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Diesen und weitere Artikel zum Thema Hauptversammlung finden Sie in der neuen Ausgabe des HV Magazins 01-2022.

Seit September 2020 haben börsennotierte Gesellschaften die Möglichkeit, von Intermediären Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zu verlangen. „Shareholder Identification“ (Share ID) gibt es schon seit Jahrzehnten, das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie gewährt Unternehmen nun einen rechtlichen Anspruch.

Weltweite Rückmeldungen

Die neue Möglichkeit der Share ID wurde mittlerweile von zahlreichen Unternehmen genutzt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten können Emittenten mittlerweile meist über 90% ihrer Aktionäre identifizieren. Es liefern nicht nur Intermediäre aus dem EU-Raum, es kommen inzwischen auch zahlreiche Rückmeldungen aus den Vereinigten Staaten, aus Großbritannien, Russland, Japan oder Hongkong, um nur einige zu nennen.

Umfang der Rückmeldung

Die Rückmeldung der Banken richtet sich an den in der Durchführungsverordnung vorgegebenen Datenfeldern (Durchführungsverordnung (EU) 2018/1212, Tabelle 2). Es sind die Informationen zur Identität des Aktio­närs, in der Praxis des wirtschaftlich Berechtigten, also des sogenannten „Bene­ficial Owner“, zurückzumelden.

Die Daten zu Privataktionären werden, wie in der Durchführungsverordnung vorge­geben, gemeldet. Anders als bei den Meldungen aus dem Ausland gehen viele deutsche Banken davon aus, dass die ­E-Mail-Adresse nicht zurückgemeldet werden müsse, sondern optional sei. Diese ­Interpretation ist aus unserer Sicht der ­EU-Richtlinie so nicht zu entnehmen. Vielmehr ist die E-Mail-Adresse zurückzumelden, sofern vorhanden! Die entsprechende Prüfung wird von den oben genannten Banken offensichtlich nicht durchgeführt. Vielmehr wird umfänglich auf die Rückmeldung verzichtet. Die Frage, ob Emittenten die Gebühren, die Banken für die ­Offenlegung je Datensatz verlangen, auch für unvollständige Rückmeldungen ­bezahlen müssen, bleibt zu klären. Die Antwort der Banken, man müsse verstehen, dass man verschiedene IT-Systeme habe und die E-Mail-Adressen daher nicht liefern könne, ist zwar verständlich, ­jedoch keineswegs akzeptabel. Die vollständige Meldung ausländischer Banken würde den Rückschluss nahelegen, dass deren IT-Systeme fortschrittlicher seien. Hier besteht auf Seiten der inländischen Intermediäre deutlicher Aufholbedarf.

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Bei Fondsgesellschaften wird in der Regel der einzelne Fonds einer Investment­gesellschaft offengelegt und nicht die ­Investmentgesellschaft selbst. Was das Thema Eigentümer der Aktien betrifft, wird es in der Praxis schon schwieriger. ­Betrachtet man beispielsweise die Aktienleihe, stellt sich die Frage, wer hier gemeldet wird… Der verleihende Eigentümer oder der leihende Besitzer? Da Leihe-­Vereinbarungen sehr unterschiedlich ­gestaltet werden können, würde es sich anbieten, die Tabelle 2 bei einer künftigen Überarbeitung diesbezüglich zu erweitern. Die eigentlich ­relevanten Informationen dazu, wer mit den Aktien abstimmt bzw. wer einen Fonds ­managt, werden oft erst auf Wunsch des Emittenten ergänzt.

Schnellerer Informationsrücklauf

Anders als bei den früheren Identifi­kationsverfahren müssen die Unternehmen nicht mehr sechs Wochen und länger auf die Offenlegung warten. Die konsolidierten Ergebnisse liegen mittlerweile nach zwei Wochen vor.

Digitalisierung

Die Rückmeldung der Daten sollte eigentlich auf Basis des neuen Standards ISO 20022 erfolgen. Das ist heute allerdings nicht der Regelfall. Die Formatvielfalt ­verursacht ­hohe Aufwände, die einfach vermieden werden könnten. Bei der ­Ursachenanalyse kommen wir leider auch hier zu ähnlichen Rückschlüssen wie bei der Nichtlieferung der E-Mail-Adressen.

Speicherung der Aktionärsdaten

Die EU-Richtlinie sieht für Privatpersonen eine Löschung der Daten nach zwölf ­Monaten vor. Um diese Löschungen ­automatisieren zu können, bietet sich ­eine Speicherung mit automatisierten Löschroutinen an. Wir speichern die ­Auskünfte in unserem Registersystem und nutzen die dort implementierten Löschroutinen. Dieses Set-up bietet neben der Speicher- und Löschlogik den Vorteil der Nutzung der bestehenden Registeranalysetools und steht sowohl für ­Namens- wie auch für Inhaberaktien zur Verfügung.

Nutzung der Share IDS

Während Share IDs in der Vergangenheit überwiegend für die Planung von Road­shows und Hauptversammlungen genutzt wurden, ermöglicht die ARUG-II-basierte ­Offenlegung weitere Analysemöglichkeiten.

Ziel der Gesetzgebung ist Transparenz. Ein Anschleichen aktivistischer Aktionäre soll durch die Meldeverpflichtungen wie auch die Offenlegung von Leihepositionen, um nur zwei Aspekte zu nennen, verhindert werden. In der Praxis zeigt sich, dass die ­bestehenden Regelungen durchaus greifen. Trotzdem finden Aktivisten Möglichkeiten, die bestehenden Rahmenbedingungen für sich zu nutzen, so z.B. Share IDs für ­Monitorings. Insbesondere für Namensaktien bietet sich diese Möglichkeit an. Die Emittenten können eine selektive ID nutzen, in der sie nur die Nominees mit ungewöhn­lichen Bewegungen oder Volumina anfragen. Dies ist kostengünstig und hilft bei ­ohnehin schwierigen Situationen, schneller reagieren zu können. Emittenten ­wissen dann innerhalb weniger Tage, ob es beruhigende und beunruhigende Erklärungen für die auffälligen Bewegungen gibt.

Auch für steuerrechtliche Themen und ­Aspekte werden Share IDs immer häufiger genutzt. Emittenten müssen den Finanzämtern darlegen, dass Großaktionäre ­bestimmte Schwellen, die eine Steuerpflicht auslösen, nicht überschritten haben bzw. der Freefloat so groß ist, dass dies ausgeschlossen werden kann. Die Share IDS werden zu diesen Zwecken so aufbereitet, dass dies ausreichend dokumentiert und nachgewiesen werden kann. Für die Auf­bereitung der offengelegten Daten in der HV ist es notwendig, die Informationen, wer für welche Aktien­bestände abstimmt, wie auch welche ­Abstimmungsgrundlagen/Proxy ­Advisors genutzt werden, zu ergänzen.

ESG-Themen

Eine neue Komplexität stellt die Weiterentwicklung der ESG-Abstimmungsrichtlinien dar. Diese werden zum Teil in den Abstimmungsrichtlinien der Gesellschaft definiert. Es kann aber auch auf externe ESG-Organisationen referenziert werden. In diesem ­ereich entsteht eine Dynamik, die befürchten lässt, dass die HV-Vorbereitung noch wesentlich aufwendiger werden könnte. Eine spannende Frage wird hierbei sein, bei welchen HV-Beschlüssen ESG-Kriterien einen Einfluss haben, oder ob es auch in Deutschland zu „Say on climate“-Tagesordnungspunkten kommen kann. Wir trauen uns, die Aussage zu treffen, dass ESG-Faktoren einen erheb­lichen Einfluss haben werden, ohne vorherzusagen, ob Brüssel oder Berlin diesbezüglich aktiv werden oder Investoren versuchen werden, z.B. Satzungsänderungen in dieser Richtung zu erzwingen. Die Diskussion darüber, welche ESG-Faktoren in der Vergütung von Organmitgliedern zu berücksichtigen sind und welches Gewicht diesen zukommen soll, deutet dies bereits an.

Ausblick

In diesem Zusammenhang wird auch die Frage spannend bleiben, ob die Rolle der Indexfonds abnehmen wird und Nachhaltigkeitsfonds eine zunehmende Rolle spielen werden. Auch hier scheinen unterschiedliche Szenarien möglich. Larry Fink schrieb in seinem CEO-Brief im Januar dieses Jahres, dass BlackRock das ESG-Team seit 2018 verdoppelt habe. Es ist anzunehmen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Zusätzlich werden immer die Analysetools und Abstimmsysteme der Investoren weiterentwickelt werden. Gerade vor diesem Hintergrund werden Share IDs für Emittenten noch einmal wichtiger werden.

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Autor/Autorin

Christof Schwab

Christof Schwab ist Director Business Development bei Computershare Deutschland. Er verantwortet die Weiterentwicklung des gesamten Leistungsportfolios, von der Aktienregisterführung über Versammlungsservices bis hin zu Proxy-Solicitation-Maßnahmen und Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen (Employee Equity Plans).