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Wie entwickelt sich die Risikokapitalfinanzierung in Biotech, Pharma, Medizintechnik und HealthTech?
Dazu haben wir mit Mathias Klozenbücher, Managing Director Healthcare & Life Sciences bei der FCF Fox Corporate Finance GmbH, gesprochen. Unter seiner Leitung erscheinen bei FCF monatlich der Healthcare & Life Sciences Venture Capital Monitor EU sowie der Healthcare & Life Sciences Venture Capital Monitor USA, die detaillierte Analysen zu den Finanzierungstrends in Europa und den USA liefern. Beide Monitore beleuchten die Entwicklungen in den Bereichen Biotechnologie, Pharma, Medizintechnik und Gesundheitstechnologie. Wir stellen hier die wichtigsten Punkte beider Monitore regelmäßig vor und sprechen quartalsweise mit Herrn Klozenbücher, der die zentralen Erkenntnisse und Trends aus beiden Monitoren einordnet. Von Urs Moesenfechtel
Plattform Life Sciences: Herr Klozenbücher, wie haben sich die Venture-Capital-Aktivitäten in den USA und Europa im Bereich Healthcare & Life Sciences im Juli 2025 entwickelt?
Mathias Klozenbücher: Im Juli 2025 sehen wir einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Märkten: In den USA wurden 97 Deals mit einem kumulierten Volumen von rund 1,62 Mrd. EUR abgeschlossen – das entspricht zwar einem Rückgang von fast 45 %gegenüber dem Vorjahresmonat, aber auf weiterhin hohem Niveau. Europa hingegen verzeichnete nur 51 Deals mit einem Volumen von 454 Mio. EUR, was sogar einen Rückgang um knapp 60 % gegenüber Juli 2024 bedeutet. Insgesamt zeigen sich Investoren in beiden Regionen selektiver. Man muss klar festhalten: Der europäische Markt hat sich 2025 bislang deutlich positiver entwickelt als der amerikanische. Während der US-Markt seit Jahresbeginn um rund 10 % geschrumpft ist, verzeichnet Europa im Vergleich zum Vorjahr ein Wachstum von 18 %. Dennoch bleibt der US-Markt mit seinem dreifachen Volumen weiterhin unangefochten als der Größte weltweit.
FCF-LifeSciences-VC-Monitor „USA“ zum Download.
Welche aktuellen Trends sehen Sie besonders deutlich?
Ein klarer Trend ist weiterhin das Wachstum von TechBio – also Biotechnologie mit starker technologischer Komponente, etwa durch KI oder automatisierte Plattformen speziell im Bereich der in-silico Therapieentwicklung. In den USA wurden im Juli allein 1,22 Mrd. EUR im TechBio-Sektor investiert, in Europa lag das Volumen bei auch schon bei 786 Mio. EUR, wo teils bahnbrechende Forschung betrieben wird. Besonders hervorzuheben sind die US-Investments wie MapLight (319 Mio. EUR, Neurotherapie), Ambience Healthcare (179 Mio. EUR, KI-Medical Scribing) oder ARTBIO (113 Mio. EUR, Radiopharma). Diese Deals zeigen, wie stark dort in klinische Pipeline-Entwicklung und disruptive Technologien investiert wird. In den USA ist TechBio längst kein Nischenthema mehr – Europa muss jetzt nachziehen.
FCF-LifeSciences-VC-Monitor „EU“ zum Download.
Wie steht Europa im Vergleich da?
Europa hat exzellente Wissenschaft und spannende Unternehmen, aber die Finanzierungslandschaft hinkt hinterher. Beispiel: Das größte europäische VC-Investment im Juli war Nuclidium aus der Schweiz mit 84 Mio. EUR – ein Radiopharma-Unternehmen, das Copper-61/Copper-67 als Plattform entwickelt. Auch das britische Unternehmen Artios konnte 70 Mio. EUR für DNA-Schadensreparaturtechnologie einsammeln. Doch diese Zahlen liegen deutlich unter dem, was in den USA möglich ist – trotz ähnlich ambitionierter Technologien. Generell kann man sagen das vergleichbare Unternehmen in den USA deutlich höhere Bewertungen aufrufen können, gepaart mit einer größeren und schnelleren Finanzierungslandschaft. Das fängt schon ganz früh in der Unternehmungsentwicklung an: Die USA hat einen effektiveren Techtransfer und Ausgründungsmechanismus aus der Uni während der klaren Strukturen und einfachen Prozesse in Europa oft noch fehlen.
Welche strategischen Implikationen ergeben sich aus Ihrer Sicht?
Jetzt ist der Zeitpunkt an dem Europa zu den USA aufholen kann. Dazu muss Europa deutlich mehr Kapital mobilisieren – sei es durch staatliche Förderungen, die auch speziell die Venture Capital Landschaft wachsen lässt, zum Beispiel durch Fund-of-Fund Investments, steuerliche Anreize für Investoren oder vereinfachte regulatorische Rahmenbedingungen. Zudem ist eine bessere Vernetzung zwischen Wissenschaft und Kapitalgebern notwendig, um großartige Forschung schneller in die Anwendung zu bringen. Das Thema Digitalisierung und Präzisionsmedizin –oder individualisierte Therapien – muss auch auf politischer Ebene als strategisch relevant erkannt werden. Hier liegt ein echtes Wachstumsfeld.
Was erwarten Sie für die kommenden Monate?
Ich rechne mit einer Konsolidierung des Marktes, aber auch mit selektivem Wachstum in bestimmten Clustern: TechBio, KI-basierte Diagnostik, Radiopharma und personalisierte Immuntherapien werden weiter Kapital anziehen. Die nächsten Monate werden spannend – vor allem, wenn Europa anfängt, nicht nur wissenschaftlich, sondern auch finanziell aufzuholen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Urs Moesenfechtel.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.