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Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) enthielt vier Regelungskomplexe. Einer beinhaltete Regeln für den Informationsaustausch zwischen Gesellschaft und Aktionär bei der Durchführung von Hauptversammlungen und anderen Unternehmensereignissen. Vonseiten der Gesellschaften werden diese Regelungen beachtet – aber funktioniert die Kommunikation wirklich? Eine Bestandsaufnahme.

Das ARUG II ist zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Die zentrale Vorschrift für die Einberufung der Hauptversammlung ist § 125 AktG, der Vorgaben für Inhalt, Form und Frist der Mitteilung macht. § 125 AktG wiederum enthält eine Verweisung auf die §§ 67a, 67b AktG, mit denen die Übermittlung von Informationen durch börsennotierte Gesellschaften und Intermediäre geregelt wird. Schließlich normiert § 67c AktG den Rücklauf der Informationen von den Aktionären über die Intermediäre an die Gesellschaft. Aufgrund § 26 j Abs. 4 EAktG fand § 125 AktG erst ab dem 3. September 2020 Anwendung und galt damit erstmals für Hauptversammlungen, die nach dem 3. September 2020 einberufen wurden. Gleichzeitig trat am 3. September 2020 die Durchführungsverordnung 2018/1212/EU (DFVO) in Kraft.

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Clearstream Banking als Erstempfänger

Gesellschaften können ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG durch Übermittlung der Informationen über ein Unternehmensereignis (z.B. eine Hauptversammlung) an die die Aktien der Gesellschaft verwahrenden Intermediäre nachkommen. Gesellschaften wissen in der Regel allerdings nicht, wo die Aktien der Gesellschaft verwahrt werden, weshalb sie die Einberufung der Hauptversammlung dem Zentralverwahrer, mithin der Clearstream Banking, mitteilen. Diese leitet die Mitteilung über die Hauptversammlung dann gemäß §§ 67a, 67b AktG weiter in die Intermediärskette bis zum Letztintermediär, wodurch die Information bis zum Aktionär transportiert werden soll. Leider zeigt die Praxis, dass Aktionäre die Mitteilung über ein Unternehmensereignis immer wieder entweder überhaupt nicht oder erst verspätet erhalten.

Zudem funktioniert die Mitteilung über die Intermediärskette generell nur dann, wenn die Aktien nicht sammelverwahrt und damit nicht als Einzel- oder Sammelurkunden in Depot- oder Streifbandverwahrung, bei einem Notar, in einem Safe oder anderweitig privat verwahrt werden. Diese Problematik betrifft freilich nurmehr ein paar wenige nicht börsennotierte Gesellschaften.

Zeitpunkt der Mitteilungen

Grundsätzlich regelt § 125 Abs. 1, 2 AktG den Zeitpunkt der Mitteilungen für börsennotierte Gesellschaften, der aber von Art. 9 Abs.1 DFVO überlagert wird. Nach Art. 9 Abs.1 DFVO müssen Gesellschaften den Intermediären die Informationen über das Unternehmensereignis rechtzeitig und spätestens an dem Geschäftstag zur Verfügung stellen, an dem nach geltendem Recht auch das Unternehmensereignis bekannt gegeben wird. Art. 9 Abs. 1 DFVO stellt damit auf den Tag der Veröffentlichung der Einberufung zur Hauptversammlung ab, der für gewöhnlich ca. 37 Tage vor der Hauptversammlung liegt und damit strenger als § 125 AktG ist. Eine zweite Mitteilung nach § 125 Abs.1 Satz 2 AktG spätestens 22 Tage vor der Hauptversammlung ist nur dann zu veranlassen, wenn der Gesellschaft ein Ergänzungsverlangen nach § 122 AktG zugegangen ist. Sollten Aktionäre die Aktien erst nach der Einberufung zur Hauptversammlung erwerben, haben diese gemäß § 125 Abs.1 Nr. 2 AktG die Möglichkeit, über die Intermediäre eine Mitteilung zu verlangen.

Da Art. 9 DFVO nicht für nicht börsennotierte Gesellschaften gilt, gelten für diese ausschließlich die Regelungen in § 125 Abs. 1 und 2 AktG. Für nicht börsennotierte Gesellschaften genügt es damit, die Mitteilung erst 22 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung vorzunehmen.

Inhalt der Mitteilungen

Der Inhalt der Mitteilungen für börsennotierte Gesellschaften ergibt sich aus § 125 Abs. 5 Satz 1 AktG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Tab. 3 des Anhangs zur DFVO. Es ist empfehlenswert, für das Ausfüllen der Tab. 3 die ISO-Standards 20022 zu benutzen, die als weltweiter Standard in der Finanzbranche gelten.

Sollten die in Tab. 3 DFVO geforderten Informationen zur Einberufung der Hauptversammlung über die Website der Gesellschaft abrufbar sein, genügt es, wenn die Mitteilung an die Intermediäre lediglich die Blöcke A bis C sowie den Hyperlink zu dieser Website enthält; die Blöcke D bis F entfallen in diesem Fall.

Ob sich der Inhalt der Mitteilungen für nicht börsennotierte Gesellschaften auch aus
§ 125 Abs. 5 Satz 1 AktG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Tab. 3 des Anhangs zur DFVO ergibt, ist streitig. Gleichwohl empfiehlt es sich für nicht börsennotierte Gesellschaften, ebenfalls die Vorgaben aus Tab. 3 des Anhangs zur DFVO zu beachten.

Form der Mitteilungen

Gemäß Art. 2 Abs. 2 und 3 DFVO erfolgen die Mitteilungen der börsennotierten Gesellschaft an die Intermediäre sowie Mitteilungen innerhalb der Intermediärskette in elektronischer, maschinenlesbarer Form. Da für Mitteilungen der Gesellschaft an die Aktionäre sowie für Mitteilungen der Intermediäre an die Aktionäre keine gesetzliche Vorgabe existieren, können diese elektronisch oder in Papierform erfolgen. Allerdings ist für börsennotierte Gesellschaften § 49 Abs. 3 Nr. 1 WpHG zu beachten, wonach eine Übermittlung mittels Datenfernübertragung an die Inhaber zugelassener Wertpapiere nur zulässig ist, sofern die Hauptversammlung zugestimmt hat (Nr. 1a) oder die Aktionäre explizit zugestimmt haben (Nr. 1d).

Auch bei nicht börsennotierten Gesellschaften existieren für Mitteilungen der Gesellschaft an die Aktionäre sowie für Mitteilungen der Intermediäre an die Aktionäre keine gesetzlichen Vorgaben, weshalb die Mitteilungen der Gesellschaft an die Aktionäre sowie die Mitteilungen der Intermediäre an die Aktionäre elektronisch oder in Papierform erfolgen können. Für die Mitteilungen von der Gesellschaft an die Intermediäre sowie Mitteilungen innerhalb der Intermediärskette gilt ebenfalls Art. 2 Abs. 2 und Abs. 3 DFVO.

Informationskette

Gemäß § 67b AktG sind die Letztintermediäre verpflichtet, die Informationen, die diese über Unternehmensereignisse erlangt haben, an den Aktionär weiterzuleiten. § 67c AktG regelt den umgekehrten Fall, mithin die Übermittlung vom Aktionär an die Gesellschaft: Der Letztintermediär hat daher die vom Aktionär einer börsennotierten Gesellschaft erhaltenen Informationen über die Ausübung seiner Rechte als Aktionär entweder direkt an die Gesellschaft oder an einen Intermediär in der Kette zurückzuübermitteln.

Fazit

Eine verbesserte Kommunikation zwischen Gesellschaft und ihren Aktionären konnte durch die Neuregelungen bislang nicht erreicht werden. Getreu dem Motto „Wieso einfach, wenn’s auch kompliziert geht“ hat die Umsetzung von ARUG II vielmehr zu einem unbefriedigenden Regelungskonstrukt geführt, das seiner Zielsetzung nicht gerecht wird. Aufseiten des Gesetzgebers besteht hier Nachbesserungsbedarf, damit eine reibungslose Kommunikation gewährleistet werden kann.

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Autor/Autorin

Markus Joachimsthaler
Anwalt at Pinsent Masons

Markus Joachimsthaler, LL.M., ist Senior Associate bei Pinsent Masons Rechtsanwälte Steuerberater Solicitors Partnerschaft mbB mit Schwerpunkt auf digitale Wertpapiere. Er berät Unternehmen und Unternehmer im Zusammenhang mit allen aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Fragestellungen.