Die materielle Prüfung umfasst im Wesentlichen die Frage, ob der neue Tagesordnungspunkt hinreichend klar beschrieben und ob er zur Beschlussfassung durch die Hauptversammlung grundsätzlich geeignet ist. Unklare allgemeine Umschreibungen („Die HV möge sich mit dem Komplex XY befassen.“) genügen nicht. In aller Regel sind aber die Erweiterungsverlangen vollständig beschlussförmig ausformuliert und daher insoweit nicht zu beanstanden. Zudem muss, damit der Antrag veröffentlichungspflichtig ist, die angestrebte Beschlussfassung auf ein zulässiges Ziel gerichtet sein. Aktienrechtlich unzulässige Ziele werden auch nicht in Form eines Minderheitsantrages zulässig, ein darauf gerichtetes Verlangen darf unveröffentlicht bleiben. Anträge mit klar gesetzwidrigem Ziel sind insoweit leicht zu diagnostizieren, kommen aber kaum vor (Bsp.: Antrag, den Aufsichtsrat abzuschaffen). Anträge, die zu einem Konflikt mit der gesetzlichen Kompetenzordnung führen (könnten), sind hingegen verbreitet und regelmäßig schwer zu bewerten: Der klassische Fall ist die Satzungsänderung, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer bestimmten geschäftlichen Betätigung abzielt und hierzu den Weg einer Änderung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes wählt. Hierin kann im konkreten Einzelfall eine zulässige Satzungsänderung liegen, es kann sich aber auch um eine unzulässige Einmischung in die dem Vorstand obliegende Geschäftsführungsbefugnis handeln. Als weitere Standardfallgruppe zu nennen ist die begehrte Sonderprüfung mit einem unpräzisen oder unzulässigen Prüfungsziel. – Abgesehen von derartigen Fällen eines unzulässigen Beschlussziels sind die Anträge in aller Regel inhaltlich weitgehend unproblematisch zulässig. Irgendein Bezug zur vorgesehenen Tagesordnung ist gerade nicht erforderlich. Ob der zugrunde gelegte Sachverhalt den Antrag trägt und ob der angestrebte Beschluss aus Sicht der Verwaltung zweckmäßig und zielführend wäre, ist nicht Gegenstand der Vorprüfung, sondern Angelegenheit der Hauptversammlung.

Rechtsmissbrauch durch den Antragsteller wegen unlauterer hinter dem Antrag stehender Beweggründe wird nur selten so eindeutig vorliegen und belegbar sein, dass eine Zurückweisung des Verlangens damit gerechtfertigt werden könnte. Insbesondere ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn das Minderheitsverlangen fristwahrend von einem Groß- oder Mehrheitsaktionär gestellt wird und in der Sache erkennbar auf eine Korrektur eines misslungenen Tagesordnungspunktes abzielt, den der Vorstand nach Ablauf der Einberufungsfrist selbst nicht mehr nachbessern könnte.

Die Verwaltung kann der Veröffentlichung der Tagesordnungsergänzung eine eigene Stellungnahme beifügen, muss es aber nicht. Eine gesetzliche Pflicht für Vorstand und Aufsichtsrat, einen Beschlussvorschlag auch zu den neuen Tagesordnungspunkten zu unterbreiten, besteht nicht (§ 124 Abs. 3 S. 3 AktG).

Eine Stellungnahme mit Empfehlung ist aber zumindest dann angezeigt, wenn die Verwaltung sich ausnahmsweise einem der neuen Punkte anschließt (z.B. weil durch ihn Mängel der zuvor veröffentlichten Tagesordnung ausgemerzt werden). Hier gilt es auch im Hinblick auf Vollmachtsstimmen und Weisungen vor der HV klare Signale zu setzen.

Eine heftige Diskussion ist entbrannt über die Frage, ob der Vorstand nach erfolgter Veröffentlichung, aber noch vor dem HV-Beginn, berechtigt sein könne, die neuen Tagesordnungspunkte wieder von der Tagesordnung abzusetzen. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.06.2015 (II ZR 142/14), der zufolge der Vorstand eine aufgrund eines Minderheitsverlangens einberufene Hauptversammlung bis zu deren Beginn wieder absagen kann. Dies soll nach einigen Literaturstimmen auf den Fall eines aufgrund eines Minderheitsverlangens aufgenommenen neuen Tagesordnungspunktes entsprechend übertragen werden können. Hier ist jedoch äußerste Zurückhaltung geboten und jede Vereinfachung zu vermeiden: Im entschiedenen Fall hat der BGH keinesfalls dem Vorstand einen Freibrief erteilt, beliebig und grundlos eine auf einem Minderheitsverlangen basierende HV wieder abzusagen. Die Entscheidung stellt lediglich klar, dass die Absagezuständigkeit auch in diesem Fall beim einberufenden Organ, also dem Vorstand, verbleibt. Sie sagt hingegen nichts dazu aus, ob der Vorstand von ihr auch rechtmäßig Gebrauch macht oder ob er mit der in seiner Macht stehenden Absage pflichtwidrig handelt, was in der Entscheidung explizit thematisiert wird. Selbst wenn also der Vorstand die ihm aufgezwungene HV abberufen kann, bedeutet das nicht, dass er es auch stets darf. Ein Wegfall des Versammlungsortes kann eine Absage rechtfertigen, Unzufriedenheit mit dem Aktionärsbegehren hingegen nicht. – Übertragen auf den Fall der Tagesordnungserweiterung bedeutet dies: Der Vorstand mag verantwortlich für Einberufung und (erweiterte) Tagesordnung sein, ein Recht, beliebig die neu aufgenommenen Tagesordnungspunkte nachträglich wieder absetzen zu dürfen, folgt daraus nicht zwingend. Ein Verstoß hiergegen könnte sich als Pflichtverstoß des Vorstands herausstellen. Gründe, warum ausnahmsweise ein ursprünglich zulässiger Tagesordnungspunkt tatsächlich später doch zwingend entfallen muss, dürften nur sehr selten anzunehmen sein.

 

Hinweise:

-Antrag muss  vor Ort nicht gestellt werden, da Bestandteil der geänderten/erweiterten Tagesordnung

-Abstimmungsvorschlag erfolgte durch antragstellenden Aktionär

-Stimmkartenlayout, Weisungsbögen und Weisungsspiegel haben auch die neuen TOPs zu umfassen

-Weitere Behandlung, Diskussion, Abstimmung und Protokollierung wie bei normalen TOPs

-Subtraktionsverfahren zur Abstimmung zulässig