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Private Stiftungen tragen entscheidend dazu bei, dass medizinische Forschung in Deutschland voranschreiten kann – oft dort, wo staatliche oder industrielle Förderlogik an ihre Grenzen stößt. Besonders in Bayern zeigt sich, wie stark das ­Zusammenspiel von Stiftungen, Universitäten und neuen Initiativen das Innovationsklima prägt. Jüngste politische ­Beschlüsse setzen zusätzliche Impulse und eröffnen neue Wege für medizinische Durchbrüche und Start-up-Finanzierungen. Von Ernst G. Wittmann

Mit knapp 26.350 Stiftungen bürgerlichen Rechts, von denen 89% gemeinnützige Zwecke verfolgen, stellt der deutsche Stiftungssektor jährlich mehrere Mrd. EUR für wissenschaftliche Projekte zur Verfügung. Allein die deutschen Universitäten erhielten 2024 rund 600 Mio. bis 650 Mio. EUR von Stiftungen, was ca. 7% ihrer Drittmittel ausmachte. Die Angaben variieren stark und sind letztlich abhängig von der Art der Stiftung ­(Förder- oder operative Stiftung) sowie dem spezifischen Bereich der Forschung.

Stiftungen als Motor medizinischer Spitzenforschung

Die medizinische Forschung profitiert ­besonders stark von dieser privaten ­Förderung. Bedeutende Stiftungen wie die Wilhelm Sander-Stiftung, eine der größten privaten Forschungsstiftungen im medizinischen Bereich, haben bis heute über 2.700 Projekte mit 350 Mio. EUR bewilligter Fördermittel unterstützt, vornehmlich in der Krebsforschung. Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) fördert medi­zinische Forschung und medizinisch-­humanitäre Projekte und unterstützt insbesondere medizinische Nachwuchswissenschaftler. Die Hector Stiftung fördert Projekte mit einem Volumen von 150.000 bis 3 Mio. EUR über maximal fünf Jahre, insbesondere in den Bereichen Onkologie, Kardiologie und neurologische Erkrankungen.

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Unabhängigkeit und Vielfalt der Förderlogik

Die Stiftungsförderung unterscheidet sich fundamental von der Industrieförderung. Während nur etwa 17% aller universitären Drittmittel in Deutschland aus der Wirtschaft stammen, sind private Stiftungen gemeinnützige Einrichtungen mit klar ­definierten Stiftungszwecken. Sie ermög­lichen unabhängige Forschung ohne ­kommerzielle Interessen und fördern ­häufig Nischenbereiche, die anderweitig schwer zu finanzieren sind. Die Univer­sität Tübingen beispielsweise nahm 2020 etwa 45,6 Mio. EUR Stiftungsmittel ein, was 18,5% aller Drittmittel entspricht – ein Beispiel für die bundesweite Bedeutung der Stiftungsförderung.

Nachwuchswissenschaftler im Fokus

Besonders bedeutsam ist die Rolle der Stiftungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Programme wie das der Else Kröner-Fresenius-Stiftung mit ihren Clinician-Scientist-Professuren, die jeweils mit 1,1 Mio. EUR für maximal zehn Jahre ausgestattet sind, schaffen Brücken zwischen klinischer Praxis und Forschung. Die ­Hermann und Lilly Schilling-Stiftung ­fördert via ihren mit 20.000 EUR dotierten Forschungspreis gezielt junge Neuro­wissenschaftler.

Bayern als Vorreiter in der ­Stiftungslandschaft

Bayern nimmt in der deutschen Stiftungslandschaft eine besondere Stellung ein. Bayerische Universitäten und Forschungseinrichtungen profitieren von einer ­Vielzahl regionaler und überregionaler Stiftungen. In Bayern kommen auf 100.000 Einwohner 34,3 Stiftungen. Damit liegt der Freistaat deutlich über dem Bundesschnitt von 31,6. Allein die Medizinische Fakultät Erlangen verfügt über mehr als 20 Fördervereine und zahlreiche Stiftungen, von der Dr. Fritz Erler Stiftung für operative Medizin bis hin zur Novartis-Stiftung für therapeutische Forschung. Als jüngste und bedeutendste Entwicklung entstand 2024 die M1 – Munich ­Medicine Alliance, eine Stiftung des ­öffentlichen Rechts, die die Ludwig-­Maximilians-Universität (LMU), die Technische Universität München (TUM), beide Universitätsklinika und das Helmholtz Forschungszentrum e.V. Munich unter ­einem Dach vereint. Ihr Ziel ist es, die Translation wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Patientenversorgung zu ­fördern und die interdisziplinären Schnittstellen zwischen Medizin, Technologie und Informatik im Kontext der Innovation auszubauen.

Bayerische Universitäten und Forschungseinrichtungen profitieren von einer ­Vielzahl regionaler und überregionaler Stiftungen. In Bayern kommen auf 100.000 Einwohner 34,3 Stiftungen.

Diese Stiftungsförderung ist nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Lehre von entscheidender Bedeutung. Viele Stiftungsmittel fließen in die Finanzierung neuer Professuren und Personalstellen und stärken damit sowohl die ­Forschungskapazität als auch die akademische Ausbildung künftiger Mediziner.

Der Bayerische Ministerrats­beschluss: VC4Start-ups Initiative

Am 2. Juli 2024 beschloss der Bayerische Ministerrat eine wegweisende Initiative zur Stärkung der Start-up-Finanzierung. Die VC4Start-ups Initiative Bayern umfasst ein Gesamtvolumen von bis zu 2 Mrd. EUR für den Zeitraum 2025 bis 2035 und zielt darauf ab, das bayerische Start-up-Ökosystem durch zwei neue Fonds­generationen zu stärken. Herzstück der ­Initiative ist der „Superrisikokapitalfonds“ mit einem Volumen von 600 Mio. EUR, bei dem Bayern Kapital staatliche Finan­zierungsanteile von bis zu 50 Mio. EUR pro Unternehmen ermöglicht. Diese Erhöhung des staatlichen Finanzierungsanteils ist eine direkte Reaktion auf die seit 2022 ­eingetrübte Finanzierungslandschaft für Start-ups, die durch den Ukrainekrieg und die Zinswende entstanden ist.

Die Stiftungsförderung ist nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Lehre von entscheidender Bedeutung.

Synergien zwischen Stiftungsför­derung und Venture Capital

Der Bayerische Beschluss zur VC-Förderung ergänzt die etablierte Stiftungslandschaft optimal. Während private Stiftungen traditionell die Grundlagenforschung und den frühen Technologietransfer ­fördern, adressiert die VC4Start-ups ­Initiative die spätere Wachstumsphase von innovativen Unternehmen, insbesondere im Deeptechbereich.

Diese Kombination ist besonders für die medizinische Forschung relevant. ­Viele medizinische Innovationen beginnen als Grundlagenforschung in univer­sitären Einrichtungen, oft gefördert durch private Stiftungen. Der Weg von der ­wissenschaftlichen Entdeckung zum markt­reifen Medizinprodukt oder Therapeu­tikum erfordert jedoch erhebliche Inves­titionen, die durch die neue VC-Initiative unterstützt werden können. Institutionen wie die M1 – Munich Medicine Alliance fungieren dabei als wichtige Brücke, ­indem sie die Translation wissenschaft­licher Erkenntnisse in die klinische ­Anwendung fördern.

Bayern positioniert sich damit als ­führender Standort für medizinische Innovation, der sowohl die frühen Phasen der Forschung durch ein starkes Stiftungs­wesen als auch die späteren Kommerzialisierungsphasen durch staatliches Venture Capital unterstützt. Diese durchgängige Förderung von der Grundlagenforschung bis zur Marktreife schafft optimale Bedingungen für medizinische Durchbrüche und deren Translation in patientenrelevante Anwendungen.

Private Stiftungen bleiben unverzichtbar für die unabhängige Grundlagenforschung.

Ausblick

Die Kombination aus traditioneller ­Stiftungsförderung und innovativer VC-Politik gepaart mit der bundesweiten Deutschen Forschungsgemeinschaft zeigt, wie ein modernes Innovationsökosystem gestaltet werden kann. Private Stiftungen bleiben unverzichtbar für die unabhän­gige Grundlagenforschung, während staat­liches Venture Capital die kommer­zielle Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse ermöglicht. Bayern nimmt mit dieser dualen Strategie eine Vorreiterrolle ein, die anderen Bundesländern als Modell dienen könnte.

Autor/Autorin

Ernst G. Wittmann

Dipl.-Kfm. Ernst G. Wittmann ist ausgebildeter Finanzanalyst sowie langjähriger Stiftungsmanager und seit Januar 2024 Vorstandsvorsitzender der Wilhelm Sander-Stiftung. Er blickt auf eine langjährige Erfahrung in leitender Funktion im Stiftungs- und Finanzmanagement. Zudem ist er seit 2013 ehrenamtlicher Handelsrichter am Landgericht I, 3. Handelskammer in München sowie Lehrbeauftragter an einer privaten Hochschule in München.