Gegenanträge und Wahlvorschläge

Diese werden zusammen behandelt, da die Abläufe und Vorschriften entsprechend für beide Varianten gelten.

Gegenanträge

Beispiele:

– Antrag auf höhere oder niedrigere Dividendenausschüttung

– „Antrag“ auf Nichtentlastung von Aufsichtsrat oder Vorstand

– Antrag auf Satzungsänderung mit vom Verwaltungsvorschlag abweichenden Wortlaut

– Antrag auf Kapitalerhöhung zu anderen Bedingungen (z.B. geringerer Gesamtbetrag, geringerer Umfang eines Bezugsrechtsausschlusses)

 

Übersicht

Gegenanträge zu Tagesordnungspunkten von Hauptversammlungen sind in der Praxis die häufigste Art von Anträgen. Sie beziehen sich immer auf einen bereits bekanntgemachten Tagesordnungspunkt und zielen im Wesentlichen darauf ab, einen anderen Beschlussinhalt zur Abstimmung zu bringen.

Erhält die Gesellschaft unter den in der Einberufung angegebenen Kontaktdaten einen Gegenantrag zur Tagesordnung der Hauptversammlung innerhalb der gesetzlichen Frist, nämlich bis spätestens 14 Tage vor der Hauptversammlung (§ 126 Abs. 1 AktG), so ist dieser Antrag bei börsennotierten Gesellschaften (zumindest: auch) auf der Internetseite zugänglich zu machen, bei nicht börsennotierten in beliebiger Form zugänglich zu machen (§ 126 Abs. 1 AktG). In der Praxis ist dann auch tatsächlich die Internetseite im Bereich Investor Relations/Hauptversammlung der Gesellschaft die übliche und einzige Form der Zugänglichmachung. Verstöße gegen die Verpflichtung der Zugänglichmachung von rechtzeitig gestellten Gegenanträgen können zur Anfechtung der betreffenden Beschlüsse führen.

Gegenanträge gemäß § 126 AktG können zu den Verwaltungsvorschlägen zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt eingereicht werden, nicht aber darüber hinaus. Der Antragsteller kann – im Gegensatz zur Tagesordnungserweiterung – keine gänzlich neuen Themen setzen.

Ein Quorum ist nicht erforderlich, eine Aktie genügt, eine Mindestvorsitzzeit oder Mindesthaltedauer ist nicht erforderlich. Der Nachweis des Aktienbesitzes in geeigneter Weise kann – außer bei Namensaktien – verlangt werden, weitere konkrete Vorgaben hierzu existieren nicht. Eine einfache Kopie eines zeitnahen Depotauszuges wird, sofern nicht Anlass zu besonderem Zweifel besteht, ausreichen.

Textform ist genügend und üblich

Hat die Gesellschaft eine Anschrift (einschließlich elektronischer Kontaktmöglichkeiten) vorgegeben, ist diese auch zu verwenden. Verwendet ein Aktionär dennoch eine andere Anschrift und erlangt die zuständige Stelle dennoch rechtzeitig Kenntnis von dem Antrag, ist eine Veröffentlichung durch die Gesellschaft zulässig, aber nicht verpflichtend geboten.

Aufgrund der niedrigen Anforderungen ist in formaler Hinsicht wenig zu prüfen. Auch die überschaubaren Folgen (es ist der Gegenantrag lediglich zu veröffentlichen, mehr folgt aus ihm nicht) führen zu vereinfachter Bearbeitung. Allerdings sind auch hier nicht alle Fälle zweifelsfrei. Vor allem ist für die Gesellschaft belastend, dass während der gesamten Einreichungszeit (s.o.) fortlaufend Gegenanträge eingehen können, die jeweils unverzüglich zu bearbeiten und ggfs. zu veröffentlichen sind, was eine durchgehende kurzfristige Erreichbarkeit von zuständigen Fachabteilungen, externen Rechtsberatern und Dienstleistern zur Homepagebetreuung sowie ggfs. zuständiger Organmitglieder erfordert.

Zum Gegenantrag gehört regelmäßig eine Begründung, sie wird in § 126 AktG ausdrücklich erwähnt. Zum abweichenden Wahlvorschlag eines Aktionärs ordnet § 127 S. 2 AktG hingegen ausdrücklich an, dass dieser keiner Begründung bedarf. Daraus wurde bislang im Rückschluss gefolgert, dass die Begründung beim Gegenantrag nach § 126 AktG zwingend erforderlich, ein Antrag ohne Begründung mithin unvollständig und nicht veröffentlichungspflichtig sei. Diese Auslegung ist nach der Aktionärsrechterichtlinie jedoch fraglich geworden, erhebliche Teile der deutschen aktienrechtlichen Kommentierungen tendieren inzwischen dazu, trotz des recht klaren Wortlauts des nationalen Gesetzes Begründungen bei Gegenanträgen nicht mehr für zwingend erforderlich zu halten.

Gegenanträge und Begründung brauchen nicht zugänglich gemacht zu werden, wenn einer der Ausschlussgründe des § 126 Abs. 2 AktG vorliegt. Neben dort genannten Fällen wie z.B. einer bei Veröffentlichung drohenden Strafbarkeit des Vorstands oder bestimmten Fällen von wiederholter Antragstellung spielen in der Praxis die Verweigerung wegen irreführender oder falscher Angaben oder beleidigenden Inhalts und die Verweigerung wegen unzulässigen Beschlussziels eine besondere Rolle. Ein unzulässiges Antragsziel ist gegeben, wenn der angestrebte Beschluss gegen Gesetz oder Satzung verstieße, beispielsweise ein Antrag auf Ausschüttung eines Betrages oberhalb des Bilanzgewinns. Bei der Prüfung der Irreführung oder des beleidigenden Charakters ist im Hinblick auf Anfechtungsrisiken ein großzügiger Maßstab angezeigt.

Eine von den gesetzlichen Verweigerungsgründen nicht erfasste, in der Praxis jedoch durchaus häufige Fallgruppe sind inzwischen die Spaßanträge bestimmter Aktionäre mit teils abstruser Begründung (Bsp.: Nichtentlastungantrag, da unbekleidete Teilnahme an HV nicht ausdrücklich in Einberufung gestattet wurde). Die Praxis tendiert auch hier zu äußerster Großzügigkeit und vermeidet eine Abweisung „wegen mangelnder Ernstlichkeit“ (im Gesetz nicht vorgesehen), nicht zuletzt, um sich mit diesem Aktionär nicht in der HV über Veröffentlichungspflichten streiten zu müssen. – Begründungen mit mehr als 5000 Zeichen müssen nicht zugänglich gemacht werden (§ 126 Abs. 2 S.2 AktG).

 

Die die Gegenanträge (und ganz überwiegend, wenngleich dort überflüssig auch: Wahlvorschläge) in aller Regel begleitenden Begründungen stellen oft das Kernanliegen der Aktionäre dar, nur durch sie wird oft der Standard-Gegenantrag erst gehaltvoll und gewinnt die Kritik an Substanz. In dem eher seltenen Ausnahmefall aber, dass eine Begründung vollständig fehlt, wird künftig nach gebotener rechtlicher Prüfung bis zu einer gerichtlichen Klärung eine Risikoabwägung oft ergeben, dass eine Veröffentlichung auch bei fehlender Begründung wohl das geringere Anfechtungsrisiko birgt – und nebenbei einen überflüssigen Streitpunkt mit Aktionären ausräumt.