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Im Rahmen unseres großen Online-Themenmonats rund um den Bereich M&A Insurance haben wir Experten befragt, welche Trends Sie sehen und wie die weitere Entwicklung sich gestalten wird. Heute: Das Interview mit Dr. Markus Messinger, Head of Northern Europe, Liberty GTS.

Bereits vorab haben wir die wichtigsten Fakten in unserem großen Übersichtsbeitrag für Sie zusammengestellt. In den nächsten Tagen folgen weitere Interviews mit den Experten der Szene: Robert Engels von Willis Towers Watson und Dr. Markus Rasner von Oppenhoff. Hier finden Sie bereits das Interview mit Dr. Mirjam Boche.

Unser Themenmonat erscheint vorab zu unserem großen Special „M&A Insurance 2021“, das wir Ende August als Magazin und E-Magazin veröffentlichen. Hier finden Sie unser Special aus dem letzten Jahr. Und das ist nicht alles: Wir begleiten unser Engagement im Bereich M&A Insurance mit unserem Netzwerk-Event „M&A Insurance Summer Forum“. Hier lesen Sie mehr zur Veranstaltung und können das Event des letzten Jahres (nach-)sehen.

 

 

GoingPublic: Hat die Pandemie die Verbreitung von M&A Versicherungen ausgebremst?

Dr. Markus Messinger: Die Nachfrage nach M&A Versicherungen ist ungebrochen. Kernprodukt ist weiterhin die Warranty & Indemnity Policy, die insbesondere bei Private-Equity-Transaktionen im Mid- und Large-Cap Bereich regelmäßig fester Transaktionsbestandteil ist.

Die W&I Versicherung wird oft bereits vom Verkäufer in den Transaktionsprozess eingeführt, der sich einen Clean Exit wünscht. Interessanterweise wird zunehmend auch beim Verkauf von Familienunternehmen und Konzern-Carve-Outs verkäuferseitig eine Versicherungslösung im Kaufvertrag angelegt.

Haben sich die Prozesse rund um eine Police weiter professionalisiert?

Die meisten Investoren und Berater sind mittlerweile mit dem Underwriting-Prozess vertraut und Policen können bei guter Zusammenarbeit aller Beteiligten innerhalb von einer Woche platziert werden. Die starke M&A Aktivität seit dem vierten Quartal 2020 schlägt sich auch auf dem Markt für W&I Versicherungen nieder. Die Zahl der Anfragen für W&I Policen und die Zahl der platzierten Policen sind auf Rekordhoch. Ein deutlich gesteigertes Interesse gibt es an Spezialversicherungslösungen für erkannte Rechtsrisiken, sogenannte Contingent Legal Risk Insurance. Die Marktteilnehmer bekommen zunehmend ein besseres Gefühl dafür, welche Risiken versicherbar sind und welche nicht. Gleichzeitig bauen Versicherer spezielle Teams für diesen Bereich auf und erhöhen die verfügbaren Deckungssummen.

Lesen Sie hier unsere IPO News.

Hat sich die Befürchtung bewahrheitet, dass es vermehrt zu Distressed M&A Deals kommt?

Versicherungslösungen für Pandemie-bedingte Distressed M&A Deals werden kaum angefragt. Vielmehr stehen Zielunternehmen im Fokus, deren Geschäftsmodell sich in den vergangenen Monaten als stabil erwiesen oder von den veränderten Umständen sogar profitiert hat.

Welche Entwicklungen sehen Sie bei den Prämien?

Das Prämienniveau ist im Vergleich zu den letzten Jahren leicht gestiegen. Die Prämienkorrektur in Europa und Deutschland fällt bisher jedoch geringer aus als im US-amerikanischen Markt, wo wir bereits im letzten Jahr einen durchschnittlichen Anstieg von etwa 20% gesehen haben. Die Selbstbehalte verbleiben niedrig und der Deckungsumfang wird eher weiter. Als Deckungssumme werden oft 10 bis 20% des Unternehmenswertes angefragt. Bei steigenden Unternehmenswerten nimmt das Interesse an großen Deckungssummen zu.

Was tut sich auf der Anbieterseite, gibt es neue Player auf dem deutschen M&A Markt?

Trotz einiger neuer Markteintritte ist der Kreis der Makler und Versicherer mit deutschen Teams seit einigen Jahren im Wesentlichen konstant. Anhand der Deal-Größe und der Höhe der Deckungssummen zeichnet sich eine gewisse Marktsegmentierung ab. Während einige Anbieter eher den Small-Cap-Bereich im Blick haben, konzentrieren sich andere eher auf den oberen Mid- und Large-Cap.

Bislang wurden in Deutschland sehr wenige Claims öffentlich gemacht. Welche Entwicklung sehen Sie hier?

In den letzten Monaten zeichnet sich ein Anstieg von Schadensmeldungen ab. Die geltend gemachten Schäden sind durchschnittlich auch größer als in der Vergangenheit und werden früher angezeigt. Ein Treiber dieser Entwicklung mag sein, dass die Pandemie Due Diligence Prozesse erschwert hat.

Hier finden Sie unsere IPO Analysen.

Wir denken jedoch, dass die maßgeblichen Gründe eher im W&I Produkt selbst zu suchen sind. Der Deckungsumfang hat sich in den letzten Jahren – bei gleichzeitiger Reduzierung der Selbstbehalte – ständig erweitert. Außerdem scheinen Erwerber nach Closing genauer und systematischer zu analysieren, ob es Garantieverletzungen gegeben hat. Es ist zu erwarten, dass diese Trends mittelfristig auch in Europa zu Prämienerhöhungen führen werden, die wir in den USA schon sehen, ohne dass sich hierdurch die Anzahl der platzierten W&I Policen reduziert hätte.

Informationen zu Claims werden von den Versicherern zunehmend zur Verfügung gestellt. Wir haben beispielsweise im letzten Jahr eine umfangreiche Claims-Study veröffentlicht, für die wir Schadensmeldungen der letzten zehn Jahre ausgewertet haben. Derzeit arbeiten wir an einer Aktualisierung, die wir im Herbst vorstellen werden.

Sehr geehrter Herr Dr. Messinger, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Autor/Autorin

Stefan Preuss

Stefan Preuß ist Mitglied der GoingPublic Redaktion.