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Das Unternehmen AFYREN hat mit dem europäischen AFTER‑BIOCHEM‑Projekt eine industrienahe Bioraffinerie errichtet, die seit Juni 2025 kontinuierlich hochwertige Carbonsäuren aus Zuckerreststoffen produziert und damit den Beweis für eine grüne, skalierbare Chemie geliefert. Was bedeutet das für den Markt? Von Urs Moesenfechtel

Die chemische Industrie steht unter massivem Druck: fossile Rohstoffe machen Produkte teuer und CO₂-intensiv. Europa sucht nach kreislauforientierten Alternativen, die Industrie und Umwelt gleichermaßen entlasten. Genau hier setzt AFYREN an – mit einer Technologie, die nicht nur innovativ, sondern auch marktfähig ist.

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Das in Clermont‑Ferrand gegründete Greentech‑Unternehmen AFYREN verfügt über ein proprietäres AFYNERIE®-Fermentationsverfahren, das nicht für den Verzehr bestimmte Biomasse‑Reststoffe (z. B. Zuckerreste) direkt in sieben organische Säuren und ein mineralisches Nebenprodukt umwandelt – ganz ohne GVO, 100 % kreislauffähig. Die Tochtergesellschaft AFYREN NEOXY betreibt die erste Industrieanlage auf der „Chemesis“-Plattform in Carling‑Saint‑Avold (Moselle, Frankreich).

AFTER‑BIOCHEM: Ein EU‑Vorzeigeprojekt

Zwölf Partner, ein Gesamtbudget von 33 Mio. EUR, davon 20 Mio. EUR EU-Förderungen – so lautet die Bilanz des Projekts AFTER‑BIOCHEM, das im Rahmen von Horizon 2020 und BBI JU lief. Über fünf Jahre (Mai 2020–April 2025) entwickelte sich ein skalierbares Model für industrielle Bioraffinerien. Unter AFYRENs Leitung entstand eine Anlage mit 16.000 t/Jahr Kapazität, 60 direkte und geschätzt 250 indirekte Arbeitsplätze.

Am 25. Juni trafen sich nun Partner und Vertreter der Förderagentur CBE JU in Metz und Carling, um den Abschluss des Projekts zu feiern. Die Anlage erreichte im Juni 2025 operative Reife – das erste Mal, dass alle Stufen der AFYNERIE®‑Technologie im Dauerbetrieb liefen. In den vergangenen Wochen wurden „Hunderte Tonnen biobasierter Säuren produziert“ und marktfähig gemacht, so das Unternehmen. Bereits 2024 verkaufte AFYREN die ersten, qualitätsgeprüften Chargen, bei gleichzeitigem Abschluss von Lieferverträgen im Wert von über 165  Mio. EUR für die kommenden Jahre.

Bonding mit Industriepartnern & Umweltbilanz

AFYREN arbeitet mit Südzucker (Zuckerrübennebenprodukte), SUEZ (Bioabfall), Terrial (Anbieter organischer Düngemittel), sowie Celanese, Kemin, Firmenich und anderen eng zusammen. Terrials Expertise (im Bereich organischer Düngemittel) wurde eingesetzt, um Verwertungswege für Nebenprodukte des Prozesses zu etablieren, beispielsweise Kompostierung oder das direkte Ausbringen auf Felder. Eine von SPHERA durchgeführte Lebenszyklusbewertung bescheinigt dem Prozess signifikante Umweltvorteile – eine bis zu 5-fach bessere Bilanz im Vergleich zu fossilen Referenzwerten .

Finanzierung und Wachstumsziele

AFYREN meldete zum Jahresende 2024 eine liquiden Mittelbasis von rund 33 Mio. EUR. Zudem sicherte sich AFYREN NEOXY ein wichtiges, an Nachhaltigkeit gekoppeltes Darlehen in Höhe von 10 Mio. EUR, mit BNPP als ESG-Koordinator – ein Novum für ein junges Industrieunternehmen. Für 2025 wird ein Umsatzergebnis im mittleren einstelligen Millionenbereich erwartet; die Gewinnschwelle (EBITDA-positiv) soll innerhalb weniger Quartale erreicht werden. Perspektivisch ist der Ausbau auf bis zu drei Anlagen mit kumulierten 150 Mio. EUR Umsatz bei voller Auslastung geplant.

Statement von AFYREN‑CEO Nicolas Sordet:

Die letzten fünf Jahre waren eine außergewöhnliche Erfahrung… AFTER‑BIOCHEM hat sich als Geschäftsmodell für die Zukunft bewährt, das die Umweltbilanz vieler Endprodukte verbessern wird.

Auch CBE JU‑Direktor Nicoló Giacomuzzi‑Moore erklärte:

Der erfolgreiche Abschluss des AFTER‑BIOCHEM‑Projekts ist ein wichtiger Meilenstein für die Bioökonomie in Europa – UND zeigt, wie eine starke öffentlich-private Zusammenarbeit echte, langfristige Wirkung erzielen kann.

Unternehmen bleibt dennoch in kritischer Anfangsphase

AFYREN hat mit AFYNERIE® und dessen Umsetzung im Rahmen des AFTER‑BIOCHEM-Projekts erstmals in Europa ein industrielles Modell für grüne Chemie am Markt etabliert – von der Technologie über die Partnerintegration bis hin zur operativen Produktion. Dass bereits erste Umsätze erzielt und Finanzierungen abgeschlossen sind, zeigt die Marktreife. Dennoch bleibt das Unternehmen in der kritischen Anfangsphase: Optimierung der Abtrennungsprozesse und die Sicherung der kontinuierlichen Produktion sind entscheidend. Mit dem Engagement etablierter Partner, solider Finanzierung und einem klaren Skalierungsplan ist AFYREN gut aufgestellt. Die Herausforderung bleibt, in den kommenden Quartalen den Profitablitätsnachweis zu erbringen. Gelingt das, könnte AFYREN wegweisend für eine neue Generation europäischer Bioraffinerien werden – nicht zuletzt im globalen Wettbewerb um nachhaltige Chemieproduktion.

AFYREN liefert mit seinem ersten Werk AFYREN NEOXY einen bemerkenswerten Beleg für die industrielle Machbarkeit grüner Chemie. Die nächsten Monate – mit Fokus auf Effizienzsteigerung und wirtschaftlicher Durchschlagskraft – werden entscheiden, ob es zum Leuchtturmprojekt reift oder eine innovative Pilotanlage bleibt.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.