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Bei DATAGROUP sieht man die neuen Ansprüche. „ESG rutscht auf der Agenda der Investoren immer weiter nach oben“, erläutert Schneck. „Aber auch auf unserer eigenen.“ Es gebe zahlreiche Fonds, die hinsichtlich ihrer Investitionsmöglichkeiten nachhaltigkeitsbezogene Einschränkungen hätten. „Gerade Investoren aus dem angloamerikanischen Raum können nur noch mit ESG-Rating investieren.“ DATAGROUP bemühe sich aber auch aus anderen Gründen um nachhaltiges Wirtschaften. Kunden der öffentlichen Hand könnten Ausschreibungen ab 2023 nur noch an Unternehmen vergeben, die bestimmte Kriterien erfüllen, und auch die Kreditvergabe der Banken sei immer öfter an grünes und soziales Verhalten gebunden. „Dazu kommt, dass wir als IT-Unternehmen ständig um die besten Mitarbeiter werben und auch potenzielle Angestellte einen Arbeitgeber haben möchten, der ihre Ideale teilt.“

Thema Nachhaltigkeit in Finanzabteilungen angekommen

Der IR-Manager sieht sein Unternehmen und auch viele andere in Hinblick auf ESG-Anforderungen der Investoren gut aufgestellt. Diese Selbsteinschätzung bestätigt auch eine aktuelle Studie des Deutschen Aktieninstituts (DAI) und der Börse Stuttgart. Für die Erhebung mit dem Titel „Unternehmensfinanzierung im Zeichen der Nachhaltigkeit. Was ESG für Finanzverantwortliche in der Praxis bedeutet“ wurden 43 Manager befragt. Es zeigt sich laut Auswertung: „Das Thema Nachhaltigkeit ist in den Finanzabteilungen der befragten Unternehmen angekommen.“ 95% der Befragten sind laut Studie mit Nachhaltigkeitsaspekten in der Unternehmensfinanzierung in Berührung gekommen. „Die Impulse kommen sowohl von innerhalb der Unternehmen als auch von außen.“ Immerhin 85% der Firmen greifen das Thema selbst auf.

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Bader betont zudem die praktischen Änderungen, die wegen ARUG II umgesetzt wurden: „Elektronischer Versand ersetzt physischen – es unterstützt natürlich nachhaltiges Handeln, wenn nicht mehr tonnenweise Papier herausgegeben wird.“ Das Feedback der Aktionäre sei denn auch sehr positiv. Laut DAI und Börse Stuttgart ist im Austausch mit Investoren vor allem der Umweltaspekt von Bedeutung, dicht gefolgt von guter Unternehmensführung. Moll beobachtet, dass viele Emittenten alle ESG-Kriterien weitgehend gleich gewichten: „Governance ist ein Thema, das schon lange auf der Agenda steht. Hier müssen seit Jahren auch rechtliche Verpflichtungen erfüllt werden, z.B. im Bereich Compliance.“ Gleiches gelte für soziale Themen. Umwelt dominiere ihrer Einschätzung nach nicht. „Ich habe nicht den Eindruck, dass bestimmte Aspekte bevorzugt werden.“

Die Emittenten beschäftigen sich also mit dem Thema ESG. Aber kommunizieren sie ihre Fortschritte auch ausreichend? Schneck von DATAGROUP betont: „Wir adressieren ESG seit letztem Jahr aktiv. Das Unternehmen erstellt einen Nachhaltigkeits-Report, der Aktionären und potenziellen Investoren zur Verfügung gestellt und regelmäßig aktualisiert wird.

Bader sieht vor allem bei den DAX-Konzernen Bewegung, sie fungieren ihrer Einschätzung nach als Vorreiter – schon allein bedingt durch ihre Größe und den stärkeren Fokus der Öffentlichkeit auf ihre Geschäftstätigkeit. Moll plädiert für ein proaktives Vorgehen aller Emittenten: „Die Unternehmen sollten nicht warten, bis Kritik vorgetragen wird.“ Gerade auf der Hauptversammlung biete sich die Gelegenheit, Nachhaltigkeitsthemen bereits im Rahmen der Vorstandspräsentation zu besprechen. „Man kann auf Projekte eingehen, Erfolge darstellen.“

Das, erklärt Moll, sei auf virtuellen Hauptversammlungen weitaus einfacher als bei Präsenzveranstaltungen, da die Fragen in der Regel vorab eingereicht werden müssten. Allerdings, so die Rechtsanwältin, fielen die Themen ja auch bei einem Aktionärstreffen vor Ort nicht vom Himmel.

Fazit

Es tut sich einiges in der Hauptversammlungssphäre. Corona wird hoffentlich irgendwann Vergangenheit sein – hybride Modelle für das Aktionärstreffen sollten allerdings weiterbestehen. Es bleibt abzuwarten, ob dem Gesetzgeber noch vor oder zügig nach der Bundestagswahl eine entsprechende Gesetzgebung gelingt. Entscheidend ist eine Form der Aktionärsbeteiligung, die sowohl die Rechte der Anteilseigner gewährleistet als auch den Emittenten noch die reelle Chance bietet, den Anforderungen gerecht zu werden.

Und auch ESG-Themen sind gekommen, um zu bleiben, und werden die Emittenten mit noch zunehmender Relevanz begleiten. Wie gut, dass die meisten Firmen Nachhaltigkeit und Umwelt bereits von Anfang an bedacht haben und damit – um es mit Katharina Reuter zu sagen – auch langfristig eine Chance haben, Investoren zu begeistern.

Autor/Autorin

Isabella-Alessa Bauer