Gerrit Fey MAR
Dr. Gerrit Fey zum Thema MAR

Wie frei ist der Freiverkehr?
Auch Unternehmen, die sich bisher so gut wie gar nicht mit Kapitalmarktkommunikation beschäftigt haben, sind vom Vereinheitlichungsstreben bei den Publizitätsregelungen betroffen. Dazu Lowis, der zugleich Präsident des Deutschen Investor Relations Verbands ist und in dieser Funktion den gesamten Markt im Blick hat: „Interessant ist, dass die Marktmissbrauchsverordnung für Emittenten im Freiverkehr, die keine IR-Abteilung haben, allerhand neue Verpflichtungen beinhaltet. Diese Emittenten werden den Besonderheiten von Investor Relations zukünftig mehr Bedeutung beimessen müssen.“

Während nämlich das WpHG mit seinen Publizitätspflichten nur den organisierten Kapitalmarkt erfasst, erstrecken sich die neuen Vorschriften auch auf Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Teil seit Jahren in den Freiverkehr einbezogen sind. Experten halten für wahrscheinlich, dass es den einen oder anderen Vorstand kalt erwischen könnte. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass dies auch Unternehmen angeht, die nur mit Schuldtiteln handeln.

Wie adhoc ist Ad-hoc?
Dabei ist eine europaweite Vereinheitlichung insbesondere der Ad-hoc-Regulierung begrüßenswert. Insbesondere im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden M & A- Aktivitäten treten konkurrierende Regulierungen auf. Zum Beispiel setzt sich ein deutscher Vorstand bei der Übernahme eines französischen Unternehmens dem Dilemma aus, dass in Frankreich der Betriebsrat vor allen anderen das Recht hat, die Belegschaft zu informieren, während der deutsche Käufer zunächst die Bereichsöffentlichkeit herstellen muss. Solche Konflikte räumt die MAR nicht aus, hingegen ruht die Hoffnung auf der Schaffung eines gemeinsamen Bewusstseins für die Befindlichkeiten des Kapitalmarkts.

Für Verwirrung sorgten im Vorfeld der MAR-Einführung die Leitlinien der Europäischen Wertpapierbehörde ESMA zu den Aufschubentscheidungen von Ad-hoc-Mitteilungen. Vielen Experten gingen diese zu weit. Für eine abschließende Beurteilung ist es jedoch noch zu früh. „Die ESMA richtet sich mit ihren Leitlinien an die jeweiligen Aufsichtsbehörden, in Deutschland also an die BaFin“, erläutert Dr. Gerrit Fey, der beim Deutschen Aktieninstitut für die Kapitalmarktpolitik zuständig ist. „Diese hat nach der Vorlage aller Sprachfassungen zwei Monate Zeit für die Prüfung, ob sich aus den Leitlinien Auswirkungen auf die bisherige Verwaltungspraxis ergeben könnten und wie sich die BaFin dazu stellt.“

Dem aufmerksamen Leser fällt auf, dass die ESMA in eben diesen Leitlinien dem klassischen deutschen Aufsichtsrat allerhand an Flexibilität zumutet, die in der Realität nicht unbedingt gegeben ist. Rüttelt die EU an deutschen Traditionen? Feys Schilderungen geben eine Ahnung davon, wie komplex die europäische Vereinheitlichung ist: „Das dualistische System der Unternehmensführung, bei der Geschäftsleitung und Kontrollgremium getrennt sind, hat sich bewährt. Deshalb haben wir uns auch so stark gegen die ersten ESMA-Vorschläge gewandt. Ich sehe nicht, dass sich die Unternehmen wegen einer ESMA-Leitlinie neue Governance-Strukturen geben werden. Dies ist nach aktueller Rechtslage in Deutschland auch nur im Rahmen einer Umwandlung in eine SE möglich. Es sollte vielmehr selbstverständlich sein, dass europäische Leitlinien nationale Rechtstraditionen des Gesellschaftsrechts respektieren.“