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Am vergangenen Mittwoch und Donnerstag versammelten sich zahlreiche Expertinnen und Experten der Life Sciences auf den Finance Days der GoingPublic Media AG, ausgerichtet im Rahmen der analytica, Weltleitmesse für Labortechnik, Analytik und Biotechnologie in München. Rund 40 Referentinnen und Referenten aus Finanzierung, Smarter Medizin, Bioökonomie, Wirkstoffentwicklung und Medizintechnik kamen vor vollbesetzten Stuhlreihen zusammen, um über Trends und Entwicklungen, Chancen und Risiken der Lebenswissenschaften zu referieren und zu diskutieren. Darüber hinaus stellten Vertreter und Vertreterinnen von neun Life-Science-Start-ups im Rahmen des „Start-up Pitch“ ihre innovativen Geschäftsideen vor.

Dr. Thomas Huber

Die Keynote am Mittwochvormittag zum Thema „EHDS – digitale Chancen für Deutschland und Europa“ wurde anschaulich gehalten von Dr. Thomas Huber, Ministerialdirigent im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention. Der Europäische Gesundheitsdatenraum (European Health Data Space, EHDS) ist eine Initiative innerhalb der EU. Ziel ist es, die nationalen Gesundheitssysteme durch den sicheren und effizienten Austausch von Gesundheitsdaten stärker miteinander zu verknüpfen. Die EHDS soll künftig die entscheidenden Impulse setzen, geregelt mit sensiblen Gesundheitsdaten umzugehen und diese grenzüberschreitend nutzbar zu machen.

„Wir brauchen einen Paradigmenwechsel“

Darüber hinaus stand der erste Tag der Finance Days als Fachtag im Zeichen von Smarter Medizin und Circular Bioeconomy. So widmete sich Panel 1, moderiert von Dr. Jens Wiehler, Digital Health Lead, Managing Director DigiMedBayern, dem Thema „Daten und KI: Geringfügiger oder disruptiver Einfluss auf Geschäftsmodelle und Investitionen?“.

Als Gäste auf dem Podium standen Andreas Schmidt von Springboard Health Angels, Dr. Rainer Strohmenger, von Wellington Partners und Dr. Fei Tian, Principal von MIG Capital Rede und Antwort. Fei Tian unterstrich, dass sich angesichts der wachsenden Bedeutung von KI und Digitalisierung sowohl Geschäftsmodelle als auch Investmentstrategien entscheidend verändern würden. Gerade Start-ups bräuchten aber einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu Daten. Und auch der monetäre Wert von Daten sei zu klären.

 

Prof. Dr. Dr. Torsten Haferlach

Der erste Vortrag des Tages, gehalten von Prof. Dr. med. Dr. phil. Torsten Haferlach, MLL Münchner Leukämie Labor, stellte das Thema „Künstliche Intelligenz im Kampf gegen Krebs“ vor. Der Referent gab einen sehr bildhaften Einblick darüber, wie KI ganz konkret im Ragmen der Krebsforschung genutzt werden kann. Anschließend setzte sich der zweite Vortrag des Tages von Dr. Alexander Oeser von der Universität Leipzig mit dem Thema „Evidenz vs. Bauchgefühl: Wie smarte Datenanalyse klinische Entscheidungsprozesse sinnvoll ergänzen kann“ auseinander. Er unterstrich: „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel!“

Der Mittwochnachmittag widmete sich dann der Circular Bioeconomy, mit den Schwerpunkten „Ernährung“ und „Alternative Verpackungen“. Die Keynote „Financing strategies for deep tech startups“ wurde gehalten von Dr. Nadine Geiser, vom Climatetech-VC-Anbieter World Fund, der kürzlich seinen 300-Mio.-Euro-schweren Fonds geschlossen hat, den bislang größten, jemals in Europa aufgelegtem Climatetech-VC-Fonds.

Dr. Nadine Geiser

Den Erfolgsfaktoren von Investments in „Alternative Foods“ auf die Spur kam anschließend das Panel “Investments in Alternative Foods –The Secrets of Success“, moderiert von Business Angel Robert Kronekker. Er begrüßte Dr. Michael Brandkamp vom European Circular Bioeconomy Fund, Fabio Ziemßen, Zintinus, Tom Nicholson, The Supplant Company und Dr. Nadine Geiser auf dem Podium.

Anschließend präsentierte Dr. Michael Brandkamp seinen Vortrag „Disrupting Packaging: Unleashing the Power of Sustainable Biobased Investments for the Future“, bevor sich das zweite Panel des Tages dem Thema „Nachhaltige Verpackungen“ widmete, mit dem Schwerpunkt “Investments in sustainable packaging – Without capital, sustainability becomes a pain“.

Moderiert wurde das Panel von Dr. Christiane Maxien von Wallinger Ricker Schlotter Tostmann. Sie begrüßte Dr. Jan-Michael Heinrich, von pluriSelectLife Science, Jakob Röskamp, tracelessmaterials, Dr. Albrecht Läufer, Blucon und Rob van der Meij von Capricorn Partners.

Prof. Dr. Haralabos Zorbas

Der Vortrag „Herausforderung Nachhaltigkeit“, gehalten von Prof. Dr. Haralabos Zorbas vom IBB Netzwerk, beschloss den ersten Tag der Finance Days.

„Investitionen müssen transparenter werden“

Der zweite Tag der Finance Days, Donnerstag, 11. April, widmete sich dem Thema „Wachstumskapital für die Life Sciences“. Die Keynote: „Investitionen in die Zukunft: Beteiligungskapital als Treiber der Life Science Innovation“ wurde gehalten von Ulrike Hinrichs, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, des Bundesverbandes Beteiligungskapital BVK.

Ulrike Hinrichs

Sie mahnte eine verbesserte Transparenz von Investitionen in Life Science-Unternehmen an. Finanzierungen in innovative Technologien sollten besser kommuniziert werden um mehr Werbung für wichtige Zukunftstechnologien zu machen. Gerade heimische VC-Fonds würden zudem unter einem zu geringen Fondsvolumen leiden, benötigen Finanzierungen in die Lebenswissenschaften doch höhere Finanzierungssummen. Es brauche daher mehr finanzstarke Ankerinvestoren.

Es folgte das erste Panel des Tages „Venture Capital und aktuelle Finanzierungstrends“, moderiert von Benedikt Mahr, von der Kanzlei Weitnauer, der mit seinen Gästen Andreas Huber von Bayern Kapital, Tilmann Petersen, High-Tech Gründerfonds und Kerstin M. Bode-Greuel von Bioscience Valuation BSV, aktuelle Trends und Entwicklungen im Finanzierungsgeschehen diskutierte. Es zeigte sich, dass Finanzierungen in Life Sciences bis 2021 spürbar angestiegen seien. Vor allem die Onkologie sei ein attraktives Investmentziel für Investoren, stellte Kerstin Bode-Greuel in einem grafischen Überblick dar.

Aktuell rückgängige Zahlen, im Gegensatz zum Boom der Corona-Zeit, sah Andreas Huber als „Back to normal“ an. Zudem hätten viele VC-Geber in Zeiten der Pandemie zunächst darauf geachtet, vorrangig ihre eigenen Portfolio-Unternehmen durchzufinanzieren. Aktuell aber, so die einhellige Meinung, herrsche eine positive Grundstimmung. Die Fonds seien gut gefüllt und das Geld will investiert werden.

Der Vortrag „Across the pond: Why life science startups should think big“ von Stefan B. Beerhalter, Vice President, Germany, Start2 Group, unterstrich die Notwendigkeit deutscher Life-Science-Start-ups, in Sachen Finanzierung und Unternehmensentwicklung in größeren, internationalen Maßstäben zu denken. Produkte müssten am Ende immer kommerzialisiert werden. Und da führe kein Weg am größten Healthcare-Markt der Welt, dem US-amerikanischen Markt, vorbei.

Ein wesentliches Erfolgsgeheimnis nachhaltiger Wirkstoffentwicklungen ist und bleibt die Zusammenarbeit von Start-ups mit „Big Pharma“. Diesem Thema widmete sich das Panel „Pharma und Biotech: Von Kollaboration bis M&A“, moderiert von Caspar Stauffenberg, Managing Partner bei Carlsquare. Er diskutiert gemeinsam mit Benedikt von Braunmühl, CEO von Rentschler Biopharma, Dr. Heiko Frank, WTS Advisory, Dr. Thomas Jahn, Dewpoint und Christian Stock, Head of Mergers & Acquisitions bei Medios.

Die Podiumsteilnehmer bemängelten das in der Vergangenheit häufig aufgetretene hohe Bewertungsniveau der Kaufkandidaten. Dieses sei in vielen Fällen nicht gerechtfertigt gewesen. Der gegenwärtige Trend fallender Bewertungen sei daher als „new normal“ zu bezeichnen. Gleichzeitig werde wieder mehr Zeit für eine grundlegende Due Dilligence aufgebracht. Natürlich würden sich Börsengänge als Finanzierungsinstrumente eignen. Doch bei weiteren Finanzierungsrunden über Kapitalerhöhungen sollte darauf geachtet werden, die Aktionärsstruktur nicht zu sehr zu verwässern, gerade im Hinblick auf die Altaktionäre.

Im vorletzten Panel des Tages „Börsengang und Börsennotiz“ diskutierte Markus Rieger, Vorstand der GoingPublic Media AG, über Chancen und Herausforderungen für Life-Science-Unternehmen beim „Gang aufs Parkett“. Er begrüßt Markus Groß, Sprecher des Vorstands bei PAS, Enno Spillner, CFO bei Formycon und Markus Mayer, Head of Capital Markets der Baader Bank.

Es wurde festgestellt, dass der deutsche DAX-Index zwar auf Rekordhöhe agiert, die Werte im Small- und Midcap-Bereich jedoch stagnieren. In der Vergangenheit hätten zu hohen Bewertungen mitunter dazu geführt, dass Unternehmen an die Börse gegangen seien, „die da nicht hingehören“. Dies sei gefährlich, denn Investoren zögen sich zurück, wenn ein Unternehmen nicht mehr rentabel sei. Viele Unternehmen zöge es dabei fast automatisch an die US-Börsen Nasdaq oder Nyse. Frankfurt als Börsenplatz würde häufig gar nicht mehr diskutiert.

Dr. Andreas Eckert und Ulrich Scherbel

Im letzten Panel „How to..? – Life Sciences Unternehmen verraten ihre Erfolgsgeheimnisse“, befragte Holger Garbs, Redakteur der Plattform Life Sciences, Unternehmer aus den Life Sciences nach ihren reichhaltigen Erfahrungen. Es berichteten Steffen Schuster, CEO der ITM Group, Ulrich Scherbel, CEO von Amsilk und Dr. Claus Kremoser, Gründer und CEO von WMT. Ein grundlegendes Erfolgsgeheimnis sei Hartnäckigkeit, verbunden mit der Resilienz, sich von potenziellen Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Nicht jeder Gründer werde automatisch auch ein guter Unternehmer sein.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.