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Der Pharmagigant will mit der Übernahme Zugriff auf den größten Hoffnungsträger der Biotechfirma bekommen. Über den Kaufpreis sollte noch nicht das letzte Wort gesprochen sein.

Mit der angekündigten Übernahme von MorphoSys durch Novartis verschwindet ein weiteres etabliertes deutsches Biotechunternehmen von den Kurslisten der Frankfurter Börse. 2,7 Mrd. EUR, das sind 68 EUR je Aktie, legt der Schweizer Pharmakonzern für das 1992 gegründete und seit 1999 an der Börse gelistete Unternehmen auf den Tisch. Das entspricht weniger als die Hälfte der 152,50 EUR, die der Aktienkurs im Dezember 2019 drei Monate nach dem Antritt von Vorstandschef Jean-Paul Kress erreichte. Wer die Aktie nach dem Kurssturz auf unter 20 EUR im Jahr 2022 gekauft hat, kann sich dagegen über eine schöne Rendite freuen.

Der Aktienkurs von MorphoSys näherte sich zur Handelseröffnung dem Kaufpreis, ehe im Verlauf des Vormittags ein Teil der Kursgewinne abbröckelte. Offensichtlich warten die Anleger die Telefonkonferenz ab, die Vorstandschef Jean-Paul Kress für 14.00 Uhr MEZ angekündigt hat. Novartis beabsichtigt, die Transaktion bis zur Jahresmitte abzuschließen.

Ob der Übernahmepreis angemessen oder zu niedrig ist, wird unter den MorphoSys-Aktionären in den nächsten Wochen und Monaten ein Diskussionsthema bleiben.

MorphoSys: Hoffnungsträger mit Fragezeichen

Mit dem Deal sichert sich Novartis die künftige Vermarktung von Pelabresib. MorphoSys hat den Wirkstoff zur Behandlung von Myelofibrose entwickelt. Gegen diese Störung der Blutbildung im Knochenmark hat Novartis mit Jakafi seit 2012 ein Mittel auf dem Markt. 2022 erzielte Jakafi einen Umsatz von 388 Mio USD. Allerdings schlägt die Wirkung bei den Patienten nach drei bis fünf Jahren Behandlung immer weniger an. Pelabresib wiederum erfüllte bei den zulassungsrelevanten klinischen Studien nicht die Erwartungen. „Der optisch niedrige Kaufpreis reflektiert die gesenkten Umsatzerwartungen für Pelabresib, nachdem in den klinischen Studien der sekundäre Endpunkt nicht erreicht wurde“, meint Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment. „Ganz davon abgesehen, dass eine Zulassung in den USA durch die FDA im nächsten Jahr noch keineswegs sicher ist, wird das Produkt auf Basis der bisherigen Studienergebnisse wohl kaum das von MorphoSys erhoffte Blockbusterpotenzial einspielen.“

Auf Kritik stößt auch der Verkaufspreis für Monjuvi, das bislang einzige zugelassene Produkt von MorphoSys. Für 25 Mio USD gehen die künftigen Verkäufe von Monjuvi an den langjährigen Partner Incyte. 92 Mio USD Umsatz und damit 8% mehr als im Vorjahr erzielte 2023 die Krebstherapie zur Behandlung von B-Zell-Lymphomen. Zwei klinische Phase-III-Studien zur Indikationserweiterung sind noch am Laufen. Etliche Brancheninsider vermuten, dass MorphoSys zum Abschluss der Transaktion mit Novartis kartellrechtliche Bedenken der für den Verbraucherschutz in den USA zuständigen Federal Trade Commission, kurz FDC, aus dem Weg räumen wollte und sich deshalb schnell mit Incyte geeinigt hat.

Kontroverse Übernahmeprämie

Der Aktienkurs von MorphoSys näherte sich zur Handelseröffnung dem Kaufpreis, ehe im Verlauf des Vormittags ein Teil der Kursgewinne abbröckelte. Jedenfalls könnte beim Übernahmepreis noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Ob der 95% der Aktionäre dem Deal zustimmen und damit einem Squeeze-Out den Weg bereiten, ist alles andere als sicher. Gut denkbar wäre, dass Leerverkäufer und hier vor allem Hedgefonds die angedienten Aktien einsammeln und dann einen höheren Übernahmepreis einfordern. Gegenwind könnte dem MorphoSys-Management auch von aktivistischen Aktionären drohen. Privataktionäre sind auf jeden Fall gut beraten, fürs Erste bestenfalls Teilverkäufe zu machen und die weitere Entwicklung abzuwarten.

Going Public hält Sie zu den weiteren Entwicklungen bei der MorphoSys-Übernahme auf dem Laufenden.

Autor/Autorin

Stefan Riedel
Freier Redakteur at Büro für Kommunikation

Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.