Die Entscheidung des BGH

Nachdem das Landgericht und das Oberlandesgericht München der Klage des Vorstandsmitglieds stattgegeben hatten, hob der BGH die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zurück an die Instanzgerichte. Maßgeblich hierfür war die abweichende Beurteilung zu den formellen und inhaltlichen Anforderungen an eine Beschlussfassung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG.

Formelle Anforderungen

Der Hauptversammlungsbeschluss, mit dem einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, muss zunächst die allgemeinen Anforderungen an Beschlüsse einer Hauptversammlung erfüllen und darf nicht aus formalen Gründen nichtig sein. Fraglich ist, ob darüber hinaus besondere formelle Anforderungen zu berücksichtigen sind. Das OLG München hatte als Berufungsinstanz die Auffassung vertreten, der Hauptversammlungsbeschluss müsse eine Begründung enthalten. Dafür spricht, dass das Vorstandsmitglied die Gründe für den Vertrauensentzug sonst nicht überprüfen kann. Der BGH ließ dieses Argument nicht gelten. Schon generell müssten Hauptversammlungsbeschlüsse keine Begründung enthalten. Zudem sei es Aufgabe des Aufsichtsrats, bei seiner Entscheidung über den Widerruf der Bestellung zu prüfen, ob der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung auf „offenbar unsachlichen Gründen“ beruht. Der Schutz des betroffenen Vorstandsmitglieds lasse sich im Übrigen auf prozessualer Ebene und hier insbesondere durch geeignete Beweislastregeln sicherstellen.

Inhaltliche Anforderungen

Der Beschluss über den Vertrauensentzug darf nicht auf „offenbar unsachlichen Gründen“ beruhen, d.h. nicht willkürlich oder offenbar treuwidrig sein. Ob es sich hierbei tatsächlich um inhaltliche Anforderungen an die Beschlussfassung handelt und der Beschluss in einem solchen Fall nichtig ist, ließ der BGH offen. Seine Ausführungen deuten aber eher darauf hin, dass der Beschluss grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich einer etwaigen Anfechtungs- und/oder Nichtigkeitsklage wirksam und lediglich der Aufsichtsrat daran gehindert ist, den Beschluss als Grundlage eines Widerrufs der Organstellung heranzuziehen.

Was den Maßstab der „offensichtlichen Unsachlichkeit“ anbetrifft, gewährt der BGH den Aktionären und dem zur Überprüfung aufgerufenen Aufsichtsrat einen weiten Ermessensspielraum. So komme es nicht darauf an, ob die dem Hauptversammlungsbeschluss zugrunde liegenden Gründe beweisbar seien oder sich später als richtig erwiesen. Ein berechtigter Vertrauensentzug sei selbst dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn dem Vorstandmitglied kein Vorwurf zu machen sei und es sich völlig korrekt verhalten habe. Ein Vertrauensentzug sei schließlich auch dann nicht unsachlich, wenn die Hauptversammlung im Zeitpunkt der Beschlussfassung davon ausgehen durfte, dass behauptete Vorwürfe zutreffen.

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