Die Deutsche Biotechnologie steht im Scheinwerferlicht. Es ist nun sogar ein erstaunlicher Allgemeinplatz geworden: „Die deutsche Biotechnologie hat die Welt gerettet“ (so können Sie das in unserem aktuellen Magazin auf S. 78 und in vielen anderen Beiträgen nachlesen). Und mit vielen weiteren Jubelarien stimmen Politik, Wissenschaft, Unternehmen sowie Abermillionen von Geimpften in diese ­Euphorie ein. Der deutschen Biotechnologie wurde nocht nicht genug „gedankt“? Davon kann wirklich keine Rede mehr sein. Aber es bleibt viel zu tun, um nicht nur eine einzelne Wellenspitze erlebt zu haben, sondern eine nachhaltige Verfestigung der Innovationskraft aus der Molekularbiologie heraus in vielen Industriezweigen zu implementieren. (Siehe: „Die perfekte Welle“, von Sascha Berger, TVM Capital)

In unserer aktuellen Ausgabe blicken wir zurück auf 2020 und auf die Gegenwart des Jahres 2021, sind wir schon durch mit Corona und haben wirklich „wir“ die Welt gerettet? Denn halt: Gerade konnten „wir“ noch nicht einmal einen Hauptstadtflughafen termin- und budgetgerecht bauen, die Renovierung des Segelschulschiffs Gorch Fock verschlang mehr als 15-mal so viel wie am Anfang kalkuliert, die Hamburger Elbphilharmonie, der Stuttgarter Hauptbahnhof (dessen geplante Fertigstellung 2021 so gut zu den Deutschen Biotechnologietagen im September gepasst hätte); in München-Martinsried kämpft man seit zwei Jahrzehnten um die U-Bahn-Verlängerung um einen Kilometer, die zehnminütige Reise mit der Magnet­schwebebahn zum Münchner Flughafen ist weiterhin nur ein virales Leuchtturm­projekt … – und nun haben die Mainzer ­BioNTech und eine Vielzahl an Personen aus der Produktions- und Logistikkette, aus Behörden und Zulassungsstellen, aus den Förderabteilungen der Ministerien und weitere aus Deutschland heraus die wesentliche Gegenmaßnahme zur Pandemie geliefert! Mancher mag sich noch ­immer die Augen reiben, oder, um einen Werbespruch zu missbrauchen, „schreien vor Glück“.

Auch darüber, wie schnell (zumindest in Teilbereichen) nicht zuletzt an den ­Finanzplätzen der Aufschwung nach dem Frühjahrsknick 2020 zurückgekehrt ist – und dort nicht einmal ausschließlich bei den Impfstoffaktien, sondern weit darüber hinaus –, besteht ein geteiltes Meinungsbild von anhaltendem Beifall auf der einen und latenter Mahnung bis zur Vorhersage des nahenden Crashs auf der anderen ­Seite. Tatsächlich geht es mit den meisten Aktienkursen anscheinend nur nach ­„Norden“ und weiter, immer weiter – und schließlich kann man sich auch der Kraft der Zahlen kaum entziehen, die die ­deutsche Biotechnologie generiert.

Weitere Informationen aus dieser Ausgabe folgen in Kürze hier

Erfolge im Coronajahr

„Deutsche Biotechnologie-Branche erhält 2020 Rekord-Finanzierung“ verkündete der „Deutsche Biotechnologie-Report 2021“ der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY gemeinsam mit den Zahlenerhebungen aus dem Hause BIO Deutschland e.V. im April des Jahres. Erstaunlich ist diese Feststellung schon, dass die Finanzierung der Biotechunternehmen in Deutschland ausgerechnet im Jahr des COVID-19-Ausbruchs einen neuen Rekordwert erreicht: Über Venture Capital, Börsengänge, Folgefinanzierungen und Wandelanleihen nahmen die deutschen Biotechs nach dieser Erhebung insgesamt knapp 3,1 Mrd. EUR auf. Das entspricht einem Plus von 146% gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2018. Eine Einschränkung folgte jedoch sogleich, denn auch 2020 wurde die Finanzierung – wie schon in den Vorjahren – in erster Linie durch Einzelereignisse ­bestimmt. BioNTech und CureVac, erfolgreiche und (bisher) weniger erfolgreiche Entwickler von Impfstoffen gegen COVID-19, vereinigten mit 1,55 Mrd. EUR mehr als die Hälfte der gesamten Risikokapitalauf­nahme auf sich.

Auch die Finanzierungen durch Börsen­gänge – wenn auch nicht in Europa, sondern an der amerikanischen NASDAQ – brachten hohe Erlöse: CureVac und Immatics nahmen auf diesem Weg 215 Mio. bzw. 224 Mio. EUR ein, insgesamt also 439 Mio. EUR. Diese beiden Börsenneuzugänge ­waren laut EY dann auch mit dafür verantwortlich, dass die insgesamt 23 börsen­notierten Unternehmen mit starken ­deutschen Wurzeln insgesamt einen deutlichen Zuwachs bei allen Kennzahlen ­verzeichneten. In diesem Segment (börsennotiert) stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 43% auf 3,2 Mrd. EUR. Die Zahl der Beschäftigten legte um 18% auf 13.995 zu. Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung können die börsen­notierten Biotechs sogar ein Wachstum um zwei Drittel auf 1,4 Mrd. EUR ver­melden. Und die privaten Unternehmen stehen dem kaum nach: In nun 687 Unternehmen mit über 23.400 ­Beschäftigten (+6% zu 2019) haben diese einen Umsatz von fast 3,3 Mrd. EUR ­erwirtschaften können, ein deutliches Plus von 29%. „2020 war ein in jeder ­Hinsicht außergewöhn­liches Jahr für die deutsche Biotechno­logiebranche“, konstatiert Dr. Alexander Nuyken, Partner bei EY und Leiter Life ­Sciences Strategy & ­Transactions in der Region EMEIA. „Die Coronapandemie hat Biotechunternehmen aus Deutschland und ihre Lösungen für Impfstoffe schlagartig in den Fokus ­gerückt. Die Finanzierungszahlen explodieren geradezu. Dieses Momentum gilt es zu nutzen, um den Biotechstandort nachhaltig zu stärken und zu zeigen, dass die Branche nicht nur aus Impfstoffher­stellern besteht, sondern auch innovative Lösungs­ansätze für Umwelt-, Energie- oder Ernährungsthemen bereithält.“

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