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Verfahrensaussetzung aufgrund eines Bestätigungsbeschlusses – zwingende Rechtsfolge oder Ermessensentscheidung des Gerichts?

LG Stuttgart, Urteil vom 19.07.2022 – 31 O 135/21 KfH – H&K AG

Hauptversammlungen sind ein besonderes Ereignis und eine Herausforderung. Stets muss damit gerechnet werden, dass Aktionäre einen Beschlussmangel ausmachen und Klage erheben. Ist dieser Fall eingetreten, stellt sich die Frage, wie die Gesellschaft reagieren kann und reagieren sollte.

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Für bestimmte eintragungspflichtige Beschlussgegenstände (z.B. Kapitalerhöhungen, Squeeze-outs oder Verschmelzungen) ermöglicht das Gesetz ein Freigabeverfahren, mit dem die Eintragung und damit auch die Umsetzung der betreffenden Maßnahme in einem Eilverfahren rechtssicher durchgeführt werden kann. Für andere Beschlussgegenstände, etwa Wahlen zum Aufsichtsrat oder einfache Satzungsänderungen, steht dieses Verfahren nicht zur Verfügung. Eine schlichte Verteidigung gegen die Beschlussmängelklage ist möglich, geht allerdings mit teilweise mehrjähriger Rechtsunsicherheit einher. Somit stellt sich regelmäßig die Frage, ob eine Neuvornahme der Beschlussfassung sinnvoll ist oder ein Bestätigungsbeschluss gefasst werden kann.

Rechtswirkungen des Bestätigungsbeschlusses

Der Bestätigungsbeschluss ist im Aktiengesetz explizit geregelt (§ 244 AktG). ­Attraktiv ist er deshalb, weil Mängel des Ausgangsbeschlusses in gewisser Weise rückwirkend geheilt werden. Demgegenüber würde eine Neuvornahme – sofern überhaupt sinnvoll möglich – nur für die Zukunft wirken. In Betracht zu ziehen sind Bestätigungsbeschlüsse daher insbesondere bei angefochtenen Wahlen zum Aufsichtsrat.

Bei der Entscheidung über die Vorbereitung eines Bestätigungsbeschlusses ist zu beachten, dass der Bestätigungs­beschluss nur Verfahrensfehler heilen kann, nicht hingegen inhaltliche Mängel des Ausgangsbeschlusses.

Insbesondere: Prozessuale Wirkungen des Bestätigungsbeschlusses

In prozessrechtlicher Hinsicht stellt sich die Frage, welche Auswirkungen ein Bestätigungsbeschluss auf eine gegen den Ausgangsbeschluss erhobene Beschluss­mängelklage hat. In Betracht kommt hier insbesondere eine Aussetzung des Verfahrens, bis geklärt wurde, ob ein potenzieller Mangel des Ausgangsbeschlusses durch den Bestätigungsbeschluss geheilt wurde. Diese Klärung kann entweder dadurch eintreten, dass der Bestätigungsbeschluss unangefochten bleibt, oder dadurch, dass der Bestätigungsbeschluss seinerseits angefochten wird und ein Gericht über dessen Wirksamkeit entscheidet.

Phänomen der Kaskaden

Das Zusammenspiel zwischen Ausgangs- und Bestätigungsbeschluss führt häufig dazu, dass es nicht bei einem Bestätigungsbeschluss bleibt, sondern weitere Bestätigungsbeschlüsse gefasst werden, die dann ihrerseits wieder angefochten werden müssen, wenn der Kläger nicht die Heilung des Ausgangsbeschlusses hinnehmen will (sogenannte Kaskade von Bestätigungsbeschlüssen und Anfechtungsklagen). Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Aussetzung des jeweils vorangegangenen Verfahrens dazu führen würde, dass die Entscheidung über die Mangelhaftigkeit des Ausgangsbeschlusses immer weiter hinausgezögert werden könnte.

Entscheidung des Landgerichts Stuttgart

Das Landgericht Stuttgart hatte über einen­ Fall zu entscheiden, in dem sich ­bereits ­eine Kaskade von Bestätigungsbeschlüssen und Anfechtungsklagen gebildet hatte.­ Gegenstand des Verfahrens waren also Bestätigungsbeschlüsse zu Beschlüssen aus einer früheren Hauptversammlung. Zudem hatte die Gesellschaft für eine anstehende Hauptversammlung weitere Bestätigungsbeschlüsse angekündigt.

Das Landgericht Stuttgart setzte sich in seiner Entscheidung ausführlich mit den Voraussetzungen einer Aussetzung auseinander und gelangte dabei zu folgenden Aussagen:

Verfahrensaussetzung keine zwingende Rechtsfolge

Dem Argument der beklagten Gesellschaft, eine Verfahrensaussetzung sei bereits bei einem nur in Aussicht gestellten Bestätigungsbeschluss zwingend, erteilte das Gericht eine Absage. Es fehle hierfür schlichtweg an einer Rechtsgrundlage, die insbesondere nicht in § 244 AktG zu sehen sei.

Ermessensentscheidung nach Maßgabe des § 148 ZPO

Die einzig denkbare Rechtsgrundlage für eine Aussetzung des Verfahrens sah das Gericht in der einschlägigen zivilprozessualen Vorschrift des § 148 ZPO. Diese stelle die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts, d.h., das Gericht müsse das Für und Wider der Aussetzung abwägen.

Keine allgemeine Ermessensreduzierung aus aktienrecht­lichen Gründen

Schließlich gelangte das Gericht unter Wür­digung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Literatur zu der Erkenntnis, das Ermessen des ­Gerichts sei auch nicht durch aktienrechtliche Besonderheiten derart reduziert, dass stets nur die Aussetzung des Verfahrens in Betracht komme. Man müsse zwar darauf achten, dass der Gesellschaft das rechtliche Gehör in Bezug auf den Bestätigungsbeschluss erhalten bleibe. Dieser Aspekt sei jedoch allenfalls gering zu gewichten, wenn wie im vor­liegenden Fall der Bestätigungsbeschluss nur angekündigt, aber noch nicht gefasst sei.

Fazit

Die Frage der Aussetzung des Verfahrens aufgrund eines Bestätigungsbeschlusses bleibt eine Einzelfallentscheidung. Spätestens dann, wenn das Gericht die Entstehung einer Kaskade von Bestätigungsbeschlüssen und Anfechtungsklagen wittert, muss damit gerechnet werden, dass eine Aussetzung unterbleibt. Die Wirkungen des Bestätigungsbeschlusses können dann allerdings in der Folgeinstanz erneut vorgebracht werden. Und spätestens in der letzten Instanz (Revisionsinstanz) ­gewinnt das Argument des rechtlichen Gehörs noch einmal an Bedeutung.

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Autor/Autorin

Dr. Thomas Zwissler

Rechtsanwalt Dr. Zwissler berät bei gesellschafts-, bank- und kapitalmarktrechtlichen Fragen sowie in allen Fragen der Unternehmensfinanzierung.

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