Bildnachweis: MQ-Illustrations – stock.adobe.com, Mainz Biomed.

Herr Baechler, an welchem Punkt der strategischen Entwicklung steht Mainz Biomed momentan?

Baechler: Wir sind Spezialisten für die molekular-genetische Diagnostik mit Fokus auf die Früherkennung von Krebs. Und unser Ziel ist es, das Screening zu transformieren: Es muss einfach in der Anwendung, zugleich sehr zuverlässig und vor allem niedrigschwellig verfügbar sein. Unser Hauptprodukt ist ColoAlert, ein präziser, nicht invasiver und einfach zu handhabender Früherkennungstest für Darmkrebs für den Heimgebrauch. Er basiert auf der sehr genauen PCR-Analyse, wie Sie das von den Coronatests kennen, und analysiert neben Blut im Stuhl auch, ob bestimmte Tumor-DNA-Marker in der Probe vorhanden sind. Wir vertreiben den Test bereits in Deutschland und in ausgewählten internationalen Märkten, sind also bereits in der Kommerzialisierung.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist für uns der US-Markt – der größte Gesundheitsmarkt der Welt. Dazu haben wir in enger Absprache mit der FDA unsere Zulassungsstudie „ReconAAsense“ lanciert. Mitte des Jahres werden wir die ersten Patienten aufnehmen.

Guido Baechler, CEO, Mainz Biomed.Zudem arbeiten wir an der nächsten Generation unseres innovativen Tests: Wir haben von der Sherbrook University in Kanada mRNA-Biomarker lizensiert, die eine gute Empfindlichkeit bei der Früherkennung von Darmkrebs gezeigt haben, aber auch dass sie bereits Vorkrebsstadien, sogenannte fortgeschrittene Adenome, erkennen können. Unser Ziel ist diese neuen Biomarker in die Zulassungsstudie mit unserem bestehenden Produkt zu integrieren. Daher führen wir aktuell Machbarkeitsstudien in Europa und den USA durch. Wir erwarten Top-Line Ergebnisse im ersten Halbjahr dieses Jahres. Im Erfolgsfall wird unser mRNA- und DNA-basierter Darmkrebs-Früherkennungstest der robusteste und genaueste diagnostische Test für Zuhause auf dem Markt sein, da er nicht nur Krebsgeschwüre mit einem hohen Grad an Genauigkeit erkennt, sondern auch das Potenzial hat, Darmkrebs durch die frühzeitige Diagnose von präkanzerösen Adenomen zu verhindern.

Ihr Produkt ist also bereits auf dem Markt erhältlich? Können Sie uns Ihre Vertriebsstrategie erläutern?

Unsere Vertriebsstrategie in Europa beruht auf drei Säulen: Eine davon ist der Direktvertrieb über unseren eigenen Online Shop. Die zweite große Säule sind unsere Laborpartner, die ColoAlert ihren angeschlossenen Laboren und Ärzten anbieten. Und im Januar haben wir eine Initiative mit den Programmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements – oder Corporate-Health – gestartet. 48 von 50 der größten deutschen Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern über solche Programme verschiedene gesundheitsfördernde Leistungen an. Das reicht beispielsweise von der Mitgliedschaft im Fitnessstudio bis zum Screening auf eine mögliche Darmkrebs-Erkrankung. Das ist der dritte Pfeiler in unserem Vertrieb.

Auf diese Strategie bauen wir auf. Neben dem Vertrieb in Deutschland, haben wir im letzten Jahr bereits eine große Partnerschaft mit Dante labs geschlossen, die unseren Test in Italien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anbietet. Derzeit erweitern wir Schritt für Schritt den Vertrieb in Europa. Vergangene Woche haben wir die Partnerschaften mit Marylebone Laboratory für den UK-Markt und dem Instituto de Microecologia für Spanien bekannt gegeben.

Mitte dieses Jahres möchten Sie die ersten Patienten in Ihre US-Zulassungsstudie für Ihren Darmkrebstest ColoAlert einschließen. Was können Sie uns über diese Studie sagen und wann ist mit verlässlichen Ergebnissen zu rechnen?

Ich erwähnte es bereits kurz: Der Eintritt in den US-Markt ist für unser Geschäft ein wichtiger strategischer Schritt. Ende 2022 haben wir unsere Zulassungsstudie ‚ReconAAsense‘ initiiert, die wir zuvor mit der Gesundheitsbehörde FDA sowie mit den Centers for Medicare & Medicaid Services, der Organisation, die für die zukünftige Kostenerstattung in den USA zuständig ist, abgestimmt haben. An der Studie werden rund 15.000 Probanden an über 150 verschiedenen Standorten in den gesamten USA teilnehmen. Wir werden Mitte dieses Jahres die ersten Patienten aufzunehmen und rechnen 2025 mit Top-Line-Ergebnissen.

Wie groß ist denn das Marktpotenzial in den USA? Und wie begegnen Sie der Herausforderung, als nicht-amerikanisches Unternehmen ein Produkt in diesem Markt erfolgreich zu positionieren?

Es gibt in den USA ein zentrales Komitee, US Preventive Services Task Force (USPSTF) das definiert, wann und wie oft bestimmte Personengruppen auf verschiedene Krebsarten gescreent werden sollen. Der USPSTF hat empfohlen, dass Personen ab 45 alle 3 Jahre mit einem DNA-basierten Test, wie zum Beispiel ColoAlert, auf Darmkrebs getestet werden sollen. Das wären in den USA allein rund 37 Millionen Tests pro Jahr. Wir gehen von einem jährlichen Marktvolumen von über 4 Milliarden US-Dollar aus. Das ist nicht unrealistisch. Der jetzige Marktführer setzt mit seinem Produkt jährlich rund 1,4 Milliarden US-Dollar um. Und das sind weniger als 5 Prozent des Marktes.

Um im US-Markt erfolgreich zu sein, haben wir im vergangenen Jahr ein starkes Führungsteam aufgebaut. Es besteht aus Experten, die viel Erfahrung mit der Durchführung großer US-Studien, haben. Ich selbst war lange Zeit bei Roche in den Vereinigten Staaten, und an umfangreichen Untersuchungen im Bereich Diagnostika beteiligt. Es ist extrem wichtig, dass man die richtigen Leute an Bord hat, die ihr Handwerk verstehen, um eine klinische Studie mit so vielen Patienten und Zentren zu planen, managen und erfolgreich abzuschließen.

Und in Europa? Können Sie da Zahlen nennen, also wie groß das Volumen ist, welches Sie mit ColoAlert adressieren.

In Europa sehen wir, mit 239 Millionen Menschen, die für ein Screening in Frage kommen würden, ein potenzielles Marktvolumen von über 6 Milliarden Euro.

Eine Zulassungsstudie ist natürlich auch sehr kostenintensiv, sprich sie muss finanziert werden. Verfügt die Unternehmen bereits über das nötige Kapital planen Sie weitere Kapitalerhöhung?

Sowohl mit unserem IPO in 2021 als auch mit der erfolgreichen Anschlussfinanzierung im vergangenen Jahr sind wir sehr zufrieden. Zusammen mit unserer laufenden Kommerzialisierung sind wir bis zum Jahresende sehr solide finanziert. Natürlich evaluieren wir kontinuierlich verschiedene Optionen. Unser Fokus ist es, bis Jahresende unsere wichtigsten operativen und kommerziellen Ziele zu erreichen. Das wird uns ein solides Fundament geben, um zu einem geeigneten Zeitpunkt das notwendige Kapital zur Finanzierung über 2023 hinaus zu beschaffen.

Wäre es für Sie auch eine Option, einen strategischen Investor ins Boot zu holen für die weitere Entwicklung?

Strategische Investoren sind immer eine Option, und natürlich sondieren wir den Markt sehr genau. Wir pflegen viele Beziehungen zu anderen Unternehmen, wie beispielweise Laborpartnern für die Distribution von ColoAlert in Europa und anderen Ländern. Wie zuvor schon angesprochen, haben wir bereits einige Partnerschaften mit großen Laborketten, wie Dante Labs, Marylebone Laboratory oder dem Instituto de Microecologia geschlossen. Wir konzentrieren uns darauf zu wachsen und unsere Umsatzzahlen in Europa zu steigern. Das wichtigste ist für uns derzeit, dass wir unser Produkt erfolgreich auf dem Markt zu etablieren.

Das Unternehmen Epigenomics hatte einen ähnlichen Darmkrebstest konzipiert, konnte jedoch keine ausreichenden positiven Studienergebnisse präsentieren. Warum sind Sie davon überzeugt, dass Sie mit Ihrer Studie Erfolg haben werden?

Das ist eine gute Frage, die mir oft gestellt wird. Unser Produkt differenziert sich stark von dem angesprochenen Bluttest. Denn dabei handelt es sich um ein gänzlich neues Konzept, für das man auch eine entsprechende Infrastruktur aufbauen muss. Unser Stuhltest dagegen baut auf dem bestehenden System auf und optimiert dieses mit neuesten wissenschaftlichen Ansätzen.

ColoAlert ist die Erweiterung des bereits etablierten FIT-Tests. Deutschland weit werden fast 7 Millionen dieser einfachen Tests auf ‚Blut im Stuhl‘ durchgeführt. Da diese Tumore aber nur dann erkennt, wenn sie bluten, untersucht ColoAlert zusätzlich auch nach darmkrebsspezifischer Tumor-DNA. Er zeigt eine klar bessere Performance als der FIT-Test allein. Zudem ist er benutzerfreundlicher. Man kann ihn bequem über unseren Online Shop bestellen und diskret Zuhause durchführen, was auch die kontinuierliche Patientenadhärenz fördert.

Ein weiterer Vorteil von ColoAlert ist, dass man ihn im Labor auf den bereits vorhandenen PCR-Testgeräten auswerten kann. Viele Testgeräte wurden in den Hochzeiten der Corona-Pandemie angeschafft und sie haben nun freie Kapazitäten. Diese bestehende Infrastruktur können wir nun für unseren Test nutzen.

Mainz Biomed Kursentwicklung Stand 22.02.2023

Der Aktienkurs von Mainz Biomed hat in der letzten Zeit eher negativ performed. Welches Potenzial sehen Sie in der Aktie?

Seit 2021 sind wir an der US-Technologiebörse Nasdaq gelistet (Symbol: MYNZ).

Das Jahr 2022 war ein Krisenjahr für die meisten Life Science-Aktien. Wir freuen uns über die kontinuierliche Unterstützung und das Vertrauen, das uns von Seiten der Aktionäre entgegengebracht wird. Wir schauen zuversichtlich in die Zukunft! Wir werden in den nächsten Monaten die Ergebnisse unserer mRNA-Machbarkeitsstudien bekommen, den Einschluss von Probanden in unsere klinische Zulassungsstudie in den USA beginnen und unsere Kommerzialisierung in Europa weiter vorantreiben. Das sind wichtige wertsteigernde Meilensteine für uns. Und auch unsere Investoren bestätigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Einige renommierte Brokerhäuser haben in den vergangenen Monaten die Coverage von Mainz Biomed übernommen. Cantor Fitzgerald hat beispielsweise im letzten Jahr eine Kaufempfehlung von 15 USD abgegeben. Es liegt also noch ein großes Potenzial in der Aktie.

Herr Baechler, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Holger Garbs.