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Seit 25 Jahren berichtet GoingPublic Media über das Thema „Biotechnologie“ – zunächst im Rahmen des monatlichen GoingPublic Magazins, seit 2017 auf der themeneigenen Plattform Life Sciences. Anlässlich des silbernen Jubiläums blicken wir zurück und präsentieren in regelmäßigen Abständen Interviews und Beiträge von damals bis heute.

Die letzten Monate hielten wieder die gesamte Bandbreite an Emotionen für Biotech-Investoren gelisteter Unternehmen bereit, von der erfolgreichen Verpartnerung eines klinischen Entwicklungskandidaten mit strategischer Perspektive über den (wahrscheinlich) erfolgreichen Geschäftsmodellwechsel bis hin zur angekündigten Liquidation. Ausgewählte Unternehmen werden in alphabetischer Reihenfolge vorgestellt. Von Dr. Martin Schnee, Eigentümer, Schnee Research

4SC: Weiter geht’s

Die Entwicklung war in den letzten Monaten sehr positiv, zumal es dem Unternehmen in Q1 2013 erstmalig gelang, einen leicht positiven operativen Cashflow durch erfolgreiche Lizenzabschlüsse auszuweisen, was sich im weiteren Jahresverlauf wieder in den für ein Unternehmen diesen Reifegrades typischen Mittelabfluss wandelte.

Mittlerweile wird die R&D-Pipeline von Anti-Krebs-Kandidaten dominiert, da der Fokus nun auf dem am weitesten entwickelten Kandidaten, Resminostat, liegt, mit dem ein Zulassungsprogramm (adaptives Phase-IIb/III-Design) als Erstlinientherapie von Leberkrebs (HCC) vorbereitet wird. Der japanische Partner Yakult prüft Resminostat, einen oralen Histon-Deacetylase (HDAC)-Inhibitor, in einer Phase-I/II-Studie ebenfalls in Leberkrebs (HCC) sowie in Lungenkrebs (NSCLC) und steht kurz vor dem Abschluss einer Phase-I–Studie in soliden Tumoren.

Die guten Ergebnisse der Phase-I-Studie von Resminostat in Kombination mit dem FOLFIRI-Therapieschema in fortgeschrittenem Darmkrebs berichtete 4SC auf der letzten ASCO-Konferenz, die einen ersten Hinweis auf klinische Aktivität geben. Hinsichtlich des identifizierten Biomarkers ZFP64, dem aktuell gewisse prädiktive Fähigkeiten zugeschrieben werden, konnte eine Korrelation zwischen seinem erhöhten Auftreten und dem Überleben von Patienten in den beiden erfolgreich abgeschlossenen Phase-II-Studien in Leberkrebs und Hodgkin-Lymphom gezeigt werden. Sollte sich dies in weiteren Analysen erhärten, dürfte es sich positiv auf die weitere klinische Entwicklung sowie auf die Bewertung für eventuelle weitere Verpartnerungen auswirken. Zumal der für diese Substanz erteilte Patentschutz mittlerweile auf die wichtigsten Pharmamärkte, einschließlich China und Indien, ausgeweitet ist.

Flankiert wird Resminostat durch die Kandidaten 4SC-202 (in hämatologischen Tumoren) und 4SC-205 (in soliden Tumoren), deren Phase-I-Studien zum Jahresende abgeschlossen werden sollen. Als Wermutstropfen gilt die Auflösung des bewährten Führungsteams Dr. Dauer/Spillner nach dem unerwarteten Rücktritt von Dr. Dauer, doch konnte mit der Berufung von Spillner (nunmehr CEO und CFO) immerhin Kontinuität gewahrt werden Dies kann auch als vorteilhaft angesehen werden, da sich 4SC nun auf die Weiterentwicklung von Resminostat bis zur Marktreife in Leberkrebs fokussiert und seine anderen Entwicklungsprogramme (keine weitere unverpartnerte Entwicklung von Vidofludimus) sowie die Personalstruktur anpasst. Die Reichweite des Finanzmittelbestands (9,2 Mio. EUR per 30. Juni) ist aktuell bis zum Herbst 2014 sichergestellt.

Agennix: Das Ende eines One-Trick-Ponys

Die Detailanalyse der FORTIS-M Studie von Talactoferrin in nicht-kleinzelligem Lungenkrebs als Drittlinien-Therapeutikum schien im November 2012 das Management dazu bewogen zu haben, auch die Patientenaufnahme in der FORTIS-C Studie (Talactoferrin als Erstlinien-Therapeutikum in gleicher Indikation) einzustellen, da wie auch in den anderen Indikationen kein statistisch signifikanter Vorteil gezeigt werden konnte. Damit waren alle Handlungsoptionen für den Hoffnungsträger ausgeschöpft, zumal die verbleibende Liquidität bereits überschaubar war. Ende Mai dieses Jahres wurde durch die Aktionäre die Liquidation der Gesellschaft beschlossen.

Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Barmittel könnten laut Unternehmensmitteilung ungenügend für eine vollständige Abwicklung der Gesellschaft sein und man versuche, weitere Finanzmittel durch den Verkauf der Vermögenswerte zu generieren, um den Prozess abschließen zu können. Es bleibt also abzuwarten, ob alle Außenstände beglichen werden können.

Epigenomics: Entspannter in die Zukunft

Mitte August meldete Epigenomics den Abschluss einer Finanzierung durch Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen von bis zu 5 Mio. EUR. In einem Zweijahreszeitraum hat sich die Fondsverwaltung von YA Global Master SPV Ltd verpflichtet, diese in Tranchen von je 0,5 Mio. EUR aufzunehmen. Dies dürfte bei einer Vollausübung zu heutigen Kursen zu einem Anstieg von 11,9 auf bis zu 17,1 Mio. Aktien (bis zu 44% höhere Aktienzahl – vor weiteren Maßnahmen) und damit zu einer klaren Verwässerung der Altaktionäre führen.

Ausgehend von einem Barmittelbestand von rund 3 Mio. EUR (per 30.06.) steigt die zur Verfügung stehende Liquidität auf bis zu 8 Mio. EUR, was bei einem erwarteten Barmittelverbrauch von 7 Mio. EUR im Jahr 2013 Epigenomics’ Finanzierung mindestens bis zur Zulassungsentscheidung für den Umsatzhoffnungsträger für die blutbasierte Früherkennung von Darmkrebs, Epi proColon, durch die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA sicherstellen sollte (erwartet: Ende 2013).

Ein erfolgreicher Zulassungsbescheid ist zwar noch nicht das Ende aller Herausforderungen, aber erhöht deutlich Möglichkeiten und Chancen im (Kapital-)Markt und ließe Epigenomics für große Diagnostikunternehmen in einem ganz anderen und für Aktionäre sehr interessanten Licht erscheinen.

Medigene: Fortsetzung der positiven Entwicklung

In den letzten Quartalen setzte das Management den eingeschlagenen Pfad fort. Gestützt durch anziehende Marktumsätze stiegen Medigenes Veregen-Einnahmen im Jahresvergleich weiter an und trugen zur weiteren Reduzierung des Barmittelabflusses vor Einmaleffekten bei, doch sank die Liquidität seit Jahresanfang um ein Viertel auf 15 Mio. EUR, trotz eines Zuflusses von gut 2 Mio. EUR aus der Partnerschaft mit SynCore. Trotzdem rechnet das Management mit einer Finanzierungsreichweite bis Anfang 2015.

Auf der operativen Seite konnte Medigene im Mai endlich die lange erwartete große Verpartnerung von EndoTAG-1 verkünden. Dafür wurde die im Juli 2012 abgeschlossene Entwicklungs- und Vermarktungspartnerschaft mit SynCore von deren Kernmärkten (Asien, Australien und Neuseeland) nun globalisiert und gleichzeitig ein neuer strategischer Investor (ca. 6% der Aktien) gewonnen. SynCore übernimmt die vollständige Finanzierung der geplanten Phase-III-Studie mit Endo-TAG-1 in dreifach Rezeptor-negativem Brustkrebs (TNBC), die im H2/2014 beginnen soll, und erhält im Gegenzug die weltweiten Vermarktungsrechte.

Medigene partizipiert neben verschiedenen Einmalzahlungen durch Royalties. Bei RhuDex plant Medigene nun eine Ausweitung der geplanten Phase-II-Studie in primärer billärer Zirrhose, während die AAVLP-Technologieplattform für prophylaktische und therapeutische Impfstoffe in weiteren präklinischen Studien validiert werden soll. In einer chronischen Studie untersucht diese ein Kooperationspartner auf den Langzeitschutz gegen Infektionen von verschiedenen krebserregend humanen Papillomviren (HPV).

Auf der Basis der Halbjahreszahlen erhöhte das Management die Gesamtjahresprognose leicht auf einen erwarteten Umsatz von 8-9 Mio. EUR und einen EBITDA-Verlust von 8-10 Mio. EUR. Zwar hatte der Abschluss der EndoTAG-Verpartnerung der Aktie Luft unter die Flügel geblasen, doch hat sich dieser Effekt im Zeitverlauf verflüchtigt.

Beschlossen auf der letzten Hauptversammlung, wurde Anfang September die 4:1 Kapitalherabsetzung um- und das Grundkapital auf 9,9 Mio. EUR herabgesetzt. Der Börsenkurs ist entsprechend angepasst, was ohne weitere positive Nachrichten erst mal Kosmetik bleibt, aber dem Unternehmen zusätzliche Finanzierungsspielräume öffnet.

Fazit

Außer dem Sprung von MorphoSys in seiner Unternehmensentwicklung durch die umfangreiche Verpartnerung von MOR-202 mit Celgene hat sich die Mehrheit der deutschen Biotechunternehmen kontinuierlich positiv entwickelt, was sich bei einigen bislang noch nicht nachhaltig in den Kursen niedergeschlagen hat. Dennoch hat sich wieder bestätigt: Besonders Biotechunternehmen benötigen operationelle wie finanzielle Freiheitsgrade. Durch MorphoSys’ Entwicklung hat sich das Sentiment für die Branche verbessert: Biotech – da geht was!

Dieser Beitrag erschien im Original in der Sonderausgabe „Biotechnologie 2013“ des GoingPublic Magazins.