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Dieser Artikel ist Teil des neuen HV Magazins 1/2025, welches vor kurzem erschienen ist.

 

Bereits am 7. Dezember 2022 hatte die EU-Kommission den Entwurf des EU Listing Act vorgelegt mit dem Ziel, die Attraktivität der europäischen Kapitalmärkte zu erhöhen und den Zugang zum Kapitalmarkt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu erleichtern. Am 14. November 2024 wurde der finale EU Listing Act nun im Amtsblatt der EU ­veröffentlicht und ist dementsprechend am 4. Dezember 2024 in Kraft getreten.

Der aus mehreren Rechtsakten bestehende EU Listing Act beinhaltet insbesondere auch Änderungen der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und der Prospektverordnung. Diese Änderungen gelten in den Mitgliedstaaten unmittelbar, sind jedoch teilweise erst ab dem 5. März 2026 bzw. dem 5. Juni 2026 anwendbar.

Änderungen der Marktmissbrauchsverordnung

Eine wesentliche Änderung der MAR ist die Reform der Ad-hoc-Publizität bei zeitlich gestreckten Vorgängen. Ab dem 5. Juni 2026 besteht die Ad-hoc-Publizitätspflicht bei gestreckten Sachverhalten nur noch bezüglich des Endereignisses und nicht mehr für Zwischenschritte. Mit der Veröffentlichungspflicht entfällt auch die Notwendigkeit, bezüglich solcher Zwischenschritte eine Aufschubentscheidung (sogenannter Selbstbefreiungsbeschluss) zu treffen. Weiterhin zu beachten sind jedoch die sonstigen insiderrechtlichen Regelungen wie das Insiderhandelsverbot, die Geheim­haltungspflicht und die Pflicht zur Erstellung von Insiderlisten. Das Endereignis selbst ist unverzüglich nach seinem Eintritt zu veröffentlichen.

Bereits seit dem 4. Dezember 2024 gilt die neue Meldeschwelle für Directors’ Dealings von 20.000 EUR pro Kalenderjahr, die von den nationalen Aufsichtsbehörden auf 50.000 EUR erhöht oder auf 10.000 EUR ­herabgesetzt werden kann. Die Bundes­anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte die bisher geltende Meldeschwelle von 5.000 EUR bereits auf den ­zuvor zulässigen Maximalbetrag von 20.000 EUR angehoben. Ob auch hinsichtlich der neuen Meldeschwelle eine Erhöhung (oder Herabsetzung) erfolgen wird, ist noch offen. Faktisch gilt daher derzeit (weiterhin) eine Grenze von 20.000 EUR pro Kalenderjahr.

Änderungen der Prospektverordnung

Erleichterungen für Sekundäremissionen: Für Emittenten von besonderer praktischer Relevanz sind die weitreichenden Änderungen der Prospektverordnung im Hinblick auf Sekundäremissionen, die bereits seit dem 4. Dezember 2024 anwendbar sind.

Volumenabhängige Prospektausnahme: Sekundäremissionen können prospektfrei durchgeführt werden, sofern das Volumen über einen Zeitraum von zwölf Monaten insgesamt weniger als 30% der bereits ­zugelassenen Wertpapiere ausmacht. ­Voraussetzung hierfür ist, dass die angebotenen Wertpapiere zum Handel an einem regulierten Markt oder einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen werden sollen und mit den bereits zum Handel an demselben Markt zugelassenen Wertpapieren fungibel sind. Diese Ausnahme von der Prospektpflicht gilt sowohl für das öffentliche Angebot als auch für die Zulassung der Wertpapiere. Emittenten, die sich in einem Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren befinden, können diese Ausnahme nicht in Anspruch nehmen.

Volumenunabhängige Prospektausnahme: Sekundäremissionen können unabhängig vom Emissionsvolumen prospektfrei durchgeführt werden, sofern die bereits börsen­notierten Wertpapiere des Unternehmens seit mindestens 18 Monaten ununterbrochen zum Handel an einem regulierten Markt oder KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind. Auch diese Prospektausnahme gilt sowohl für das öffentliche Angebot als auch für die Zulassung der Wertpapiere. Sie kann jedoch nicht für Wertpapiere, die im Zusammenhang mit einer Übernahme, Fusion oder Spaltung ausgegeben werden, sowie von Emittenten, die sich in einem Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren befinden, in ­Anspruch genommen werden.

KMU-Wachstumsmarkt
Einziger in Deutschland registrierter KMU-Wachstumsmarkt ist derzeit das Segment Scale im Freiverkehr (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse.

 

In beiden Prospektausnahmefällen ist ­lediglich ein elfseitiges zusammenfassendes Dokument mit bestimmten Basis­informationen elektronisch an die BaFin zu übermitteln und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Höherer Schwellenwert für prospektfreie Kleinemissionen

Für kleinere Emissionen wird der Schwellenwert, bis zu dem öffentliche Angebote prospektfrei durchgeführt werden können, ab dem 5. Juni 2026 von 8 Mio. EUR auf 12. Mio. EUR – berechnet für einen Zeitraum von zwölf Monaten – erhöht, wobei dieser Schwellenwert durch die Mitgliedstaaten auf 5 Mio. EUR herabgesetzt werden kann. Für öffentliche Angebote unterhalb dieser Schwelle können die Mitgliedstaaten zusätzliche nationale Veröffentlichungspflichten vor­sehen; vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass in Deutschland für solche Angebote auch weiterhin grundsätzlich ein Wertpapier-­Informationsblatt erforderlich sein wird.

Neue Prospektstandards und -formate

Für Wertpapierprospekte sieht die geänderte Prospektverordnung zukünftig neue Standards und Formate vor. Ab dem 5. Juni 2026 gilt für Standardprospekte ein einheitliches Format und ein vorgegebener Aufbau mit einer festgelegten Reihenfolge der aufzunehmenden Informationen. Bei Aktienemissionen ist eine maximale Länge von 300 Seiten vorgeschrieben, wobei die Zusammenfassung, per Verweis aufgenommene Informationen und Informationen, die aufgrund einer komplexen Finanzhistorie zusätzlich erforderlich sind, nicht mitgerechnet werden.

Gesellschaften, die trotz der weitreichenden Ausnahmen für Sekundäremissionen einen Prospekt erstellen müssen (oder ­wollen), können den neuen EU-Folgeprospekt nutzen. Dieser ersetzt das derzeitige vereinfachte Prospektformat für Sekundäremissionen und steht ab dem 5. März 2026 Emittenten zur Verfügung, deren Wertpapiere seit mindestens 18 Monaten ununterbrochen zum Handel an einem regulierten Markt oder einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind. Der EU-Folgeprospekt darf (ausschließlich der oben genannten Informationen) maximal 50 Seiten umfassen.

Der ebenfalls ab dem 5. März 2026 zur Verfügung stehende EU-Wachstumsemissionsprospekt ersetzt den derzeitigen EU-Wachstumsprospekt. Der EU-Wachstumsemissionsprospekt kann verwendet ­werden von KMU, Emittenten, deren Wertpapiere in den Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt einbezogen sind oder werden sollen, sowie sonstigen nicht in ­einem multilateralen Handelssystem (MTF) notierten Emittenten mit einem Gesamt­emissionsvolumen von weniger als 50 Mio. EUR über einen Zeitraum von zwölf Monaten und durchschnittlich maximal 499 Mitarbeitern im vorausgegangenen Geschäftsjahr. Voraussetzung ist in allen Fällen zudem, dass die Gesellschaft noch keine Wertpapiere begeben hat, die zum Handel an einem ­regulierten Markt zugelassen wurden. Die maximale Länge des EU-Wachstumsemissionsprospekts beträgt (ausschließlich der oben genannten Informationen) 75 Seiten.

Fazit

Für börsengelistete Gesellschaften bringen sowohl die Änderungen der MAR als auch die Neuerungen im Prospektrecht erhebliche Erleichterungen. So ist zu erwarten, dass sich die Anzahl der Selbstbefreiungsbeschlüsse infolge der Änderungen zur Ad-hoc-Publizität erheblich verringern wird. Zudem werden Kapitalerhöhungen ohne Prospekt künftig eher die Regel als die Ausnahme sein, da Emittenten entweder von den neuen Ausnahmevorschriften Gebrauch machen können oder ihre Kapitalmaßnahmen (weiterhin) so strukturieren, dass sie die für Kleinemissionen geltende Schwelle nicht überschreiten.

Autor/Autorin

Gudrun Moll
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Steuerberaterin, Legal Director at