Dr. Norbert Bröcker, Partner, und Dr. Karoline Peters, Rechtsanwältin, Hoffmann Liebs Fritsch & Partner, Düsseldorf

Das Herzstück oder – aus Sicht des Versammlungsleiters – die „Königdisziplin“ einer jeden Hauptversammlung stellt die Leitung der Generaldebatte dar. Diese verlangt dem Versammlungsleiter zuweilen Höchstleistungen ab, da er vor der Herausforderung steht, im Spannungsfeld zwischen dem Erfordernis einer zügigen und sachgerechten Durchführung der Hauptversammlung und dem rechtssicheren Umgang mit nicht immer konstruktiven Aktionären souverän der Herrscher des Geschehens zu bleiben. Dabei muss der Versammlungsleiter sein Augenmerk insbesondere darauf richten, sich nicht von „redefreudigen“ Aktionären, die die Generaldebatte als gedeihlichen Nährboden für spätere Anfechtungs- und Auskunftsklagen betrachten, die Zügel aus der Hand nehmen zu lassen.

Vorbereitung der Generaldebatte
Die entscheidenden Weichen für einen strukturierten und rechtssicheren Umgang mit Aktionärsbeiträgen in der Generaldebatte werden bereits im Vorfeld der Hauptversammlung gestellt. Insbesondere dann, wenn nach Einschätzung von Vorstand und Aufsichtsrat eine „kritische“ Hauptversammlung bevorsteht, ist eine sorgfältig ausgearbeitete Fragen- und Antwortenliste unerlässlich. Kein noch so gutes Backoffice wird in der Lage sein, optimale Antworten auf schwierige Fragen zu sensiblen Themen gewissermaßen spontan zu liefern. Ein leistungsfähiges Backoffice ist indessen eine zentrale Voraussetzung für eine gelingende Generaldebatte. Gerät das Backoffice in Schlingern, kommt auch das Podium in die Defensive. Für den Versammlungsleiter wird es dann schwierig, ein Abgleiten und Zerfasern der Debatte zu verhindern.

Weiteres Augenmerk sollte im Vorfeld der Hauptversammlung darauf gerichtet werden, den Versammlungsleiter für seine Aufgabe zu „trainieren“. Dies gilt in besonderer Weise, wenn der Versammlungsleiter unerfahren ist und die Generaldebatte daher für ihn „Neuland“ darstellt. Hierbei sollte der Versammlungsleiter insbesondere auch auf Sondersituationen, wie etwa den Umgang mit Verfahrensanträgen, vorbereitet werden. Gelingt es, dem Versammlungsleiter eine gewisse Sicherheit im Umgang mit unerwarteten Sondersituationen zu vermitteln, so ist bereits viel gewonnen. Denn gerade ein souveräner Auftritt des Versammlungsleiters kann einen entscheidenden Einfluss darauf haben, kritische Aktionäre in der Generaldebatte in Schach zu halten.

Strukturierung der Generaldebatte
Während der Hauptversammlung kommt es entscheidend darauf an, sämtliche Aktionärsfragen in strukturierter Form möglichst zügig und rechtssicher zu beantworten. Hierzu hat es sich in der Praxis bewährt, die Generaldebatte in der Weise zu organisieren, dass die Antworten auf die gestellten Fragen „blockweise“ nach Beendigung einer gewissen Anzahl von Redebeiträgen gegeben werden. Dies bietet den Vorteil, dass die Antworten auf die Fragen des ersten Redners während des Redebeitrags des folgenden Aktionärs im Backoffice vorbereitet werden können, sodass unangenehme Pausen – die Aktionäre oftmals zu weiteren Nachfragen anspornen – vermieden werden. Bei der Beantwortung der Fragen empfiehlt es sich, nach einem „gestaffelten“ System vorzugehen, bei welchem die Fragen eines Aktionärs im ersten Anlauf eher generell beantwortet werden und die Detailtiefe erst auf weitere Nachfrage erhöht wird. Auf diese Weise kann, insbesondere zu Beginn der Generaldebatte, eine zügige Beantwortung der Aktionärsfragen sichergestellt werden. Zudem zeigt die Erfahrung, dass weitere Nachfragen nicht selten unterbleiben.

Begrenzung des Rede- und Fragerechts
Es gehört daneben auch zu den Aufgaben des Versammlungsleiters, bei der Durchführung der Generaldebatte die Zeit im Blick zu behalten und dafür Sorge zu tragen, dass die Hauptversammlung nach Ablauf einer angemessenen Zeit beendet wird. Um dies sicherzustellen, sollte der Versammlungsleiter bei einem ausufernden Verlauf der Generaldebatte eine angemessene Beschränkung des Rede- und Fragerechts der Aktionäre aussprechen. Dabei ist es von Vorteil, wenn die Satzung der Gesellschaft den Versammlungsleiter hierzu ermächtigt, da die kontrovers diskutierte Frage, ob das Fragerecht der Aktionäre auch ohne Ermächtigung in der Satzung eingeschränkt werden kann, dann keine Rolle spielt. Hinsichtlich des Inhalts einer solchen Satzungsbestimmung hat der BGH es ausdrücklich für zulässig erachtet, wenn dem Versammlungsleiter durch die Satzung nicht nur abstrakt die Möglichkeit zur Vornahme von Beschränkungen eingeräumt wird, sondern ihm vielmehr detaillierte Vorgaben – etwa zur Dauer einzelner Redebeiträge – gemacht werden. Unabhängig davon, wie die Satzungsbestimmung ausgestaltet ist, muss der Versammlungsleiter die von ihm angeordneten Maßnahmen jedoch stets auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände noch einmal auf ihre Verhältnismäßigkeit prüfen. So dürfte etwa eine bereits zu Beginn der Generaldebatte angeordnete Beschränkung der Redezeit – jedenfalls dann, wenn nur wenige Redner auf der Rednerliste stehen – unverhältnismäßig sein. Da die Frage der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Beschränkungen im Rahmen von Anfechtungsklagen der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegt, sollte von der Möglichkeit der Beschränkung des Rede- und Fragerechts in der Praxis jedoch nur nach reiflicher Überlegung Gebrauch gemacht werden.

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