Venture Capital steigt deutlich – UK europäischer Spitzenreiter

Zusammen erhielten die (teils ehema­ligen) privaten deutschen Biotechunternehmen 882 Mio. EUR und damit 84% mehr als im Vorjahr. Damit hat Deutschland im europäischen Vergleich nach dem Report von EY Frankreich abgehängt, mit dem es 2019 noch gleichauf lag (bei rund 480 Mio. EUR). 2020 konnten fran­zösische Biotechs nur noch 386 Mio. EUR einsammeln. Dafür rückte die Schweiz mit 402 Mio. EUR hinter Deutschland an die dritte Position. Europäischer Spitzenreiter bleibt UK, wo sich das Volumen auf knapp 1,1 Mrd. EUR verdoppelt hat. Allerdings hebt EY auch an dieser Stelle mahnend den Zeigefinger: Ohne die Venture-­Capital-Runden für CureVac wäre Deutschland Schlusslicht im Vergleich dieser vier ­Länder. Verzerren die Finanzierungs­erfolge in Tübingen und Mainz also das Gesamtbild so stark, dass man Gefahr läuft, mit einem falschen Durchschnittsblick auf die deutsche Branche zu ­schauen? Ja und Nein, denn ein „Überschwappen“ dieser singulären Ereignisse auf andere Bereiche war auch 2020 schon zu sehen: „Hervorzuheben ist, dass unter den insgesamt 20 Finanzierungsrunden acht sehr junge Unternehmen in ihrer Seed-Phase oder bei der Erstrundenfinanzierung Venture Capital erhielten. Das ­alles zeigt, dass Investoren die Aussichten des hiesigen Biotechstandorts positiv ­beurteilen und bereit sind, stärker ins ­Risiko zu gehen, um Innovationen zu ­fördern“, erläuterte Dr. Nuyken bei der Vorstellung des Reports. Die deutschen Biotechunternehmen gingen im vergangenen Jahr zwar weniger Allianzen ein – nur noch 33, was einem Rückgang um 60% ­gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dafür stieg das Allianzvolumen aber um 57% auf 6,9 Mrd. EUR. Vor allem vier Megadeals zwischen 1 Mrd. und 1,8 Mrd. EUR waren für den deutlichen Wertanstieg verantwortlich – und hier war zwar auch wieder CureVac beteiligt, aber auch andere, wie Affimed, MorphoSys oder Immatics.

Welche Teile der Dynamik lassen sich übertragen?

In einer vorläufigen Vergleichsstudie von BIO Deutschland wird deutlich, dass der positive Effekt noch anhält. Im Vergleich der beiden ersten Halbjahre 2020 und 2021 sei demnach das Volumen der VC-­Finanzierung aktuell um den Faktor sechs höher, die Kapitalerhöhungen lägen im ersten Halbjahr 2021 immerhin noch mit einem Plus von rund 30% über dem ­damaligen Stand von 2020. Hier ist zu ­berücksichtigen, dass die VC-Geber im ersten Halbjahr 2020 noch mitten im ­Krisenmodus zur „Rettung des eigenen Portfolios“ unterwegs waren und ihre ­große Zurückhaltung erst im zweiten ­ablegten – dann aber gewaltig auf die Tube drückten. In unserem Magazin lassen wir Experten das Auf und Ab der Kurse und ­Finanzierungswellen in verschiedenen Beiträgen analysieren – aber auch auf die Gründer-Ökosysteme blicken.

Bis hierher haben auch Sie sich von ­diesen positiven Nachrichten vielleicht mitreißen lassen, aber es gibt auch eine „gefühlte“ andere Perspektive: Wir mühen uns in Deutschland, aber auch in fast allen anderen Ländern noch immer recht zäh durch die Coronapandemie mit einer nun vierten Welle, spontanen Lockdowns in Australien und Neuseeland, Hochrisiko­gebieten, nach oben schnellenden Infek­tionszahlen, Maskenbeschaffungsaffären, einer stabilen Gruppe von Impfgegnern, die die anderen gerne auch noch als ­„Verschwörungsleugner“ diffamieren, der leidigen Luftfilterdiskussion in Schulen, selbsternannten und anerkannten Experten, grassierenden Zweifeln an so mancher ­offiziellen Statistik von Übersterblichkeit bis Intensivbettenbelegung u.v.a.m.

Doch all diese Themen finden sich – bis auf eine gewisse Skepsis, ob die Erfolgs­meldungen ewig anhalten werden und ob die Branche in Gänze von der gestiegenen Aufmerksamkeit bereits ausreichend ­profitiertnicht auf den folgenden Seiten, denn sie passen eher in den gesellschaft­lichen Diskursraum, den privaten Austausch oder auch das echte Expertengespräch, in Räume also, in denen ein ­kommunikativer Austausch möglich ist. Dass wir diese Räume zunehmend wieder persönlich nutzen können, das ist für mich das größte Geschenk der Biotech­nologie – vielen Dank dafür!

Eine ganze Ausgabe im Zeichen der Biotechnologie-Innovationen, hier zum Lesen

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