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Die Münchner Thermosome GmbH präsentiert vielversprechende Phase-I-Daten ihres Wirkstoffs THE001 zur Behandlung fortgeschrittener Weichteilsarkome. Die Ergebnisse sprechen für ein innovatives Wirkprinzip – und gegen bisherige Dogmen in der Onkologie. Doch kann der Ansatz auch den Sprung in die Phase II und darüber hinaus schaffen? Von Urs Moesenfechtel

Eine Nische mit großer Dringlichkeit

Weichteilsarkome stellen die Entwickler neuer Krebstherapien vor ein strukturelles Problem: Mittlerweile werden über 100 verschiedene Subhistologien unterschieden, doch keine davon teilt eine gemeinsame Treibermutation. Das macht biologische Therapien wie Antikörper oder Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) nur für sehr kleine Patientengruppen sinnvoll einsetzbar. Kommerzielle und regulatorische Hürden sind dadurch hoch. Zusammen mit Glioblastomen und Pankreaskarzinomen zählen STS zu den drei großen onkologischen Indikationen mit besonders hohem „unmet medical need“.

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Thermosomes Ansatz, bei dem Wärme als Freisetzungstrigger dient, umgeht diese biologische Limitierung vollständig. Er nutzt mit Doxorubicin die bewährteste Substanz für STS, die in etwa zwei Drittel der Subtypen als Erstlinientherapie wirksam ist – und macht sie durch lokalisierte Freisetzung wieder nutzbar.

Wärme als Schlüssel zur gezielten Wirkstofffreisetzung

Im Mittelpunkt steht der Wirkstoffkandidat THE001, eine thermosensitive Liposomenformulierung des etablierten Chemotherapeutikums Doxorubicin, kombiniert mit regionaler Hyperthermie (RHT). Der Trick: Durch gezielte lokale Erwärmung wird das Medikament im Tumorgewebe freigesetzt – mit bis zu 15-fach höheren lokalen Konzentrationen als bei herkömmlicher Gabe. „Wir sind nicht von einem biologischen Target abhängig“, erklärt das Unternehmen. Diese Technologie könnte laut Unternehmen einen Paradigmenwechsel in der Behandlung von STS einläuten, denn Doxorubicin ist bereits heute Standardtherapie und in etwa zwei Drittel der STS-Subtypen wirksam.

Phase-I-Daten: Sicherheit, Wirksamkeit – und ein bemerkenswerter Fall

Die nun veröffentlichten Phase-I-Daten legen eine solide Grundlage: Bei stark vorbehandelten Patienten, darunter auch DOX-erfahrene Fälle, zeigte sich eine mediane progressionsfreie Überlebenszeit (PFS) von 4,5 Monaten – deutlich höher als bei Standard-Doxorubicin (2,7–3,5 Monate in therapienaiven Patienten). Besonders überzeugend ist laut Unternehmen die zweite Dosierungsstufe (40 mg/m²): Zwei von drei Patienten erreichten eine partielle Remission und erhielten alle zwölf möglichen Therapiezyklen. Ein Patient mit zuvor inoperablem Tumor konnte nach der Behandlung operiert werden – ohne Nachweis vitaler Tumorzellen. Laut Unternehmen traten keine dosislimitierenden Toxizitäten oder hochgradigen behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse auf.

Dr. Frank Hermann, Chief Medical Officer von Thermosome, bewertet die Ergebnisse klar: „Diese Ergebnisse liefern nicht nur einen konsistenten Nachweis für das galenische Konzept der durch Wärme ausgelösten, weitgehend vollständigen DOX-Freisetzung aus THE001, sondern zeigen auch einen klinischen Nutzen in einer sehr anspruchsvollen Patientengruppe.“

Internationale Experten zeigen sich optimistisch

Unterstützung kommt von hochkarätigen Fachleuten. So sieht Prof. Alexander Eggermont vom Universitätsklinikum Utrecht die Daten als „notwendige Grundlage für den Übergang in die Phase-II-Proof-of-Concept-Entwicklung“. Auch Prof. Shreyaskumar Patel vom MD Anderson Cancer Center betont: „Die Ausweitung auf Phase II, auch in den USA, würde eine dringend benötigte Validierung dieser neuen therapeutischen Strategie für Patienten mit STS bieten.“

Die FDA hat dem Projekt bereits den Orphan-Drug-Status verliehen – ein Signal für den hohen Bedarf und das Innovationspotenzial des Ansatzes.

Investoren setzen auf klinischen und kommerziellen Erfolg

Die bisherige Finanzierung ist beachtlich: Rund 20 Mio. Euro Eigenkapital sowie 6–7 Mio. Euro Fördermittel flossen in die Entwicklung. Investoren wie der High-Tech Gründerfonds, Bayern Kapital, Occident und Coparion sowie mehrere nicht genannte Privatinvestoren mit signifikanten Summen zeigen Vertrauen – nicht nur in die Technologie, sondern auch in das Marktpotenzial. Mit rund 72.000 potenziell behandelbaren Patienten in den acht wichtigsten Märkten (USA, Japan, EU5, China-Ostküste) und einem Umsatzpotenzial von bis zu 2 Mrd. US-Dollar für STS ist das wirtschaftliche Ziel ebenso ehrgeizig wie realistisch.

Der Weg zum Erfolg ist noch lang

Thermosome geht mit THE001 einen mutigen und technisch anspruchsvollen Weg, der sich klar vom Mainstream biologischer Targeting-Ansätze abhebt. Das physikalisch gesteuerte Tumor-Targeting könnte sich in einem ansonsten therapeutisch vernachlässigten Bereich als „First-in-Class“-Innovation etablieren. Entscheidend wird sein, ob sich die Phase-I-Ergebnisse in einer größeren, kontrollierten Studie bestätigen lassen – und ob die Kombination aus lokal erhöhter Wirkstoffkonzentration und guter Verträglichkeit auch bei anderen Tumorentitäten greift. Die Karten dafür stehen dafür nach den jüngsten Ergebnissen nun nicht schlecht. Doch wie bei allen frühen onkologischen Entwicklungen gilt: Der Weg zur Zulassung ist lang, die Konkurrenz schläft nicht – und Phase-II-Daten werden über das weitere Potenzial von THE001 entscheiden.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.