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Mit dem Antritt der neuen österreichischen Bundesregierung stellen sich für den Kapitalmarkt zentrale Fragen: Welche politischen Weichenstellungen sind in Österreich zu erwarten, und wie wirken sich diese auf Unternehmen und den Kapitalmarkt per se aus? Ein Blick auf Herausforderungen, Potenziale und konkrete Anforderungen aus Sicht des Kapitalmarkts.
Ein Regierungswechsel bringt stets Unsicherheit, aber auch neue Chancen mit sich – das gilt besonders für den Kapitalmarkt. Seit einigen Wochen ist die neue österreichische Bundesregierung im Amt. Erste Akzente lassen erkennen, dass dem Finanzplatz eine gewisse Priorität eingeräumt wird. Das Regierungsprogramm enthält mehrere konkrete Vorhaben, die – sofern konsequent umgesetzt – Impulse für den Kapitalmarkt setzen könnten.
Ein europäisches Signal
Ein stabiler und starker Finanzmarkt wird im Regierungsprogramm explizit als Teil eines erfolgreichen Wirtschafts- und Beschäftigungsstandorts genannt. Dieses Bekenntnis ist begrüßenswert, denn die Rolle des österreichischen Kapitalmarkts bei der effizienten Allokation von Kapital darf nicht unterschätzt werden, insbesondere in einer zunehmend technologie- und investitionsgetriebenen Wirtschaft. Die Ankündigung, man wolle allen Menschen den Zugang zu Finanzdienstleistungen und zum Kapitalmarkt ermöglichen, zielt auf eine breitere Partizipation ab. Es ist äußerst begrüßenswert, dass die neue Regierung verstärkt auf eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung am Kapitalmarkt setzt, gerade weil dieser in Österreich traditionell mit Skepsis betrachtet wird und sich nie wirklich großer Beliebtheit erfreut hat.
Die Bundesregierung bekennt sich zudem zur europaweiten Vertiefung der Kapitalmärkte und unterstützt damit die Kapitalmarktunion – ein zentrales Projekt der EU zur Vereinheitlichung von Regeln, zur Erleichterung von Investitionen und zur Stärkung grenzüberschreitender Finanzströme. Die österreichische Unterstützung dieses Vorhabends ist nicht nur ein europäisches Signal, sondern auch ein notwendiger Schritt, um nationale Interessen in Brüssel aktiv einzubringen.
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Erleichterungen bei Wagniskapital
Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Weiterentwicklung des Wagniskapitalfondsgesetzes. Die angekündigte Evaluation und Anpassung an internationale Best Practices ist ein Schritt in die richtige Richtung. Österreich hinkt bei der Verfügbarkeit von Wagniskapital im internationalen Vergleich hinterher. Eine Reform könnte nicht nur Start-ups, sondern auch wachstumsorientierten Mittelständlern den Zugang zu Kapital erleichtern. Besonders wichtig wird dabei sein, regulatorische Komplexität zu reduzieren und gleichzeitig einen wirksamen Anlegerschutz zu gewährleisten.
Die Regierung plant zudem einen laufenden Dialog mit der Wiener Börse, um bestehende Barrieren für Börsengänge, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, zu identifizieren und abzubauen. Dieses Vorhaben adressiert ein seit Jahren bekanntes Problem: Der österreichische IPO-Markt bleibt im europäischen Vergleich zurückhaltend, obwohl es zahlreiche potenzialträchtige Unternehmen gäbe. Derzeit notieren nicht einmal 80 heimische Unternehmen an der Wiener Börse – eine Zahl, die verdeutlicht, wie groß das unausgeschöpfte Potenzial ist. Um den Kapitalmarkt als Finanzierungsquelle attraktiver zu machen, braucht es niedrigere Hürden – sowohl für den Börsengang selbst als auch für ein geordnetes Delisting. Letzteres ist besonders für kleinere Unternehmen von Bedeutung, die sich unter veränderten Rahmenbedingungen oder nach einer Reifephase gegen die Börse entscheiden möchten, ohne unverhältnismäßige bürokratische Lasten tragen zu müssen.
Forderungen an neue Bundesregierung
Das Regierungsprogramm betont die Bedeutung einer fairen Regulierung, transparenter Regeln und einer starken, unabhängigen Finanzaufsicht. Diese Grundsätze sind zentral, um Vertrauen in den Markt zu sichern – sowohl auf Investorenseite als auch bei Emittenten. Die angekündigte Stärkung der Finanzaufsicht ist grundsätzlich positiv zu sehen, sofern sie mit Augenmaß erfolgt und keine zusätzliche Regulierungslast herbeiführt.
Aus Sicht kapitalmarktorientierter Unternehmen und Anleger:innen ergeben sich folgende zentrale Erwartungen an die neue Bundesregierung:
- Die Politik sollte für Planungssicherheit und Kontinuität sorgen. Unternehmen und Investor:innen brauchen langfristig verlässliche Rahmenbedingungen, um Investitionsentscheidungen treffen zu können. Unerwartete politische Richtungswechsel oder häufige Anpassungen regulatorischer Vorgaben können hier kontraproduktiv wirken.
- Rechtssicherheit ist ein entscheidender Faktor für einen funktionierenden Kapitalmarkt. Gesetze und Regelwerke müssen klar, konsistent und nachvollziehbar sein – sowohl für inländische als auch für internationale Akteure.
- Der Zugang zum Kapitalmarkt muss weiter verbessert werden. Dazu gehören nicht nur Maßnahmen zur Vereinfachung von Börsengängen, sondern auch der Abbau bürokratischer Hürden und eine stärkere Förderung von Finanzbildung, um die Kapitalmarktkultur insgesamt zu stärken.
- ESG-Kriterien und Digitalisierung sollten nicht mit zusätzlichen bürokratischen Belastungen einhergehen. Stattdessen braucht es pragmatische und umsetzbare Vorgaben, die sowohl den Zielen nachhaltiger Entwicklung als auch den wirtschaftlichen Realitäten Rechnung tragen.
- Die angekündigte Förderung von Börsengängen sollte zeitnah konkretisiert werden. Evaluierungen dürfen nicht im Sand verlaufen, sondern müssen zu spürbaren Erleichterungen für interessierte Unternehmen führen.
- Die Kapitalmarktpolitik sollte kohärent und ressortübergreifend abgestimmt sein. Nur wenn Finanz-, Wirtschafts- und Digitalpolitik ineinandergreifen, kann der Kapitalmarkt als Instrument für Wachstum, Innovation und Wohlstand seine volle Wirkung entfalten.
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Fazit
Die neue Bundesregierung hat mit ihrem Programm eine grundsätzliche Offenheit gegenüber dem Kapitalmarkt signalisiert. Das ist ein wichtiger Schritt in einem Land, in dem Aktienkultur und Kapitalmarktpartizipation historisch schwach ausgeprägt sind. Die angekündigten Maßnahmen – von der Stärkung der Finanzaufsicht bis hin zur Reform des Wagniskapitalgesetzes – zeigen in die richtige Richtung. Entscheidend wird nun sein, ob aus den politischen Bekenntnissen konkrete, mutige Schritte folgen. Denn nur durch klare Rahmenbedingungen, weniger Hürden und gezielte Bildungsoffensiven kann Österreich sein Kapitalmarktpotenzial heben – zum Vorteil von Unternehmen, Anleger:innen und dem Standort insgesamt.
Autor/Autorin
Elisabeth Sauritschnig
Elisabeth Sauritschnigstudierte Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien. Ihre Karriere führte sie von Anwaltskanzleien über den Österreichischen Wirtschaftsbund und das Parlament bis zur Büroleitung im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Nun engagiert sie sich als Geschäftsführerin der Julius Raab Stiftung in wirtschaftlichen und politischen Projekten.