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Wie wichtig sind die Gründerteams?
Quensel: Wenn wir mit Investoren in Kontakt treten, hören wir häufig auch: „Wir investieren nicht in Themen, wir investieren in Personen!“ Es hängt auch an den Personen – die brennen für ihre Themen. Letztlich kann ein Team auf der Gewinnerseite sein, welches noch nicht einmal die beste Idee präsentiert, am Ende aber ganz vorne mit dabei ist.
Bachmann: Der wichtigste Faktor ist der Markt: Kann diese Technologie in einen wichtigen Markt verkauft werden? Bei den Teams beobachten wir mehr und mehr, dass sich kommerzielle Teammitglieder mit Forschern zusammentun. Diese kommerziell orientierten Menschen haben vielleicht nicht den wissenschaftlichen Hintergrund oder das Know-how, sie verfügen aber über eine vergleichbare Passion, ein Produkt zum Erfolg zu führen.
Seegers: Die Teams, die einen überzeugen, sind zumeist jene, die breiter aufgestellt sind. Also nicht nur Wissenschaftler oder Industrieexperten, sondern jene Teams, die über eine wissenschaftliche und kaufmännische Expertise gleichermaßen verfügen. Diese Breite ist aus Investorensicht gerade bzgl. des Business Developments und der Unternehmenssteuerung von hoher Wichtigkeit. Letztlich muss beides zusammenkommen: eine gute Idee und ein gutes Team.

Wie ist die Investorenszene in Berlin aufgestellt? Wer investiert hier am Standort?
Seegers: Wir begegnen hier den üblichen Namen, etwa Forbion, Life Science Partners oder Boehringer Ingelheim. Letztlich ist es für uns nicht entscheidend, wo der Investor mit seinem Fondsmanagement ansässig ist, sondern dass er sein Kapital in Berliner Start-ups investiert. In Berlin sehen wir im Bereich der Family Offices viel Bewegung in der Seed-Finanzierung mit Tickets bis zu einer Größenordnung von rund 250.000 EUR. Als Early-Stage-Investor gelingt es uns in Berlin gut, Seed-Finanzierungen oder Series-A-Finanzierungsrunden zusammenzustellen. Die Herausforderungen im Bereich Healthcare sind dann eher die Folgefinanzierungen über 5 Mio. bis 10 Mio. EUR.
Bindseil: Ich glaube, dass wir in Zukunft den reinen Biotech- oder Life-Sciences-Investor nicht mehr sehen werden. Schauen wir das Beispiel Heal Capital an: Hier investieren private Krankenkassen in Gesundheit. Die Digitalisierung führt zu einer weiteren Aufweichung, wo klassische Biotechs zunehmend auch in Bereiche wie Diagnostik oder KI hineinschauen.
Bachmann: Ich glaube, dass Fonds, die bislang einen Schwerpunkt im Bereich der Digitalisierung gesetzt haben, künftig vermehrt in Biotech investieren werden. Das Bewusstsein steigt, dass bahnbrechende Finanzierungen weniger im Digital-Health-Bereich, sondern mehr in der klassischen Biotechnologie möglich sind.

Herr Dr. Fischer, war und ist es für Sie eine besondere Herausforderung, Investoren anzusprechen und für sich zu gewinnen?
Fischer: Besonders für Ausgründungen in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung ist es in der Tat nicht einfach, die notwendige Aufmerksamkeit bei Investoren zu erlangen. Sehr hilfreich sind öffentlich geförderte Konstrukte, die in der Lage sind, eine Brücke zwischen VC und Akademie zu bauen. Positiv zu bewerten ist auch die öffentliche Hand, die über Gesellschaften wie die IBB in Berlin oder den High-Tech Gründerfonds in der Lage ist, Risikokapital zu denselben Bedingungen zur Verfügung zu stellen wie private Risikokapitalgesellschaften. Für die nachhaltige Entwicklung eines Biotechhubs ist der Vernetzungsaspekt wichtig. Hier spielt Masse eine entscheidende Rolle: Je mehr Talente oder Unternehmen vor Ort sind, desto mehr kann man tatsächlich verknüpfen und dynamisch entwickeln. Ein Bayer CoLaborator ist eine gute Idee, aber in vergleichbaren Einrichtungen in Boston sind bis zu 200 Mieter.

Welche Rolle spielen Corporate VCs?
Seegers: Corporate VCs spielen in Deutschland eine wichtige Rolle, insbesondere bei Drug-Development-Start-ups, da für diese in Deutschland immer noch relativ wenig Wagniskapital zur Verfügung steht. Corporate VCs sind in Deutschland ein bedeutender Player in der Start-up-Finanzierung.

Trotz strategischer Interessen?
Seegers: Es kommt darauf an, ob dieses Interesse im Vordergrund steht. Wenn Corporates gemeinsam mit Venture-Capital-Investoren in Start-ups investieren möchten, dann geht das nur zu klassischen Investorenbedingungen. Darauf haben sich inzwischen viele Corporates eingestellt.
Vlachou: Die Corporates sehen immer mehr, dass ihnen Finanzinvestoren mehr Möglichkeiten geben, Innovationen gemeinsam zu finanzieren und somit auch deren Risiko zu teilen. Natürlich steigt ein Corporate VC am ehesten dann ein, wenn das Thema dem Mutterkonzern ins Portfolio passt. Hervorzuheben ist auch die hohe fachliche Expertise durch den Rückgriff auf Ressourcen des Mutterkonzerns.
Fischer: Wenn ein klares Interesse seitens eines Pharmakonzerns besteht, ist es natürlich viel einfacher, weiteres Geld zu generieren. Die entscheidende Frage ist: Gibt es einen Markt für meine Produktentwicklung? Für Biotechfirmen ist dies im ersten Schritt weniger der Markt mit einem zugelassenen Produkt für Patienten, sondern eher der Zugang zum Kapitalmarkt bzw. zu anderen Pharmaunternehmen.
Bachmann: Genau das ist der Trigger für Corporate-Investoren. Können Corporates das Risiko eines Investments aufgrund ihrer fachlichen Expertise besser einschätzen als klassische VC-Investoren – oder können sie aus demselben Grund eher den Wert eines Unternehmens aufbauen? Aus meiner Sicht ist die Finanzierung mit Corporate VC in der DACH-Region in den letzten zehn Jahren einfacher geworden. Gleichzeitig ist das Risiko geringer geworden, sich in überbordenden strategischen Diskussionen mit Corporates zu verlieren.