Bildnachweis: 9ArnLay – stock.adobe.com, BioM.

Der aktuelle Branchenreport von BioM zeigt: Bayerns Biopharma-Landschaft ist weiterhin auf Erfolgskurs. Trotz eines anspruchsvollen Umfelds setzen neue Rekordinvestitionen, stabile Beschäftigungszahlen und ein klarer Fokus auf onkologische Forschung wichtige Impulse. Der Standort entwickelt sich dynamisch – mit Innovationszentren, Gründungsförderung und optimistischen Zukunftserwartungen. Von Urs Moesenfechtel

Mit einem neuen Finanzierungsrekord von über 910 Mio. EUR setzt die bayerische Biopharma-Branche 2024 ein deutliches Ausrufezeichen. Das zeigt der aktuelle BioM-Report „Biotech in Bavaria 2024/25 – One World for Innovation“. Im Vergleich zum Vorjahr mit 470 Mio. EUR bedeutet dies nahezu eine Verdopplung der eingeworbenen Mittel.

Rekordjahr für Bayerns Biotech-Branche

Einen maßgeblichen Anteil an diesem Ergebnis haben vier Unternehmen, die gemeinsam rund 60 % der Gesamtsumme über Risikokapital generierten: ITM (188 Mio. EUR), CatalYm (139 Mio. EUR), Tubulis (128 Mio. EUR) und SciRhom (63 Mio. EUR) – alle mit Sitz in München bzw. Martinsried. Auch der Börsengang des Radiopharmazie-Unternehmens Pentixapharm an der Frankfurter Wertpapierbörse brachte einen Bruttoerlös von rund 20 Millionen Euro.

Infrastruktur und Standorte

Zusätzlich zu den privaten Finanzierungen verzeichnete der Freistaat erhebliche Investitionen in den Ausbau seiner Forschungs- und Produktionskapazitäten. So eröffnete Roche in Penzberg ein neues Zentrum für Gentherapie. Ein weiteres Großprojekt ist ein geplantes Diagnostik-Produktionszentrum mit einem Investitionsvolumen von rund 600 Mio. EUR. In Pfaffenhofen an der Ilm plant Daiichi Sankyo den Ausbau seines Standorts zu einem führenden Innovationszentrum – mit einer Investition von rund einer Milliarde Euro. Und in Oberschleißheim entsteht ab 2025/2026 auf 15 Hektar Fläche der ONE Health & Technology Cluster, der sich an Spitzenforschung in Biotechnologie, Medizin und IT richtet. Die Fertigstellung ist für 2027 geplant, vorgesehen sind bis zu 250.000 Quadratmeter nutzbare Fläche.

Gesamtbeschäftigung: stabil

Die Zahl der Biotech- und Pharmaunternehmen in Bayern ist im Berichtszeitraum leicht auf 540 gestiegen – ein Plus von 2,5 %. Wachstumstreiber war vor allem der CRO-Sektor, dessen Zahl von 54 auf 67 Unternehmen zulegte. Trotz eines leichten Rückgangs bei den Biotech-Beschäftigten (von 29.500 auf 27.000) bleibt die Gesamtbeschäftigung mit rund 57.000 Personen stabil. Insbesondere der Pharmabereich und die CROs gleichen den Rückgang aus. Die 313 Biotech-Unternehmen stellen weiterhin die größte Arbeitgebergruppe innerhalb des Sektors.

Starker Gründergeist in Bayern

Mit 18 Neugründungen und Ansiedlungen verzeichnet Bayern eine starke Gründungsdynamik – ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 13 neuen Unternehmen. Um diese Entwicklung gezielt zu fördern, hat BioM im Juni 2024 den neuen Start-up-Inkubator MAxL (Munich Accelerator Life Sciences & Medicine) eröffnet.

Prof. Dr. Ralf Huss (Copyright: BioM)
Prof. Dr. Ralf Huss (Copyright: BioM)

„Mit MAxL schaffen wir ein spezialisiertes Umfeld für frühe Biotech- und Healthtech-Projekte – mit individueller Betreuung, maßgeschneiderter Infrastruktur und dem Zugang zu unserem Expertennetzwerk“, so Prof. Dr. Ralf Huss, Geschäftsführer von BioM. Als „Golden Ticket Sponsor“ unterstützt Daiichi Sankyo ein Gründungsteam mit einem kostenfreien einjährigen Zugang zu den Labor- und Co-Working-Flächen des Inkubators.

Spitzenreiter Onkologie

Die Innovationspipeline der bayerischen Biotech-Unternehmen umfasst über 160 Projekte in verschiedenen Entwicklungsphasen. Der Fokus liegt auf neuen Krebstherapien. Dahinter folgen Forschungsaktivitäten im Bereich des Zentralen Nervensystems, Infektionskrankheiten und Autoimmunerkrankungen. Während Projekte in präklinischen sowie in den Phasen II und III rückläufig sind, verzeichneten der Bereich Forschung & Entwicklung sowie klinische Studien der Phase I Zuwächse.

Zukunft – verhalten positiv

Eine von BioM durchgeführte Umfrage unter den Unternehmen des Clusters zeigte jedoch: Die Stimmung ist verhalten positiv. Zwar sank die Bewertung der aktuellen Geschäftslage – nur noch 55 % schätzen diese als gut oder sehr gut ein (minus 16 %). Doch beim Blick nach vorn zeigt sich Zuversicht: 49 % der Befragten erwarten eine Verbesserung bis Ende 2025, 48 % gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung aus. Im mittelfristigen Horizont (drei bis fünf Jahre) sind sogar 75 % optimistisch.

Die Lage? Differenziert.

2024 war für die Biotechnologie- und Pharmabranche in Deutschland – und auch in Bayern – ein Jahr der Kontraste. Die massiven Finanzierungszahlen wurden stark durch wenige Großdeals getragen, insbesondere durch private Kapitalrunden bei etablierten Unternehmen wie ITM oder Tubulis. Frühphasige Start-ups hingegen hatten es trotz des neuen Inkubators MAxL deutlich schwerer, Anschlussfinanzierungen zu sichern. Der Zugang zu Frühphasenfinanzierung wird für Start-ups zunehmend schwieriger, so dass weiterhin eine kritische Lücke zwischen wissenschaftlicher Idee und marktfähigem Produkt besteht.

Auch personell zeigt sich differenziertes Bild: Zwar bleibt die Gesamtzahl der Beschäftigten stabil, doch der Rückgang bei den Biotech-Arbeitgebern um rund 2.500 Stellen ist ein Warnsignal – gerade mit Blick auf die ohnehin volatilen Finanzierungszyklen junger Technologieunternehmen.

Die angekündigten Milliarden-Investitionen in Infrastruktur und Produktionszentren entfalten ihre Wirkung erst mittelfristig ab 2027 – und werden hoffentlich auch greifen. Gleichzeitig bleibt die Abhängigkeit von internationalen Kapitalströmen ein strategisches Risiko für die Biotechnologie – für Deutschland und selbtverständlich auch für Bayern.

Der kürzliche Rückzug von MorphoSys aus Martinsried markiert einen herben Schlag für die bayerische Biotech-Szene: Nach der Übernahme durch Novartis wird das Unternehmen 2025 vollständig integriert – inklusive der Schließung des Münchner Standorts und des damit verbundenen Verlusts von über 300 Arbeitsplätzen. Damit endet die Geschichte eines der bekanntesten deutschen Biotech-Unternehmen am Gründungsstandort.

Der Report „Biotech in Bavaria 2024/25“ steht als ePaper und PDF unter www.bio-m.org/zahlen-und-fakten/publikationen zur Verfügung.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.