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Wie viel Freiheit braucht die Wissenschaft – und wie viel Kommerz verträgt sie? Zwischen akademischer Forschung und Spin-offs entsteht ein Spannungsfeld: Die einen wollen Wissen frei teilen, die anderen müssen geistiges Eigentum schützen, Investoren überzeugen und wirtschaftlich überleben. Doch wie lassen sich Lizenzmodelle gestalten, die beiden Seiten gerecht werden? Von Kai Grunwald, Britta Neß und Benedikt Mahr


Wissenschaftliche Arbeiten in den exzellenten Institutionen der Bundesrepublik Deutschland (unter anderem Universitäten, Großforschungsreinrichtungen, anwendungsnahe Fachhochschulen) führen häufig zu bahnbrechenden technischen Innovationen, welche den Institutionen aufgrund § 6 ArbNErfG (Erfindungen) bzw. aufgrund § 69b UrhG (Werke) zustehen. Akademische Ausgründungen dieser Institutionen („Spin-offs“) benötigen jedoch ausreichende Berechtigungen („Freedom to Operate“), um die notwendigen Erfindungen/Werke („IP“) zu nutzen und ihre oft ambitionierten Geschäftsmodelle rechtssicher verwirklichen zu können.

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Dieser Beitrag richtet sich an akademische Gründer und Technologietransfermanager der Institutionen und soll dazu dienen, eine balancierte Sicht auf die Interessen des jeweiligen Verhandlungspartners zu eröffnen. Zudem sollen praktische Hinweise zur Lösung zentraler Herausforderungen gegeben werden, die sich im Rahmen des Technologietransfers immer wieder stellen.

Zentrale Herausforderungen im Technologietransfer

I. Rechteübertragung oder Exklusivlizenz?

In den Anfängen war es zum Teil üblich, Vollrechte an Erfindungen auf die Spin-Offs zu übertragen. Hintergrund war die vermeintliche Sicherung der Verwertungsrechte an der IP im Falle der Insolvenz (wg. Anfechtbarkeit, §§ 129 ff. InsO). Inzwischen hat sich aber durchgesetzt, die IP durch exklusive Lizenzrechte zu überlassen – zwar gilt auch insofern ein Wahlrecht des Insolvenzverwalters (§ 103 Abs. 1 InsO), regelmäßig wird der Fall der Insolvenz des Spin-offs dann allerdings über ein Kündigungsrecht der Institution abgesichert.

Zudem gilt: Sollte der Lizenznehmer (= Spin-off) nicht mehr leisten (= Lizenzzahlungen), steht dem Lizenzgeber (= Institution) ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Für den späteren Erwerb des Vollrechts können zudem Call-Optionen vorgesehen werden, die an bestimmte zu erreichende Parameter geknüpft sind (z.B. Erwerbszusage eines Dritten).

II. Übernahme der Entwicklungskosten?

Einige Institutionen erwarten die Übernahme der bis zur Lizenzierung aufgelaufenen Kosten für die Entwicklung und den Schutz der IP. Diese Forderung ist angesichts der oft nicht unerheblichen Kosten nachvollziehbar, dient sie doch der Finanzierung der Technologietransferstellen.

Aus Sicht des Spin-offs sollte sichergestellt sein, dass ein solcher Kostenersatz transparent ist (nachgewiesene Drittkosten) und erfolgt, wenn dem Spin-off ausreichende Mittel hierfür zur Verfügung stehen. Das sollte erst dann geschehen, wenn Umsätze mit den Lizenzprodukten erzielt werden.

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Symbolbild. Copyright: chaylek – stock.adobe.com

III. Umfang von sog. Royalties?

Den Partnern stehen in erheblichem Umfang Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Leistung von Lizenzzahlungen (sogenannten „Royalties“) zur Verfügung. In der Techbranche sind unter anderem üblich: umsatzunabhängige Technology Access Fees, umsatzbezogene Running Royalties (inkl. Minimum Royalties und Reduktion bei notwendiger Zahlung von Drittlizenzgebühren) und Milestone-Payments.

Welches Modell mit welchen Beträgen und Prozentsätzen gewählt wird, ist zum Teil abhängig von Art der IP und Geschäftsmodell, zum Teil Verhandlungssache. Royalties sollten der Vorleistung der Institution angemessen Rechnung tragen. Gleichzeitig müssen sie dem Spin-off genügend Luft lassen, um die Kommerzialisierung voranzutreiben. Es darf für das Spin-off nicht wirtschaftlich unattraktiv werden, mit Dritten (Pharmaunternehmen o.Ä.) zu kooperieren, weil nach Abzug der Royalties an die Institution nichts mehr beim Spin-off verbleibt.

IV. Folgen von Investment oder Verkauf?

Kommt es nach der Ausgründung beim Spin-off zu einem vollständigen Verkauf der Anteile oder der wesentlichen Wirtschaftsgüter des Spin-offs an Dritte (sogenannter Exit), wird häufig eine Sonderzahlung an die Institution vereinbart, um eine wirtschaftliche Beteiligung am Erlös sicherzustellen (über feste Zahlungen, gesteigerte Royalties oder laufende Lizenzgebühren).

Allerdings sollte eine durch (Venture-Capital-)Investoren erfolgte Eigen- oder Fremdkapitalfinanzierung hiervon ausgenommen werden, da eine solche stets an vom Spin-off zu erreichende Wachstumsziele gebunden ist und gerade keinen Erlös darstellt (anders als im Falle eines Exits oder einer Lizenzeinnahme).

Zusammenfassung

Spätestens mit Abschluss der Lizenzvereinbarung zwischen Institution und Spin-off „sitzen beide Partner im gleichen Boot“. Das heißt, vom Ende her betrachtet ist es sinnvoll, dass die beiden Partner einen balancierten Deal verhandeln. Einerseits kann das Spin-off ohne die IP der Institution keinen Erfolg haben, andererseits ist der unternehmerische Drive der Spin-off-Gründer der wohl erfolgversprechendste Ansatz, hochriskante Entwicklungen ins Geld zu bringen und damit den Mittelzufluss an die Institutionen sicherzustellen.

Autor/Autorin

Kai Grunwald, LL.M.. Copyright: Weitnauer Rechtsanwälte
Kai Grunwald
Rechtsanwalt und Partner at  | Website

Kai Grunwald, Rechtsanwalt/Partner bei WIPIT Mannheim, berät zu Lizenzrecht, öffentlicher Förderung, akademischen Ausgründungen und verwandten Themen im Bereich Venture Capital und M&A. Er studierte Rechtswissenschaften in Heidelberg und Köln.

Britta Neß
Rechtsanwältin/Salary Partnerin at  | Website

Britta Neß, Rechtsanwältin/Salary Partnerin bei WIPIT Berlin, ist Expertin für Zivil- und Handelsrecht, z.B. für F&E, IP/IT, Lizenzierung und Vertrieb sowie damit verbundene Verträge. Sie studierte Rechtswissenschaften in Berlin und Sheffield (UK).

Benedikt Mahr, LL.M. Tax (Northwestern)
Rechtsanwalt/Steuerberater/Managing Partner at  | Website

Benedikt Mahr, LL.M., Rechtsanwalt/Steuerberater/Managing Partner bei WIPIT München, berät Unternehmen und Investoren im Gesellschafts- und Steuerrecht bei Venture Capital und M&A. Er studierte Rechtswissenschaften in Passau und Chicago (USA).