Am 8. Mai 2025 ging es mit einem kleinen Aufzug hoch hinaus in die Skylounge des Faculty Club G2B am IZB in Martinsried – zum 5. Netzwerktreffen der Plattform Life Sciences – und die Teilnehmenden wurden – wie immer – mit einer beeindruckenden Aussicht belohnt: auf die Alpen und die vielversprechende Zukunft der Life-Sciences-Branche – die sich unerwartet robuster zeigt, als viele gedacht hätten. Von Urs Moesenfechtel

Insgesamt 41 Expertinnen und Experten aus Biotech, Pharma, Beratung und Finanzierung kamen zusammen, um – man könnte fast schon sagen „traditionell“ – Bestehendes neu zu denken und innovative Verknüpfungen zu schaffen – mit dem gemeinsamen Ziel, die Herausforderungen der Branche gemeinsam anzugehen.

Verstärkte Suche nach strategischen Partnerschaften

Das „kleine Jubiläum“ – das mittlerweile fünfte Netzwerktreffen der Plattform Life Sciences – wurde von Dr. Stefanie Greifeneder von Taylor Wessing eröffnet. In ihrem Impulsvortrag beleuchtete sie aktuelle Finanzierungstrends für Start-ups im Life-Sciences-Sektor. Sie betonte, dass Fördermittel für Gründung und Seed-Finanzierung in Deutschland grundsätzlich in ausreichendem Umfang vorhanden seien. Die eigentliche Herausforderung beginne jedoch in der anschließenden Early-Stage-Phase: Hier werde es zunehmend schwieriger, Kapital zu akquirieren. Viele Investoren hätten ihren Fokus auf Later-Stage-Assets verlagert, da diese mit geringeren Risiken und einer größeren Marktnähe einhergehen. Diese Verlagerung bringe allerdings auch steigende Kapitalanforderungen mit sich, die junge Unternehmen oft nicht ohne Weiteres stemmen können. Ein beobachtbarer Trend sei daher das verstärkte Engagement von Investoren, die nicht nur Kapital, sondern auch Marktzugang und Entwicklungskompetenz mitbringen. Zudem wachse das Interesse von Investoren an Start-ups, die Künstliche Intelligenz gezielt einsetzen – etwa zur Wirkstoffentwicklung, Diagnostik oder Prozessautomatisierung.

Praktische Perspektiven von WIPIT

Benedikt Mahr von der neu gegründeten Kanzlei WIPIT, die das erfahrene Team der Kanzlei WEITNAUER mit dem Technikrechts-Spin-off der Sozietät Büsing Müffelmann & Theye (BMT) vereint, brachte praxisnahe steuerliche und gesellschaftsrechtliche Perspektiven in die Diskussion ein. Er zeigte auf, wo junge Unternehmen regelmäßig ins Stolpern geraten – etwa bei unklaren Gesellschafterverhältnissen, fehlenden Regelungen zum geistigen Eigentum oder einer unzureichend durchdachten Finanzierungsstruktur. Mit Blick auf unterschiedliche Ausgangslagen betonte Mahr die Bedeutung maßgeschneiderter Gründungsstrategien: Ist ein Spin-off, Carve-out oder eine Neugründung die passende Form? Ebenso wichtig: Die saubere Regelung von IP-Transfers durch Lizenzverträge, Veräußerungen oder Einbringungen – und nicht zuletzt die strukturierte Finanzierung, ob über Eigenkapital, mezzanine Mittel oder Fremdkapital. Seine Botschaft: Wer frühzeitig professionell plant, schafft stabile Grundlagen für nachhaltiges Wachstum.

Finanzierung neu gedacht: Crowdfunding als Option?

Prof. Dr. Ralf Huss von BioM regte dazu an, über neue Finanzierungsmöglichkeiten gemeinsam neu nachzudenken – zum Beispiel Crowdfunding als ernstzunehmende Ergänzung klassischer Modelle. Diese Finanzierungsform könne nicht nur dringend benötigtes Startkapital mobilisieren, sondern auch Sichtbarkeit schaffen und eine engagierte Unterstützer-Community aufbauen – gerade in der frühen Unternehmensphase ein strategischer Vorteil im Wettbewerb um öffentliche Fördermittel und institutionelle Investoren. Huss wies zudem auf neue Entwicklungen hin: Während Crowdfunding im Biotech-Sektor vor rund zehn Jahren noch an strukturellen Hürden – wie komplexen Cap Tables oder zu kleinteiligen Investitionen – scheiterte, entstünden inzwischen innovative Plattformmodelle, die diese Herausforderungen durch gebündelte Investoreneinheiten adressieren. Besonders in Bereichen mit gesellschaftlicher Relevanz wie personalisierter Medizin, Bioökonomie oder Umwelttechnologien biete Crowdfunding heute vielversprechende Potenziale – als Brückenfinanzierung oder zur Aktivierung spezieller Zielgruppen. Einige der Teilnehmenden nahmen diesen Impuls direkt auf: Sie berichteten von eigenen Überlegungen oder Erfahrungen mit alternativen Finanzierungswegen und unterstrichen das wachsende Interesse, neue Formen der Kapitalbeschaffung mit strategischem Nutzen zu kombinieren.
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Selbstbild neu denken: Europa auf dem Sprung

Johannes Link von FCF Fox Corporate Finance zeigte in seinem Beitrag, dass sich der europäische Life-Sciences-Sektor trotz globaler Unsicherheiten ausgesprochen robust entwickelt. Erstmals übertreffen die Investmentaktivitäten in Europa sogar die der USA – ein starkes Signal für die zunehmende Attraktivität des Standorts. Der Trend zeigt klar nach oben: Das Investoreninteresse steigt, insbesondere in Bereichen wie Immuntherapie, HealthTech und Theranostik. Link betonte, dass es jetzt darauf ankommt, diese Dynamik strategisch zu nutzen – etwa durch gezielte Partnerschaften und neue Finanzierungsmodelle wie Venture Debt, um die nächste Wachstumsstufe zu erreichen.
-> Lesen Sie hierzu auch folgenden Artikel: https://www.goingpublic.de/life-sciences/interviewserie-klozenbuecher-fcf-vc-finanzierung-in-den-life-sciences-europa-usa/

Europäische Life-Sciences-Start-ups im internationalen Vergleich

Dr. Selina Greuel von Bioscience Valuation beleuchtete die internationale Position europäischer Life-Sciences-Start-ups und kam zum Schluss: Investment im Life-Sciences-Sektor steht vor Herausforderungen, mit weniger Deals und zunehmender Marktskepsis – doch trotz dieser Schwierigkeiten steigen die Investitionsvolumina, was auf eine strategische Umstellung und keinen vollständigen Rückgang hindeutet. Der positive Trend bleibt ungebrochen, da Europa in der wissenschaftlichen Forschung weiterhin überragend ist. Andreas Huber von Bayern Kapital bestätigte diese Einschätzung aus Investorenperspektive und eigener Erfahrung.
-> Lesen Sie hierzu auch folgenden Artikel: https://www.goingpublic.de/life-sciences/are-european-life-sciences-startups-in-trouble/

Vernetzung neu gedacht: Plattformen als Treiber

Holger Bengs von BCNP Consultants stellte die European Chemistry Partnering (ECP) vor – eine Plattform, die gezielt den Austausch zwischen Start-ups, Unternehmen und Investoren fördert und als Katalysator für neue Kooperationen dient.

Ausblick: Finance Day in Leipzig

Nach den Vorträgen wurde ein weiteres Highlight des Jahres angekündigt, auf das schon jetzt viele mit Spannung warten: der Finance Day am 23. Oktober 2025 in der BIO CITY Leipzig. Nach dem überwältigenden Erfolg der Veranstaltung im vergangenen Jahr, bei dem über 130 Teilnehmer aus der Life-Sciences-, Biotech- und Finanzbranche zusammenkamen, verspricht auch dieses Jahr ein lebhafter Austausch und zahlreiche wertvolle Networking-Möglichkeiten.

Der im letzten Jahr gezeigte Film hinterließ bei allen Anwesenden einen bleibenden Eindruck und vermittelte einen faszinierenden Einblick in die aktuellen Trends und Herausforderungen der Branche. Leipzig hat sich mittlerweile als bedeutender Biotech-Standort etabliert, der mit einer wachsenden Infrastruktur für Life-Sciences-Unternehmen sowie einer engen Vernetzung mit führenden Forschungseinrichtungen und innovativen Start-ups punkten kann. Der Finance Day wird erneut eine zentrale Plattform bieten, um die neuesten Entwicklungen und Trends in der Biotech- und Life-Sciences-Branche zu diskutieren, neue Geschäftsmodelle und Finanzierungsstrategien zu präsentieren sowie potenzielle Partnerschaften zu fördern.
-> Sehen Sie hier den Film zum Finance Day 2024: https://www.youtube.com/watch?v=vZz_Fp_WqOU

Austausch beim Abendessen

Der Abend endete mit einem gemeinsamen Essen, leckeren Getränken und weiterführenden Gesprächen auf der Terrasse des Seven and More-Restaurants des IZB. Bei köstlichen Speisen und Getränken konnten die Teilnehmer den Tag Revue passieren lassen und in entspannter Atmosphäre weitere Kontakte knüpfen. Dank der wie immer hervorragenden Organisation des S&M-Teams konnten die Gäste den Abend in vollen Zügen genießen.

Neudenken nötig – Neudenken möglich

Das 5. Netzwerktreffen der Plattform Life Sciences machte deutlich: Die Finanzierungslandschaft verändert sich – nicht in Richtung Rückzug, sondern struktureller Neuausrichtung. Während Fördermittel für Gründungen weiterhin verfügbar sind, wird die Finanzierung in der Early Stage zunehmend zum Engpass. Hier rücken strategische Partnerschaften, neue Modelle wie Venture Debt und gezielter Kapitaleinsatz in den Fokus. Start-ups müssen sich stärker differenzieren – nicht nur durch Innovation, sondern auch durch klare IP-Strukturen, rechtlich saubere Set-ups und ein belastbares Team. Crowdfunding, lange kritisch beäugt, erlebt mit neuen Plattformlösungen eine Renaissance – besonders in Bereichen mit gesellschaftlicher Relevanz. Auch auf internationaler Ebene zeigt sich ein Umdenken: Europa übertrifft erstmals die USA bei den Investmentaktivitäten im Sektor. Jetzt gilt es, diesen Vorsprung zu nutzen – mit professioneller Vorbereitung, vernetztem Wissen und einem realistischen Blick auf die Anforderungen des Marktes.

Ein Besonderer Dank an…

Ein besonderer Dank gilt allen Teilnehmern, die durch ihre Anwesenheit und ihren Beitrag zum Erfolg des Treffens beigetragen haben. Ebenso danken wir unseren Premium-Partnern BIO Deutschland, BioM Biotech Cluster Development, BioCampus Cologne, Biosciences Valuation, Bryan Garnier, ECBF, itm, IZB, Leipzig for LifeChangers und MC Services für ihre kontinuierliche Unterstützung

Wir freuen uns auf das nächste Treffen und sind gespannt auf die kommenden Entwicklungen in der Life Sciences-Branche.

Alle Fotos des Netzwerktreffens finden Sie hier.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.