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BioNTech bietet 5,46 USD je Aktie für den Tübinger Konkurrenten. Mit der Akquisition setzt der Entwickler des Covid-19-Impfstoffs auf noch mehr Expertise bei Krebsimpfstoffen auf Basis der mRNA-Technologie. Von Stefan Riedel

Die deutsche Biotechbranche steht vor der größten Übernahmedeal seit der 2,7 Mrd. USD schweren Akquisition von MorphoSys durch den Schweizer Pharmakonzern Novartis, die Anfang 2024 abgeschlossen wurde. Biotech-Schwergewicht BioNTech bietet 5,46 USD je Aktie für die Tübinger Konkurrenten CureVac. Das Übernahmeangebot erfolgt in US-Dollar, weil beide Firmen an der Nasdaq gelistet sind. Aus diesem Kaufpreis ergibt sich für CureVac ein Börsenwert von 1,25 Mrd. USD. Nimmt man den volumengewichteten durchschnittlichen Aktienkurs der letzten drei Monate, ergibt sich aus der Offerte für die CureVac-Aktie ein Aufschlag von 55%.

Übernahmewährung Aktie

Bei der Umsetzung wird jede CureVac-Aktie in American Deposity Shares, kurz ADS, von BioNTech umgetauscht. Die Vorstände und Aufsichtsräte der beiden Gesellschaften haben dem Deal bereits zugestimmt. Der Abschluss der Transaktion ist für Ende 2025 geplant. Danach werden die CureVac-Aktionäre voraussichtlich 4 bis 6% an BioNTech halten – immer vorausgesetzt, dass die Mindestannahmeschwelle von 80% der Curevac-Aktien erreicht wird.

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„Diese Transaktion ist für uns ein weiterer Baustein in BioNTechs Onkologie-Strategie und eine Investition in die Zukunft der Krebsmedizin. Mit der Übernahme stärkt BioNTech ihre Fähigkeiten in der Erforschung, Entwicklung, Herstellung und Kommerzialisierung von mRNA-basierten Krebsimmuntherapie-Kandidaten“, feiert Ugur Sahin, der Vorstandsvorsitzende von BioNTech, in der Pressemitteilung den Deal. Ziel sei es, mit dem Zusammenbringen von komplementären Fähigkeiten und Technologien „die Entwicklung von innovativen und transformativen Krebsbehandlungen voranzutreiben und in den kommenden Jahren neue Behandlungsstandards für verschiedene Krebsarten zu etablieren.“

Für Alexander Zehnder, den Vorstandschef von CureVac, ist die Transaktion „weit mehr als nur ein geschäftlicher Schritt.“ Sie unterstreiche die gemeinsame Entschlossenheit, das volle Potenzial von mRNA als wegweisende Technologie zu nutzen. „Seit über zwei Jahrzehnten verfolgen beide Unternehmen ähnliche Ziele und sind dabei oft Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln angegangen. Mit dieser Transaktion wollen wir komplementäre wissenschaftliche Kompetenzen, proprietäre Technologien und Fertigungskompetenz im Bereich mRNA unter einem Dach vereinen.“

Synergien bei mRNA-Arzneien

Über die mRNA-Technologie lässt sich mit molekularen Botenstoffen in menschlichen Zellen eine Immunantwort herstellen. Der Vorteil der mRNA-Botenmoleküle ist, dass sie wie eine Spezialsoftware immer denselben körpereigenen Produktionsprozess in Gang setzen. Bei der Entwicklung von Impfstoffen entfällt damit die zeitaufwendige Identifikation von biologischen Molekülen als geeignete Zielmoleküle. Dadurch verringert sich das Risiko von Nebenwirkungen, wie sie durch Viruspartikel ausgelöst werden können. Darüber hinaus lassen sich RNA-Impfstoffe sehr schnell produzieren, weil anders als bei herkömmlichen Vakzinen die oftmals langwierige Herstellung von abgeschwächten oder abgetöteten Erregern entfällt. mRNA-Impfstoffe können deshalb rasch angepasst und schnell in größeren Mengen produziert werden, wenn das Virus mutiert.

Aus der mRNA-Technologie von BioNTech entstand während der Coronapandemie der weltweit meistverkaufte Impfstoff gegen Covid-19. CureVac war mit seinem Impfstoffkandidaten dagegen kein Erfolg beschieden.  2024 verkaufte das Unternehmen die Rechte an Corona- und Grippeimpfstoffen an den Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) und strich 300 von insgesamt 1100 Arbeitsplätzen. Aus dem Deal erhielt Curevac eine Vorabzahlung von über 400 Mio. EUR. Dazu kommen erfolgsabhängige Zahlungen von mehr als 1 Mrd EUR sowie im Falle einer Produktzulassung Lizenzzahlungen im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich.

Wie BioNTech wollte CureVac Krebsimpfstoffe entwickeln. Ein Impfstoff zur Behandlung von reseziertem Glioblastom befindet sich aktuell in der klinischen Phase 1. Ende März verfügte das Unternehmen über 438,3 Mio. EUR an Cashreserven. In der zweiten Jahreshälfte sollen die ersten klinischen Daten der Glioblastoma-Studie vorliegen und die Grundlage für die Entscheidung bilden, ob das Produkt mit einer Wirksamkeitsstudie in der klinischen Phase 2 weiterentwickelt wird.

Hauptaktionär stimmt zu

Die Anteilseigner von CureVac sollen in einer außerordentlichen Hauptversammlung über die Transaktion entscheiden. Der mit 36,76% der Anteile größte Aktionär, die von SAP-Gründer Dietmar Hopp gegründete dievini Hopp BioTech holding GmbH&Co. KG, hat BioNTech zufolge Andienungs- und Unterstützungsverfahren abgeschlossen. Gespannt darf man sein, ob die Bundesregierung als zweitgrößter Aktionär diesem Schritt folgt. Der deutsche Staat hält ist seit 2020 über eine Kapitalbeteiligung in Höhe von 300 Mio. EUR über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu 13,32% an CureVac beteiligt.

Stimmen die beiden größten Aktionäre zu, würde BioNTech 50,08% der CureVac-Aktien halten. Die erforderliche Mindestannahmeschwelle liegt bei 80%. Für BioNTech würde eine erfolgreiche Übernahme auch den jahrelangen Patentstreit mit CureVac clever lösen. Zuletzt hatte das Europäische Patentamt einen Einspruch von BioNTech vom April 2023 gegen die Gültigkeit eines Patents zurückgewiesen.

Weniger zufrieden mit dem Deal werden die Anleger sein, die seit mehr als einem Jahr bei CureVac investiert sind. Seit ihrem Allzeithoch bei 87,04 EUR von Ende 2020 ist die Aktie tief gefallen. Gut denkbar ist, dass Aktionärsschützer mit dem Patentportfolio von CureVac und den möglichen Zahlungen von GSK eine Wertberechnung von CureVac vornehmen. Wer die Aktie hat, sollte sie deshalb erst einmal halten.

Autor/Autorin

Stefan Riedel
Freier Redakteur at Büro für Kommunikation

Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.