Bildnachweis: Tierney – stock.adobe.com, Baker McKenzie.

Die deutsche Biotechnologiebranche hat im vergangenen Jahr erhebliche Summen an Investorengeldern erhalten. Laut Branchenverband BIO Deutschland sei 2021 mit 2,3 Mrd. EUR an eingeworbenem Kapital das zweitstärkste Jahr für die Branche gewesen. Unter anderem die deutschen Impfstofferfolge gegen Corona locken internationale Investoren nach Deutschland.

Biotechnologieunternehmen sind vor diesem Hintergrund gut beraten, bei der Diversifizierung des Investorensyndikats mit US-Investoren einigen Punkten besondere Beachtung zu schenken. Ausgewählte Chancen und Herausforderungen sollen in diesem Beitrag näher beleuchtet werden.

Transaktionsprozess

Erfahrungsgemäß bringen US-Investoren im Transaktionsprozess der Eigenkapitalfinanzierung Geschwindigkeit, Flexibilität und Risikofreude mit. Sie denken bei der Transaktionsplanung eher in Tagen und Wochen als in Monaten. Das Biotechnologieunternehmen tut gut daran, sich beim Fundraising mit US-Investoren mit ausreichend Manpower und erfahrenen Beratern im internationalen Team aufzustellen. US- und andere internationale Investoren investieren oft Later Stage, wenn den lokalen Investoren aufgrund geringerer Fondsvolumen die Puste ausgeht.

Bei der Due Diligence im Rahmen der Eigenkapitalfinanzierung, also bei der Analyse, Prüfung und Bewertung des Biotechnologieunternehmens und seiner Vermögenswerte sowie rechtlichen Verhältnisse, bestehen wenige Unterschiede zwischen dem Vorgehen eines lokalen und eines internationalen Investors.

Investitionskontrolle

Aufgrund von Änderungen des deutschen Außenwirtschaftsrechts anno 2020 und 2021 bedürfen bestimmte Erwerbe von Minderheitsbeteiligungen an Biotechnologieunternehmen im Rahmen von Eigenkapitalfinanzierungen durch Nicht-EU- bzw. Nicht-EFTA-Investoren der Kontrolle und Freigabe durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung). Sofern erforderlich, ist die Transaktion ohne die Durchführung des Investitionskontrollverfahrens und ohne Erhalt der Unbedenklichkeitsbescheinigung ggf. unwirksam und kann nicht vollzogen werden.

Setzt sich das Investorensyndikat also auch aus Nicht-EU- bzw. Nicht-EFTA-Investoren zusammen, ist dem Biotechnologieunternehmen zu raten, das Erfordernis einer Investitionskontrolle frühzeitig prüfen zu lassen. Ist eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erforderlich, ist die Transaktion so zu strukturieren, dass spätestens der Vollzug, also das sogenannte Closing, aufschiebend bedingt ist auf den Erhalt dieser Bescheinigung.

Startet man das Investitionskontrollverfahren, sofern erforderlich, nicht frühzeitig im Transaktionsprozess, kann dies zu einer Verzögerung der Finanzierungsrunde von mehreren Monaten führen, die im Businessplan des Biotechnologie-Start-ups und in der Transaktionsdynamik eingeplant werden muss.

Formvorschriften

Der Abschluss der Transaktionsdokumentation einer Eigenkapitalfinanzierung bedarf in der Regel der notariellen Beurkundung, das bedeutet persönliche Anwesenheit aller Beteiligten vor einem deutschen Notar oder Vertretensein aufgrund Vollmacht. Jede Investorenvollmacht bedarf dabei der notariellen Beglaubigung der Unterschrift(en) und einer Überbeglaubigung bzw. Apostille, wenn die Unterzeichnung der Vollmacht im Ausland stattfindet.

Diese Formerfordernisse sind vielen ausländischen Investoren nicht geläufig. Gerade Investorenvollmachten und Überbeglaubigungen bedürfen Vorbereitung, Erklärung und Zeit. Durch eine professionelle Begleitung und frühzeitiges Lostreten des Prozesses können im Notartermin unerwünschte „Roadblocks to Signing“ vermieden werden.

Corporate Governance

Auch die Corporate Governance eines deutschen Biotechnologieunternehmens, welches meist in der Rechtsform einer GmbH daherkommt, ist ausländischen Investoren erklärungsbedürftig. Ein Beispiel ist die Zusammensetzung des sogenannten Boards. Während vor allem im angloamerikanischen Raum keine vollständige personelle Trennung zwischen Geschäftsführung/Vorstand und Kontrollorgan (Beirat oder Aufsichtsrat) vorherrscht (sogenanntes One-Tier-Board-Modell), findet im deutschen Rechtssystem eine solche Trennung von Geschäftsführung und Kontrollorgan statt (sogenanntes Two-Tier-Board-Modell). Durch eine geschickte vertragliche Gestaltung der Corporate Governance innerhalb des rechtlich Möglichen kann man jedoch den Interessen und Gewohnheiten aller Beteiligten gerecht werden. Bei GmbHs kann das Board in Form eines Beirats als Beratungs- und Überwachungsorgan ausgestaltet werden, welches nach Wunsch sogar unternehmensleitende Funktion haben kann.

Bindung des Gründer- und Managementteams

Gerade für US-Investoren ist es von zentraler Bedeutung, das Gründerteam, welches im Biotechnologieunternehmen häufig in der Geschäftsführung oder im Kernmanagement tätig ist, an das Unternehmen zu binden und eine Identifikation mit den Zielen des Unternehmens zu erreichen. Die Herstellung dieser Bindung und eines Interessengleichlaufs erfolgt auch durch Regelungen zum Anwachsen der Gründerbeteiligung am Stammkapital (sogenanntes Vesting) und zu deren Verfall (sogenannte Leaver-Klauseln).

Grundgedanke des Vestings ist, dass die Gründer bzw. Manager ihre Beteiligung an der Gesellschaft, die durch den Kapitaleinsatz der Investoren erheblich an Wert gewinnen kann, durch ihr Engagement für das Biotech erst verdienen müssen. Steigen die Gründer bzw. Manager vor Ablauf eines bestimmten Zeitraums aus dem Unternehmen aus, kann dies je nach Anlass des Ausstiegs dazu führen, dass die Beteiligung am Stammkapital ganz oder teilweise abgegeben werden muss.

Cross-over-Finanzierung

Hohe Bewertungen und das große Interesse an Biotechwerten ziehen viele europäische Biotechnologieunternehmen traditionell an die Wall Street als Börsenplatz mit den meisten Healthcareinvestoren. Für einen erfolgreichen US-Börsengang ist es wesentlich, einen erfahrenen US-Investor im Syndikat zu haben. Die Beteiligung renommierter US-Crossover-Investoren an dem Biotechnologieunternehmen in dem Jahr vor dem geplanten Börsengang (sogenannte Cross-over-Finanzierung) ist einer der Erfolgsfaktoren für ein Cross-Border-IPO in den USA. Auch wenn das Marktumfeld für Biotech-IPOs in den USA im Moment schwach ist, empfiehlt es sich, diesen Aspekt beim Fundraising des Biotechnologieunternehmens über seine Lebensdauer hinweg im Hinterkopf zu behalten.

 

ZUR AUTORIN

Die Rechtsanwältin Julia Braun, LL.M. ist Corporate-M&A-Partnerin und Mitglied der Healthcare Industry Group bei Baker McKenzie. Sie berät Finanzinvestoren, Biotechnologieunternehmen, strategische Investoren und Gründer bei Transaktionen aller Art im Bereich grenzüberschreitendes und nationales M&A, Private Equity sowie Wachstumsfinanzierungs- und Risikokapitaltransaktionen, mit Fokus im Healthcare- und Life-Sciences-Bereich.