Bildnachweis: QUANTRO Therapeutics GmbH, QUANTRO Therapeutics GmbH.
Die QUANTRO Therapeutics GmbH aus Wien hat eine Technologieplattform entwickelt, die nach eigenen Aussagen das Potenzial hat, eine neue Ära in der Krebstherapie einzuleiten. Durch den innovativen Einsatz neuartiger Gentranskriptions- und Screening-Technologien will das Unternehmen die Präzision und Effizienz der Wirkstoffentwicklung auf ein völlig neues Niveau heben. Dieses Vorhaben weckte bereits 2020 das Interesse von Boehringer Ingelheim Venture Fund (BIVF) und Evotec, die das Unternehmen seitdem nicht nur finanziell, sondern auch mit strategischem Know-how unterstützen. Welche Schritte plant QUANTRO, sowohl technologisch als auch in Bezug auf die Finanzierung, um nun die Expansion und den Ausbau der Plattform voranzutreiben? Darüber sprachen wir auf der diesjährigen BIO-Europe mit CEO Dr. Michael Bauer.
Herr Bauer, welche Eindrücke nehmen Sie bisher von der BIO-Europe mit?
Es sind intensive Tage, die sich aber lohnen! In unseren Gesprächen machen wir deutlich, wie man die bislang kaum zugänglichen Vorgänge der Gentranskription erschließen kann. Dies ist ein bislang kaum erschlossener Bereich, der biologisch hochrelevant ist und ein potenzieller Milliardenmarkt für innovative, neuartige Therapiemöglichkeiten. Dementsprechend wird dem Potenzial unserer Technologieplattform ein sehr großes Interesse entgegengebracht – sowohl im Bereich strategischer Pharmapartnerschaften, als auch im Bereich VC-Finanzierung.
Was sind die nächsten, für QUANTRO wichtigsten Schritte, um dieses Potenzial auch praktisch zur Umsetzung zu bringen?
Wir wissen bereits, dass die Technologie funktioniert, unsere „Discovery Engine“ läuft auf Hochtouren. Gleichzeitig fahren wir damit fort, sowohl die Effizienz für das Hochdurchsatz-Screening, als auch die Fähigkeit zum Multiplexing der Assays weiter zu optimieren und zu verfeinern. Derzeit läuft mit sehr großer Zuverlässigkeit und Präzision ein Screening von etwa 350.000 Wirkstoffen aus verschiedenen Substanzbibliotheken, das bislang größte Screening, das die QUANTRO bisher durchgeführt hat. Wir liegen bei einer Screening-Rate von etwa 100.000 Wirkstoffen pro Monat, ohne irgendwelche Probleme. Parallel dazu arbeiten wir daran, die Multiplexing Technologie, das bedeutet, ein Screening gleichzeitig für mehrere molekulare Targets, weiter auszubauen. Die laufende Kampagne ist bereits ein dualer Screen, für zwei Targets. Unser 10-Target-Multiplexing läuft im Pilotprojet, mit etwa 10.000 Wirkstoffen, die Resultate erwarten wir bis Ende 2024.
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen beim weiteren Ausbau und der Optimierung Ihrer Screening- und Multiplexing-Technologien?
Mit der Produktion von inzwischen enormen Datenmengen ist der weitere Ausbau der Kapazitäten und Fähigkeiten im Bereich der Bioinformatik verbunden. Eine zentrale Herausforderung besteht darin, diese enormen Datenmengen effizient zu verarbeiten und die relevanten Informationen präzise herauszufiltern. Um dies zu meistern, setzen wir auf die Weiterentwicklung unserer AI- und Machine Learning-Algorithmen, die uns helfen, die Screening-Daten präzise auszuwerten. Mit unserem Transcriptom-Screening erfassen wir bereits eine ungewöhnliche Tiefe und einen hohen Umfang von Informationen, die wir mit unseren Methoden auswerten, um neue Einblicke für Wirkstoffentwicklungen zu ermöglichen. Derzeit arbeiten wir daran, unsere gesamten Prozesse zu automatisieren und zu skalieren, sowohl im Labor wie auch in der Datenverarbeitung. Dazu überführen wir die bislang eher manuellen Arbeiten in eine zunehmend automatisierte Umgebung. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist die Miniaturisierung, die es uns ermöglicht, komplexe Assays auf 384-Well-Plates zu übertragen und gleichzeitig die Effizienz zu steigern.
Einige der Transkriptionsfaktoren, die Sie ins Visier nehmen, wurden bislang als „undruggable“ angesehen. Was macht die Plattform von QUANTRO für diese als schwer zugänglich geltenden Targets so vielversprechend?
Die Frage nach den „undruggable“ Targets ist komplex und umfasst mehrere Aspekte. Ein zentrales Problem ist die hohe strukturelle Komplexität von Transkriptionsfaktoren, die sich außerhalb lebender Zellen nicht genau abbilden lassen. Das bedeutet, dass das Screening in Zellkulturen durchgeführt werden muss, um sicherzustellen, dass der Zielmechanismus seine biologische Funktion ungestört ausführen kann. Das Hauptproblem bisher war, dass Veränderungen in der Transkriptionsdynamik oft innerhalb weniger Minuten einsetzen. Mit den verfügbaren Methoden war es jedoch nicht möglich, diese schnellen Veränderungen in Zellkulturen zuverlässig zu messen. Zudem sind diese Prozesse zu komplex, um sie außerhalb der Zelle im Reagenzglas zu rekonstruieren. Dadurch war man sozusagen „blind“ für die Effekte, die man eigentlich untersuchen wollte…
… diese Herausforderung war der Anstoß für die Gründung von QUANTRO?
Ja, denn um wirklich eine Transcriptomic Drug Discovery durchführen zu können, muss man in der Lage sein, den Prozess der Transkription und ihre dynamischen Veränderungen präzise in der Zelle zu messen. Genau diese Fähigkeit ist die Kernkompetenz unseres Unternehmens, aufgrund der patentgeschützten Erfindung der Firmengründer – und nun ist QUANTRO Therapeutics die einzige Firma weltweit, die diese Fähigkeit besitzt. Wir haben das entsprechende Know-How entwickelt und die zugrundeliegenden Patente aus dem Institute of Molecular Biotechnology Austria (IMBA) und Institute of Molecular Pathology (IMP) in Wien lizenziert. Man kann also sagen, das Problem des „undruggable“ war bisher ein Problem des „invisible“. Dieses Problem hat QUANTRO gelöst und damit einen universellen Zugang zur Entdeckung und Entwicklung von Wirkstoffen eröffnet, die direkt die Gentranskription modulieren, blockieren oder aktivieren können. Damit wiederum eröffnen sich neue Therapiemöglichkeiten für bislang nicht behandelbare Krankheiten, bzw. die Kontrolle der molekularbiologischen Prozesse, die diese Krankheiten verursachen.
Und welche neuen Märkte oder therapeutischen Bereiche möchten Sie mit Ihrer Technologie in den nächsten 5 bis 10 Jahren ansprechen, welches zusätzliche Potential sehen sie da für QUANTRO?
Derzeit liegt der Fokus von QUANTRO im Bereich der Onkologie, wo wir bereits erfolgreich die Leistungsfähigkeit unserer neuen Technologie zeigen können. Allerdings ist die von QUANTRO entwickelte Plattformtechnologie universell einsetzbar, sie eröffnet daher auch neue Therapieansätze für zahlreiche andere Krankheitsbilder, wie beispielsweise entzündliche Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurodegenerative Störungen, die regenerative Medizin und viele weitere medizinische Indikationen. In diesem Sinne haben wir die Möglichkeit, gewissermaßen als „Discovery Engine“ ein breites Portfolio an präklinischen und klinischen Entwicklungsprogrammen zu lancieren, die wir entweder selber oder mit strategischen Partnern entwickeln, oder zur kommerziellen Vermarktung an Pharmafirmen verkaufen können.
Mit dem Investment des Boehringer Ingelheim Venture Funds und von Evotec hat QUANTRO bereits wichtige strategische Partnerschaften geschlossen. Auf der BIO-Europe suchen Sie nun sowohl nach weiteren Pharmapartnerschaften als auch nach zusätzlicher VC-Finanzierung. Mit welchem konkreten Ziel verfolgen Sie diese Gespräche?
Das sehr frühe Engagement von Evotec und dem BI-Venture Fund sowie die strategische Partnerschaft mit der Krebsforschungsabteilung von Boehringer Ingelheim in Wien ist zunächst eine sehr wichtige Validierung unserer Technologie. Hier freut uns besonders, dass wir die bei der Firmengründung gesetzten Ziele nicht nur erreicht, sondern bei weitem übertroffen haben und nun sehr erfolgreich und effektiv unsere inzwischen etablierte Discovery Platform dazu nutzen, für uns und unseren Partner BI ein innovatives F&E Portfolio zu erschaffen, mit Wirkstoffkandidaten für bislang nicht zugängliche molekulare Angriffspunkte für innovative Krebstherapien.
Wir wissen, dass mit unserer Technologieplattform weitaus mehr erreichbar ist, als es unsere aktuellen finanziellen und personellen Ressourcen derzeit erlauben. Um dieses Potenzial weiterer Anwendungsmöglichkeiten voll ausschöpfen zu können, suchen wir weitere strategische Partnerschaften, hier laufen bereits Gespräche mit vielen Firmen. Parallel dazu führen wir Gespräche mit potenziellen Investoren über eine SERIE A-Finanzierungsrunde, um unsere eigene Pipeline gezielt in Richtung klinischer Entwicklung voranzutreiben.
Wie sieht die langfristige strategische Ausrichtung von QUANTRO aus?
Unsere Stärke liegt klar in der höchst effektiven und präzisen Nutzung unserer Technologie, die die QUANTRO zu einer einzigartigen „Discovery Engine“ macht, um neue Therapeutika, die auf die Kontrolle von Transkriptionsfaktoren abzielen, zu entdecken und zu entwickeln. Diese neuen Wirkstoffe, bzw. die jeweiligen Entwicklungsprojekte, werden wir zu einem geeigneten Zeitpunkt verkaufen oder mit einem Pharma-Partner in den Markt bringen. QUANTRO hat das Potential, ab etwa 2027 jedes Jahr ein oder mehrere klinische Entwicklungsprojekte zu lancieren, entweder für die eigene Entwicklung oder in strategischen Partnerschaften. Uns ist es wichtig, attraktive strategische Optionen zu entwickeln. Aufgrund der erfolgreichen Entwicklung unserer Pipeline rechnen wir damit, dass die QUANTRO in jedem Fall für seine Investoren ein attraktives „Return on Investment“ generieren kann. Gleichzeitig haben wir die strategische Möglichkeit, entweder selbständig zu bleiben, indem wir über die Einnahmen aus Pharmapartnerschaften auch unsere eigene Pipeline weiterentwickeln, oder über weitere Finanzierungen, oder einen Börsengang, langfristig Zugang zu notwendigem Kapital zu erhalten. Alternativ könnte auch eine Situation entstehen, in der es sinnvoll ist, QUANTRO durch M&A in eine führende Pharmafirma zu integrieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Urs Moesenfechtel.
Zum Interviewpartner:
Dr. Michael Bauer ist Chief Executive Officer (CEO) der QUANTRO Therapeutics GmbH in Wien. Er ist ein erfahrener Biotech-Unternehmer, der seit 27 Jahren in der Life-Sciences-Industrie tätig ist – sowohl in großen Konzernen wie der Novartis AG in Basel als auch als Mitgründer und CEO der Cellestia Biotech AG in Basel. Sein Schwerpunkt liegt auf der Entdeckung und Entwicklung innovativer Therapien, die auf bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Im Laufe seiner Karriere hat er erfolgreich mehrere neue Wirkstoffe aus der Forschung in die klinische Entwicklung überführt. Dr. Bauer ist Diplom-Chemiker und hat in Hamburg im Bereich Biotechnologie promoviert.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.