Bildnachweis: Mainz Biomed.

Herr Baechler, bitte erklären Sie uns das Geschäftsmodell von Mainz Biomed. Was ist das Alleinstellungsmerkmal Ihres Unternehmens?

Mainz Biomed hat sich auf die Entwicklung innovativer DNA-basierter Tests für die schnelle und einfache Früherkennung tödlicher Erkrankungen – wie Darmkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs – spezialisiert.

Jährlich erkranken ca. 62.000 Menschen in Deutschland an Darmkrebs. Trotz möglicher, von den Krankenkassen angebotenen Vorsorgemaßnahmen, wie den fäkalen immunchemischen Test (FIT) zum quantitativen Nachweis von Hämoglobin und damit von Blut im Stuhl oder eine Darmspiegelung, erhalten die meisten ihre Diagnose erst, wenn sich der Krebs bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befindet.[1] Für die Betroffenen bedeutet solch eine späte Diagnose in den meisten Fällen eine Operation, Chemotherapie und im schlimmsten Fall eine geringe Überlebens­wahrschein­lichkeit. Dabei hat Darmkrebs bei frühzeitiger Erkennung eine Heilungschance von >95% [2].

Die Gründe liegen zum einen an einer gewissen Vorsorgeträgheit. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey von 2020 schenken die Deutschen der Zuverlässigkeit ihres Autos mehr Aufmerksamkeit als der eigenen Gesundheit. Danach haben innerhalb der letzten zwei Jahre 85% der deutschen PKW-Besitzer ihr Auto in die Inspektion gebracht, aber nur 62% eine Vorsorgeuntersuchung wahrgenommen. Ein weiterer Grund ist, dass eine Koloskopie (Darmspiegelung) zur zuverlässigen Früherkennung von Darmkrebs mit den dazu nötigen vorbereitenden Maßnahmen für viele eine große Hürde darstellt. Damit ein Vorsorgemaßnahme eine breite Akzeptanz erfährt, muss sie einfach in der Anwendung sein, möglichst nicht invasiv und kosteneffizient.

Unser DNA-basierte ColoAlert Test schließt die Lücke zwischen einem FIT und der Darmspiegelung. Mit einer nachgewiesenen Sensitivität von 85% ist unser DNA-basierte Test wesentlich empfindlicher und entdeckt bis zu 40% mehr Fälle im Vergleich zum FIT mit einer Sensitivität von 68%. Als nicht invasiver Stuhltest ist ColoAlert in der Anwendung im Vergleich zu einer Koloskopie sehr einfach.  Man kann den Test entweder bei seinem Hausarzt bekommen, direkt online bestellen, oder zukünftig, wir planen ab 2023, auch in Apotheken erstehen. Das Test-Kit enthält eine Anleitung zur Durchführung, ein Probeentnahmeset und die nötigen Informationen zum Versand der Probe. Zu Hause entnimmt man eine Stuhlprobe und schickt diese an das auf der Packung angegebene Labor. Nach ein paar Tagen erhält man das Ergebnis, das man dann mit seinem Hausarzt besprechen kann.

Wie gesagt – früh erkannt ist Darmkrebs heilbar. Der ColoAlert Stuhltest weist mit Hilfe der PCR-Technologie sehr genau Tumor-DNA nach und erkennt so ca. 85% der Darmkrebsfälle – häufig auch schon in sehr frühen Krankheitsstadien.[3], [4], [5]

An welchem Punkt der strategischen Entwicklung steht Mainz Biomed aktuell? Sie haben kürzlich die Erweiterung der ColoFuture-Studie in den USA angekündigt. Was hat es damit auf sich?

Der ColoAlert Test ist in Europa zugelassen und wird in Deutschland von den Privatkrankenkassen erstattet. Die Vermarktung läuft über drei Säulen: über Laborpartner, über den Direktvertrieb (Onlinebestellung und bald auch über Apotheken) sowie ab 2023 auch über Mitarbeitervorsorgeprogramme.

Anfang dieses Jahres haben wir ein Portfolio an Genexpressions-Biomarkern (mRNA) übernommen, das wir derzeit in den in Europa und den USA stattfindenden ColoFuture/eAArly DETECT Studien auf seine Einsetzbarkeit in unseren ColoAlert Test prüfen. Ziel ist es, mit diesen zusätzlichen Markern die Sensitivität unseres Tests noch weiter zu steigern (> 90%) und das Profil auf die Identifizierung von fortgeschrittenen Adenomen, eine Form präkanzeröser Polypen, die oft die Vorstufe von Darmkrebs bilden, zu erweitern. Insgesamt werden an dieser Studie an 34 Studienzentren über 1.100 Testpersonen teilnehmen. Die Rekrutierung der Teilnehmer soll planmäßig im 1. Quartal 2023 abgeschlossen sein und die ersten Ergebnisse im 1. Halbjahr 2023 vorliegen.

Darüber hinaus werden wir Ende 2022 eine pivotale Studie zur Zulassung unseres Tests im wichtigen US-amerikanischen Markt starten. Diese Studie wird über die USA verteilt an ca. 150 Studienzentren mit rund 15.000 Teilnehmern durchgeführt. Die Einreichung der Ergebnisse ist für 2024 geplant und die Markteinführung im Jahr 2025.

Der US-amerikanische Markt ist mit einem augenblicklich zu adressierenden Volumen von 3.7 Milliarden US$[6] und einer erwarteten Wachstumsrate über die nächsten 10 Jahren von heute 37 Millionen Tests/Jahr auf dann 52 Millionen Tests/Jahr[7] einer der wichtigsten weltweiten Märkte für Darmkrebsvorsorgetests.

In welchem Rahmen kooperiert Mainz Biomed mit strategischen Partnern? Welche Beispiele können Sie uns nennen?

Damit ColoAlert bei allen Ärzten, die eine Darmkrebsvorsorge anbieten können, darunter Hausärzte, Urologen, Gastroenterologen und Gynäkologen, eine breite Akzeptanz und damit auch Anwendung findet, arbeiten wir mit zahlreichen Referenzlaboren zusammen. Dazu gehören heute bereits die deutschen Labore Sonic Healthcare und die Limbach Gruppe sowie die amerikanische dante labs. Dieses Netzwerk bauen wir kontinuierlich weiter aus.

Mainz Biomed ist an der Nasdaq gelistet. Wie zufrieden sind Sie mit dem Kursverkauf bisher? Welches Potenzial steckt noch in der Aktie?

Das vergangene Jahr stand ganz im Licht der Vorbereitung des Starts der Zulassungsstudie in den USA. Anfang des Jahres haben wir mit Hilfe einer Kapitalerhöhung in Höhe von 25,8 Millionen US$ ein Portfolio von fünf mRNA-Biomarkern erworben, die die Empfindlichkeit von ColoAlert signifikant erhöhen und das Profil des Tests mit der Identifikationsfähigkeit bestimmter Vorstufen von Darmkrebs erweitern sollen.

Beratende Meetings mit der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA zum Design der pivotalen Studie und mit der amerikanischen Krankenkassenorganisation Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) zur Planung der Erstattungsstrategie sind erfolgreich verlaufen.

Darüber hinaus konnten wir unser Managementboard und Strategic Advisory Board mit namhaften Industrieexperten verstärken und ein Medical Advisory Board etablieren.

Wir haben unser Netzwerk an Referenzlaboren in Europa weiter ausgebaut und unseren Umsatz in den ersten sechs Monaten des Jahres 2022 im Vergleich Vorjahr um 127% gesteigert.

Mit diesen Maßnahmen fühlen wir uns sehr gut aufgestellt, um die kommenden Herausforderungen, wie die Zulassung von ColoAlert in den USA und die weitere Vermarktung unseres Tests in Europa zu meistern. Dies sieht auch der Kapitalmarkt. Die Analysten von H.C. Wainwright & Co haben in ihrer neuesten Studie aus November ihre Kaufempfehlung und das 12-Monats-Kursziel für die Aktie bei 25 US$ bestätigt und Cantor Fitzgerald, die die Coverage der Mainz Biomed im Oktober aufgenommen haben, bewerten das Unternehmen bei einem Kursziel von 15 US$ mit „Übergewichten“.

Ein Blick voraus: Welche Meilensteine peilen Sie für die nächsten 24 Monate an?

Unsere Mission ist es, mit der Entwicklung von innovativen molekulardiagnostischen Tests Leben zu retten.

Die für uns wichtigsten Meilensteine auf diesem Weg über die nächsten zwei Jahre sind die erfolgreiche Rekrutierung der Teilnehmer für die Machbarkeitsstudien ColoFuture in Europa und eAArly DETECT in den USA, die für Ende 2022 und Anfang 2023 geplant sind. Die Ergebnisse erwarten wir in der ersten Jahreshälfte 2023. Parallel dazu planen wir für Ende 2022 den Start der Zulassungsstudie in den USA, die bis Ende 2024 laufen soll. Die Einreichung der Ergebnisse bei der FDA ist für 2025 geplant.

Darüber hinaus gilt unser Hauptaugenmerkt der weiteren Etablierung und Ausweitung unseres ColoAlert Stuhltests in Europa. Über die Penetration neuer Märkte, das Eingehen weiterer Partnerschaften mit Referenzlaboren und den Start verschiedener BGM-Programme mit unterschiedlichen Unternehmen sagen wir dem Darmkrebs weiterhin den Kampf an – denn Darmkrebs, früh genug erkannt – ist heilbar!

Herr Baechler, haben Sie herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Holger Garbs.

[1] Zentrum für Krebsregisterdaten, Robert-Koch-Institut (2017). Krebs in Deutschland, 11. Ausgabe

[2] American Cancer Society (2019). Cancer Facts & Figures. Atlanta, Ga.

[3] Dollinger MM et al. (2018), ClinLab 64(10), 1719-1730

[4]  Gies et al. (2018). Gastroenterology 154(1), 93-104

[5] Cooper GS et al. (2018). Dig Dis Sci. 63(6), 1449-1453

[6] Eigene Berechnungen

[7] Population Reference bureau – prb.org

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