Kulturdimensionen nach Geert Hofstede
Kulturdimensionen nach Geert Hofstede

Ist noch etwas für US-amerikanische Zielgruppen elementar?
Das Gesamtbild. Man möchte nicht nur die Mitarbeiter kennenlernen, sondern auch die Kunden und Nutzer der Produkte. Ich verwaltete meine Anlagen selbst. Wenn ein Bericht schon auf den ersten Seiten langweilig war, las ich nicht weiter. Es ist wie bei einem Roman. Wenn das erste Kapitel nicht gut ist, legt man das Buch beiseite.

Das ist interessant. Ich habe von einigen Kollegen hier in Deutschland gehört, dass der Geschäftsbericht eher ein Nachschlagewerk ist, das nie von Anfang bis Ende gelesen wird.
Nun ja, das ist im Hinblick auf Fakten auch richtig. In den USA setzen Analysten deshalb auf das Formular 10-K. Doch darin liegen eben die großen kulturellen Unterschiede: In den USA geht es um Emotionen, in Deutschland um Zahlen und Fakten.

Und wer liest dann die deutschen Berichte: nur Analysten?
In der Regel ja. Aber auch das ändert sich. 2015 hielten in Deutschland 13% der Bevölkerung Aktien. Diese Zahl war früher noch weitaus geringer. Anlagen müssen für Deutsche immer mit einem gewissen Maß an Sicherheit verbunden sein. Laut einer Gallup-Umfrage besitzen dagegen 52% der US-Amerikaner Aktien.

Das heißt also, dass es in Deutschland kein großes Publikum gibt, dem der Marketingaspekt wichtig ist, weil die Risikobereitschaft gering ist?
Im Prinzip ja. Aber wir machen unseren Kunden immer wieder deutlich, dass 55% der DAX-Anleger aus dem Ausland stammen. Deutsche Firmen sollten daher die englische Ausgabe ihrer Berichte nutzen, um eine Verbindung zu den Anlegern zu schaffen. US-amerikanische Analysten erwarten Effizienz, und die Berichte sind ein Musterbeispiel aus Zahlen und Fakten. Aber es geht nicht nur um die Berichte.

Sondern?
Es beginnt bereits viel früher. Man muss zunächst überhaupt das Interesse der Anleger an einem Bericht wecken. Siemens, BMW und Deutsche Bank sind große Namen und sichere Anlagen, die in den USA bekannt sind. Die weniger bekannten müssen dagegen viel mehr investieren, um US-Anleger zu erreichen. Wenn diese Firmen internationale und insbesondere US-amerikanische Anleger ansprechen möchten, sollten sie Roadshows veranstalten und diese persönlicher gestalten und den Menschen ihr Unternehmen näher bringen, d.h. die USA bereisen, Analysten treffen und das Unternehmen vorstellen, sodass die Analysten wissen, wer dahinter steht. Erst dann wird der Geschäftsbericht relevant.

Man braucht also ein zweigleisiges Konzept: eine intensive, personalisierte Marketingstrategie und eine emotionale Verbindung über den Geschäftsbericht.
Exakt. Von Emotionen über Reisen in die USA bis hin zur persönlichen Vermarktung – es ist ein ganzheitlicher Prozess.

Herr Dawoodjee, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Das Interview führte Robert Steininger.

Der Beitrag ist eine Vorabveröffentlichung aus dem GoingPublic-Special „Geschäftsberichte & Trends 2016“.

Foto: © Rawpixel.com/fotolia.com

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