Bildnachweis: GoingPublic Media.

Inwieweit verändert die aktuelle Situation Ihre Arbeit als Investor?
Vlachou: Natürlich bleiben wir nicht auf unserem Geld sitzen; wir können weiterhin interessante Projekte unterstützen und finanzieren. Allerdings sorgt der beschriebene Verzug bei einigen Portfoliounternehmen für einen erhöhten Kapitalbedarf. Es gibt ja keinen Pausenknopf. Auch wenn aktuell beispielsweise kein Patient für eine klinische Studie eingeschlossen wird, gibt es dennoch laufende Kosten. Und dann kommt der Tag X, an dem zwar das Geld aufgebraucht ist, das Projekt aber noch nicht den eigentlich vorgesehenen Status erreicht hat. Weiterhin verschieben sich vorgesehene Finanzierungsrunden, weil Investoren, die ursprünglich schon ihre Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit signalisiert haben, sich erst einmal um ihre eigenen Portfolios kümmern.

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang die Konjunkturmaßnahmen des Bundes zur Unterstützung von wagnisfinanzierten Unternehmen?
Vlachou: Mit seinem Zweisäulenprogramm will der Bund einerseits VC-Fonds finanziell stärken und andererseits wird Risikokapital in Zusammenarbeit mit Landesgesellschaften zur Verfügung gestellt. Aus unserer Sicht wurde die finanzielle Unterstützung seitens der VC-Fonds bislang weniger in Anspruch genommen – auch weil die Fonds noch über relativ viel Kapital verfügen. Die zweite Säule, also die Bereitstellung von Risikokapital direkt für Unternehmen, muss noch implementiert werden. Uns erreichen in der Tat Anfragen von Unternehmen mit Finanzierungsbedarf, diese Finanzierungshilfe in Anspruch zu nehmen. Es muss sich noch zeigen, wie diese zweite Säule in der Praxis umgesetzt werden kann. Hier liegt es nun in der Verantwortung der Landesinstitute, die zweite Säule des KfW-Programms umzusetzen und an Unternehmen auszureichen, die in der Tat durch Corona in eine Krise geraten sind.
Seegers: Es ist sehr wichtig, dass diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ohne diese Mittel hätte man ein deutlich größeres Problem am Markt. Ich gehe davon aus, dass die bereitgestellten Mittel auch abgerufen werden. Viele Fonds konzentrieren sich gerade auf die Absicherung ihrer Portfoliounternehmen. Neben Biotechfirmen mit laufenden klinischen Studien hat die Krise auch Start-ups stark getroffen, deren Kunden Krankenhäuser sind. Die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern war monatelang auf Eis gelegt, weil man sie gar nicht mehr betreten durfte und keine Demostellungen von Geräten oder Software möglich waren. Da gibt es Unternehmen, die von heute auf morgen einen großen Umsatzeinbruch hatten bzw. deren Neuakquisition komplett zusammengebrochen ist.
Bachmann: Ein Knackpunkt ist, dass in der Säule eins nur registrierte Fondsmanager auf das Geld des Bundes Anspruch haben. Als US-Fonds sind wir aber nicht nach den geltenden Richtlinien registriert. Wir haben zwar während der Krise in Deutschland investiert; Anspruch auf die Gelder des Bundes haben wir aber nicht. Entscheidend ist aus meiner Sicht aber nicht, welche Wege das Geld nimmt, sondern dass es tatsächlich bei den betroffenen Unternehmen ankommt. Hier hoffe ich, dass die Säule zwei zum Tragen kommt.

Julius Bachmann, Joyance Partners. Quelle: GoingPublic Media.

Herr Dr. Fischer, Herr Dr. Lorenz – wie ist Ihre Sicht als Unternehmer auf dieses Thema?
Fischer: Corona bedingt einen höheren Kapitalbedarf, weil Studien länger dauern und Meilensteine erst später erreicht werden können. Auch viele unserer akademischen Partner befinden sich weiterhin im Shutdown und wir bekommen nicht die erforderlichen Daten, auf die wir angewiesen sind. Ich hoffe, dass die Maßnahmen des Bundes greifen, denn für den deutschen Biotechstandort ist es immens wichtig, dass weiter investiert wird.
Lorenz: Da wir noch am MDC angesiedelt sind, war es für uns eine schwierige Situation, als von einem auf den anderen Tag sämtliche Labore geschlossen wurden. Auf einmal können Zeitschienen nicht mehr eingehalten werden. In unserem Fall hoffen wir, dass wir den nötigen Kapitalbedarf mithilfe des BMBF als Förderer von GO-Bio abfedern können.

Bringt Corona einen zusätzlichen Push für die Metropolregion Berlin?
Quensel: Corona bringt natürlich einen generellen Push für die Biotechnologie in Deutschland, aber auch speziell für Berlin. Wir haben aber schon seit dem Brexit gemerkt, dass das Interesse am Standort angestiegen ist. Berlin ist mehr denn je ein sehr internationaler Standort in Zentraleuropa – das gilt auch für den Campus. Corona hat allerdings dazu geführt, dass noch dezidierter darauf geschaut wird, was wo am effizientesten entwickelt und produziert werden kann. Wo finde ich die geeigneten Partner in der akademischen Forschung oder in der Produktion und im Vertrieb? Wo bestehen gute Synergieeffekte? Ein weiterer interessanter Effekt: Wissenschaftliche Ergebnisse werden viel offener diskutiert und veröffentlicht. Die Zurückhaltung von früher ist merklich zurückgegangen. Im Moment registrieren wir eine viel größere Bereitschaft zur Kooperation, die man hoffentlich künftig auch in der Wirtschaft spüren wird.
Bindseil: Unser Haus verantwortet ja das Ansiedlungsgeschäft in Berlin über alle Branchen. Wir registrieren Corona momentan als Katalysator für alle Trends, die wir schon zuvor gesehen haben. Auch große Pharmafirmen wollen ein Headquarter in Berlin. Ein großer Aspekt ist auch die Hauptstadtfunktion. Die Vernetzung, vor allem zwischen Universitäten, außeruniversitärer Forschung und Wirtschaft, funktioniert in Berlin besser als bei vielen anderen Mitbewerbern in Europa.