor allem in den Bereichen Strategic M&A und PE-Investments (Sell Side und Buy Side) bei verschiedenen Großkanzleien zurück und veröffentlicht regelmäßig zu den Themen Corporate/M&A, Private Equity und W&I.