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Die Pandemiejahre haben die HV-Welt ziemlich abrupt und erfolgreich ins Internet katapultiert, die virtuelle HV ist derzeit auf dem Weg, fest im Aktiengesetz verankert zu werden. Ein Zurück zum Status quo des Jahres 2019 scheint kaum ­denkbar. Doch die hybride HV wird nicht zum Standard werden können – eine Erklärung aus der Praxis.

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Die hybride HV, soweit man darunter die echte Teilnahme mit allen ­Rechten und Möglichkeiten versteht, scheint auf den ersten Blick die eierlegende Wollmilchsau zu sein: Sie ermöglicht den persönlichen Austausch zwischen Manage­ment und Aktionären vor Ort ebenso wie die Teilnahme auf elektronischem Wege für Aktionäre, die einen langen Anfahrtsweg scheuen oder nicht antreten können. Letzteres verringert zudem die geleisteten ­Anfahrtskilometer und scheint so dem ­Umweltgedanken Rechnung zu tragen. Der Aktionär hat die freie Wahl, die Gesellschaft lässt ihm alle Möglichkeiten. Also ­alles gut? Weit gefehlt.

Auf die Größenordnung kommt es an

Die unbestreitbaren Vorteile einer hybriden HV bringen auch einige nicht zu unterschätzende Hürden mit sich. Aber gehen wir einen Schritt zurück, denn bei neuen gesetzlichen Regelungen für Hauptversammlungen in der öffentlichen Diskus­sion, aber noch mehr im Gesetzgebungsverfahren wird häufig übersehen, dass es nicht die eine HV gibt.

Als im Frühjahr 2020 in Windeseile die virtuelle HV umgesetzt werden musste, wurden die technischen, organisatorischen und rechtlichen Aufgaben von den Gesellschaften, mit Unterstützung von Rechtsberatern und Dienstleistern, erfolgreich gemeistert. Die Anforderungen für eine HV mit üblicherweise 5.000 Teilnehmern waren dabei dieselben wie für eine HV mit 50 Teilnehmern. Während der DAX-Konzern aber, trotz aufwendiger Gestaltung des Podiums und Anpassung des HV-­Portals an die eigene Corporate Identity (CI) sein HV-Budget deutlich reduzierte, bedeutete die virtuelle HV für Gesellschaften, die kleine Versammlungen auszurichten hatten, eine ebenso deutliche Erhöhung der Kosten durch aufwendigere Vorbereitung, HV-Portal und Livestream; denn ­Hallenmiete, Catering und Personal schlagen bei kleinen Versammlungen nicht in dem Maße zu Buche. Und natürlich gab es zahlreiche Gesellschaften, für die die virtuelle HV kostenneutral gegenüber der bishe­rigen Präsenzversammlung blieb.

Kosten können sich addieren

Bei einer hybriden Versammlung addieren sich aber die Kosten für die Onlineteilnahme (Medientechnik, Livestream und HV-Portal) zu denen der Präsenz-HV (Versammlungsort, Catering, Personal …) hinzu. Auch die aufwendigere Ausgestaltung von Teilnahme­bedingungen, Formularen, Leitfaden sowie die Erarbeitung und Festlegung der Abläufe verursachen externe Kosten und setzen interne Ressourcen voraus. Aktiengesellschaften, die auf ihren Präsenzversammlungen nur rund 200 Aktionäre erwarten, werden diese zusätzlichen Kosten wohl eher scheuen, müssen diese doch auch der tatsächlichen Onlinebeteiligung gegen­übergestellt werden.

Der Referentenentwurf zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktien­gesellschaften sieht explizit von der „Fortentwicklung eines Hybridmodells“ ab. Die hybride HV ist also eine Präsenzversammlung ergänzt um die elektronische Teilnahme. Diese Teilnahme ist in § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG sehr vage definiert, der Aktionär soll „…ohne Anwesenheit am Ort der HV und ohne einen Bevollmächtigten … sämtliche oder einzelne Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können“. Hier soll den Unternehmen Gestaltungsspielraum einge­räumt werden, in der Realität führt dieser aber zu Unsicherheiten.

Rechtliche Risiken ausschließen

Die Teilnehmer der Präsenzversammlung üben ihre Rechte wie gewohnt vor Ort aus. Für die Onlineteilnehmer hingegen müssen insbesondere Frage- und Antragsrecht sehr wohlüberlegt ausgestaltet werden. Das Fragenaufkommen in virtuellen Versammlungen des vergangenen Jahres, nachdem aus der Fragemöglichkeit ein Recht geworden war, hat sich deutlich ­erhöht. Fragenkataloge mit 100 Fragen, eingereicht wenige Stunden vor Fristende waren keine Seltenheit und fanden sich ­zudem häufig quasi unverändert bei ­mehreren Gesellschaften wieder. Auch der Ablauf einer Generaldebatte unter ­hybriden Bedingungen muss angepasst werden. Ein weiterer Punkt, aber nicht ­weniger entscheidend: Vor Ort teilnehmende Aktionäre sollten von der Onlineteilnahme technisch ausgeschlossen werden, um unnötige Konflikte z.B. bei Vertretung und Stimmabgabe zu vermeiden. Soweit Aktionäre die Versammlung vorzeitig verlassen, werden sie für die Onlineteilnahme wieder zugelassen. Schließlich müssen all diese Regelungen vorab durchdacht und korrekt in die Teilnahmebedingungen der Einladungsbekanntmachung übersetzt werden, sodass rechtliche Risiken weitmöglichst ausgeschlossen sind.

Zweierlei Vorbereitung

Eine hybride Versammlung vorzubereiten bedeutet letztlich, zwei in ihrer Form und ihren Notwendigkeiten sehr unterschied­liche Versammlungen parallel vorzubereiten und diese aufeinander abzustimmen. Die hybride HV – sicherlich Best Practice, aber aufgrund der deutlichen Mehrkosten, der sich addierenden rechtlichen und organisato­rischen Herausforderungen eher kein Senkrechtstarter. Vorreiter werden, wie so oft, einige große Publikumsgesellschaften sein, die bereits seit Jahren ihre HV live übertragen und zumindest eine Stimmabgabe bis in die HV zulassen. Der Großteil der Gesellschaften hingegen wird sich zunächst für die eine oder die andere Variante entscheiden.

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Autor/Autorin

Nicola Bader

Nicola Bader ist Geschäftsführerin der BADER & HUBL GmbH. Sie berät Unternehmen in allen Phasen einer Veranstaltung, vom Kick-off-Meeting über Planung und Organisation bis hin zur Auswahl von Personal und Medientechnik.